3 - Mädchentoilette

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Lias' POV

Als ich meine Augen wieder öffne, ist alles um mich herum in schwarze Farbe getaucht. Außerdem hängen die Gefühle von Angst und Herzschmerz so beißend schwer in der Luft, dass ich mich übergeben muss.

Ich möchte nicht mehr lieben. Ich möchte nie wieder lieben.

Wie kann sich ein Mensch bloß so etwas Grausames wünschen? Die Liebe ist doch das schönste Geschenk auf dieser Welt! Ohne sie würden die Menschen nur existieren, nicht aber leben.

Mit zittrigen Beinen erhebe ich mich schließlich vom Boden und wische mir einmal über den Mund.

In all den Jahren, in denen ich nun schon der Gott der Liebe bin – und das sind mit 213 Jahren nicht gerade wenige – ist mir so etwas wie heute noch nie passiert. Die Menschen haben sich jeden Tag nach Liebe gesehnt, aber nicht danach, der Liebe abzuschwören.

Wer auch immer diese Person war, die diesen schrecklichen Wunsch zu mir geschickt hat – ich werde sie finden. Ich kann nämlich unmöglich zulassen, dass dort unten auf der Erde ein Mensch herumläuft, der sich von der Liebe distanzieren möchte.

Das geht einfach nicht!

Auch wenn mir immer noch schwindelig ist und mein Magen rebelliert, programmiere ich den Liebesgenerator ein, um den schlimmsten Wunsch meiner Liebes-Karriere zurückzuverfolgen.

Innerlich bereite ich mich auf alles vor.

Auf eine verbitterte alte Frau, die gerade ihren Ehemann an den Tod verloren hat.

Auf einen schmerzempfindlichen Mann, dem das Herz gebrochen wurde.

Oder auch auf ein junges unschuldiges Mädchen, an dem sich sexuell vergriffen wurde.

Doch wie eigentlich immer kommt es ganz anders, denn der Liebesgenerator führt mich zu einer High-School in Harpers Ferry, West Virginia.

Es dauert eine Weile, bis der Generator zwischen all den Schülern seine Zielperson ausfindig machen kann, aber als er es endlich geschafft hat, schnürt sich mir für einen kurzen Moment die Kehle zu.

Das ist ein Scherz, oder?

Ein Mädchen, das eher einem Engel als einem Menschen gleicht, sitzt zusammengesackt und mit Tränen in den Augen in der Schulmensa. Statt wie ihre Mitschüler etwas zu essen oder sich mit ihren Freunden zu unterhalten, hockt sie ganz alleine am Fenster und hängt ihren Gedanken nach. Dass sie dabei von Trauer zerfressen wird, ist nicht zu übersehen.

Aber warum?

Gegen welche Dämonen muss dieses Mädchen kämpfen?

Und warum möchte sie der Liebe abschwören?

Ohne großartig nachzudenken, nehme ich meine Menschengestalt als Lias Amore an und gehe zu der Brünetten hinüber. Eigentlich ist es mir untersagt, mich für die Menschen sichtbar zu machen, aber in Notsituationen wie diesen muss ich eine Ausnahme machen.

„Hey." Meine Stimme klingt unsicher, als ich das fremde Mädchen anspreche. „Darf ich mich zu dir setzen?" Entgegen meiner Erwartungen erhalte ich keine Antwort, sondern höre bloß ein leises Schluchzen.

Oh je, wie tröstet man denn am besten ein weinendes Mädchen, das man gar nicht kennt?

Mein Bauchgefühl sagt mir, sie zu umarmen, doch mein Verstand sagt mir, dass ich ihr ausreichend Freiraum geben muss. Sie soll sich schließlich nicht von mir in die Enge getrieben fühlen.

Am besten versuche ich einfach, sie von ihrem Kummer abzulenken. „Ich bin Lias und wer bist du?", starte ich also einen erneuten Versuch, ein Gespräch aufzubauen, aber wie bereits zuvor antwortet mir das Mädchen nicht.

Amor mit BasecapWo Geschichten leben. Entdecke jetzt