Szene ④

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Circa eine Stunde später stand Benno an der Außenfassade des Hotels seiner Eltern und wartete auf Suzanne. Er hatte ihr seine Adresse geschickt und hoffte, dass sie zu ihm fand. Das Hotel war eigentlich gut ausgeschildert, aber auf dem Anwesen gab es mehrere Eingänge und Benno war sich nicht sicher, ob sie den zu den privaten Wohnungen finden würde.

Doch dann sah er aus der Ferne eine Person mit langen, blonden Haaren auf ihn zukommen und er lächelte. Suzanne hatte ihn gefunden.

„Hi. Na, wie geht's dir?" Hinter den Brillengläsern blickte ihn das Mädchen aus großen, braunen Augen an. Sue sah angespannt aus. Sie war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war, sich mit Benno zu treffen, nachdem er die schlimmste Nacht seines Lebens hinter sich hatte. 

Deshalb legte sie auch, sobald sie nah genug an ihn herangekommen war, die Arme um ihn und zog ihn zu sich in eine innige Umarmung. Natürlich kannten die beiden sich noch nicht sehr gut, doch Sue schätzte Benno als eine weltoffene Person ein, die eine Umarmung nicht störte.

„Mir geht es den Umständen entsprechend ganz gut", antwortete Benno und atmete den süßen Geruch ein, der von Sue ausging. Was das Himbeer-Parfüm?

Viel zu schnell löste sie sich wieder aus der Umarmung. Anscheinend war sie sich doch unsicher, ob die Berührung nicht zu weit ging.

„Das ist schön."

Benno lächelte. „Und wie geht es dir? Schon zweimal ist dein erster Schultag verschoben worden."

Sue lachte. „Das würde ich nicht unbedingt als etwas Schlechtes ansehen. Ich habe dadurch viel Freizeit gewonnen, in der ich den Ort auskundschaften konnte." 

„Hast du jetzt schon alles gesehen?"

Sue nickte. „Größenteils. Nur die Wälder noch nicht." Sehnsüchtig sah das Mädchen auf die Bäume, die hinter der Fassade des Gebäudes in die Höhe wuchsen. Der Wald begann direkt hier, hinter dem Hotel.

Benno schluckte. Heute wollte er eigentlich nicht in den Wald. Dafür saß der gestrige Schock noch zu tief in seinen Knochen. Doch wenn es Sues Wunsch war, würde er ihm nachgehen.

Gerade wollte er ihr antworten, da wurde ihr klar, was sie da gerade gesagt hatte. Schnell nahm sie ihre Aussage zurück. „Tut mir leid Benno. Du musst natürlich nicht mit in den Wald kommen. Ich mache das morgen allein."

„Spinnst du? Du solltest auf keinen Fall allein in die träumenden Wälder gehen! Ich komme mit." 

Sue verdrehte die Augen. „Dann suche ich mir jemand anderen. Ich will mir den Wald angucken, aber dich zwinge ich nicht dazu mitzukommen. Du bleibst gefälligst draußen, bis sich die Situation etwas entspannt hat. Versprich mir das."

Benno seufzte. „Also gut. Ich gehe vorerst nicht in den Wald. Aber du gehst auch nicht allein."

„Ja", antwortete Suzanne stolz. Sie hatte gewonnen. „Und jetzt zeigst du mir bitte das Hotel. Ich bin schon ganz gespannt, wie es von innen aussieht."

„Dann komm mal mit." Langsam beruhigte sich Bennos Puls wieder. Der Streit rund um die träumenden Wälder hatte sein Blut zum Kochen gebracht.

Er verband so viel mit diesem grünen Gebiet, dass seine Gefühle über ihm einschlugen, sobald jemand die merkwürdigen Ereignisse ansprach, die sein Zuhause zu einem kriminellen Schauplatz machten.

Doch nun hatte sich Suzanne zum Glück für einen Hotelrundgang entschieden, den er ihr nicht vorenthalten wollte.

Er deutete auf das Gebäude hinter sich. „Hier siehst du das Wohnhaus, in dem ich mit meinen Eltern und meiner Schwester wohne. Das ist nicht wirklich spektakulär."

Die Geheimnisse der träumenden Wälder (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt