18 - Ein Besuch beim Direktor

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Vianas POV

*Zwei Jahre zuvor*

„Hallo, Viana."

Ängstlich schaute ich zu dem alten Mann mit den grauen Haaren und den eisblauen Augen auf. Trotz seines freundlichen Lächelns schüchterte er mich ein. Das lag vermutlich an der Tatsache, dass er eine Autoritätsperson für mich war.

„Wie geht es dir?", führte Mister George das Gespräch fort, indem er zu belanglosem Smalltalk überging. Insgeheim war es ihm aber vermutlich total egal gewesen, wie es mir ging. Er wollte bloß höflich sein.

Doch darauf hatte ich keine Lust. Ich wollte endlich wissen, was ich in dem Büro des Schuldirektors zu suchen hatte.

„Warum bin ich hier?", erwiderte ich seine Frage also mit einer Gegenfrage. Mein Herz schlug mir dabei vor lauter Aufregung bis in den Hals und mir wurde übel.

In all den Jahren, in denen ich nun schon zur Schule ging, wurde ich noch nie zum Direktor zitiert. Ich war immer eine ruhige und unauffällige Schülerin, die sich an die Regeln hielt.

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie Opfer einer Mobbingattacke geworden sind", antwortete Mister George nach ein paar Sekunden. „Stimmt das, Viana?"

In jenem Moment setzte mein Herzschlag aus.

Wer hatte so etwas behauptet? Und wer hatte so viel Mut, um diese Nachricht dem Direktor zu überbringen?

„Viana?"

Ich biss mir krampfhaft auf die Unterlippe. Das war meine Chance! Endlich könnte die Gerechtigkeit siegen.

Aber war das tatsächlich so einfach?

Ich glaubte nicht daran, dass die Angriffe von Cassy, Betty, Percy und all den anderen Schülern enden würden, wenn ich dem Direktor jetzt die Wahrheit sagte. Stattdessen würde bestimmt alles nur noch schlimmer werden. Dieses Risiko durfte ich auf keinen Fall eingehen.

„Ich weiß nicht, wer so etwas behauptet hat, aber es stimmt nicht", log ich deshalb.

Das war die Lüge, die ich mit Abstand am schwierigsten über die Lippen bekam. Ich wollte so gerne die Wahrheit sagen – wirklich – aber meine Angst vor Cassy, Betty und Percy überwog.

„Bist du dir sicher, Viana?", hakte Mister George mit hochgezogenen Augenbrauen nach. An seinem Gesichtsausdruck konnte ich ablesen, dass er mir nicht glaubte. Nichtsdestotrotz blieb ich standhaft und sagte: „Ja, ich bin mir sicher. Wenn sie mich jetzt entschuldigen würden – ich muss zurück in den Unterricht."

Mit diesen Worten erhob ich mich von meinem Stuhl, verließ das Büro des Direktors und schloss mich abschließend weinend auf der Mädchentoilette ein.

Das war sie gewesen – meine Chance. Ob ich jemals wieder eine zweite Chance für die Wahrheit bekommen würde?

Amor mit BasecapWo Geschichten leben. Entdecke jetzt