Wenige Stunden später war die Aufregung vorbei. Sobald die Polizei eingetroffen war, hatte Jim die Freunde der Reihe nach nach Hause gebracht. Nun stand er mit Jasper in der Küche und die beiden suchten sich ein Abendessen zusammen.
Jasper war nicht hungrig. Der Blutgeruch, der sich zuvor im Wald wie ein Lauffeuer ausgebreitet hatte, lag ihm noch immer in der Nase.
Auch wenn er nicht wirklich nah zu Hans Verhaags Leiche getreten war, hatte er unschöne Bilder im Kopf. Viele davon brachten ihn zu Malea zurück, die sie vor ein paar Wochen in einer ähnlichen Position gefunden hatten.
„Worüber denkst du nach, mein Sohn?", fragte Jim und trank einen Schluck Wasser. Er hatte sich gar nicht die Mühe gemacht, nach einem Glas zu suchen. Die Glasflasche klirrte, als er versuchte, sie seicht auf den Tisch abzustellen.
Auch bei ihm saß der Schock tief. Nur weil man Polizist war, fand man nicht jeden Tag eine Leiche. Noch dazu ging Jim der Fall sehr nahe, immerhin waren sowohl er als auch sein Sohn involviert.
Außerdem war Hans Verhaag vor langer Zeit einmal ein Freund von ihm gewesen.
„Es geht mir gerade alles irgendwie zu schnell, und dann doch nicht schnell genug", gestand Jasper. „Vielleicht dauert es keine drei Wochen, und wir finden schon wieder die nächste Leiche. Aber gleichzeitig muss uns das doch alles irgendwann mal zu einem Ergebnis bringen. Wer hat denn nun wirklich all diese Menschen getötet?"
Jim seufzte tief und lange. „Ich weiß es nicht. Und so wie es aussieht, wird uns Hans Verhaag nicht helfen können. Am Tatort wurde nichts Auffälliges gefunden. Das haben mir meine Kollegen gerade berichtet. Sie hoffen, dass im Labor Fingerabdrücke oder andere Spuren gesichert werden können."
Schuldbewusst dachte Jasper daran, wie sie vorhin Lilia dazu ermutigt hatten, den Tatort zu inspizieren. Anscheinend hatte sie irgendwas gefunden, denn als sie wieder auf die Freunde gestoßen war, hatte sie sich unauffällig an die Seite geklopft.
Was auch immer es war, Jasper würde es früher oder später an seinen Vater zurückgeben müssen. Sicher würde das eine Menge Ärger mit sich bringen. Immerhin hatten die Freunde ein Beweisstück geklaut.
Trotzdem hoffte er, glimpflich davonzukommen. Zur Not könnte man die Tat auf den Schock schieben, in dem sich die Jugendlichen zur Zeit der Tatortinspektion befunden hatten. Immerhin dachte Jasper jetzt schon wieder ganz anders von ihrer riskanten Aktion. Es war echt hirnlos und leichtsinnig gewesen, Beweisstücke von einem Tatort zu entwenden.
Hoffentlich war Lilias Fund die Arbeit und den Ärger wert, und es würde sie bei ihren Untersuchungen weiterbringen.
„Was macht ihr, wenn ihr wieder keine Spuren sichern könnt?", fragte Jasper und griff nach der Wasserflasche. „An Lanis und Maleas Körper habt ihr doch nichts gefunden."
„Das ist nur halb richtig. Malea war so sauber, als sei sie vorher noch einmal gewaschen worden. Aber an Lani haben wir Fingerabdrücke gefunden."
„Wirklich? Das hast du mir gar nicht erzählt." Jaspers Brust zog sich zusammen.
Jim schob seine lästige Brille nach oben, die er genau wie sein Sohn viel zu selten trug, und fuhr sich über die Augen. Er sah unglaublich müde aus. „Bis eben hatte ich auch nicht geglaubt, dass es nochmal wichtig werden würde."
„Von wem waren denn die Fingerabdrücke?"
„Hans Verhaag."
„Ah." Jasper verstand. Deshalb hatte sein Vater nichts gesagt.
„Wir dachten, damit wäre der Fall eigentlich schon bewiesen. In den Akten hatten wir ihn quasi schon für schuldig am Tod seiner Töchter erklärt."
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Die Geheimnisse der träumenden Wälder (I)
Mystery / ThrillerWas flüstern die Wälder? Bisher konnten sich die Freunde Jasper, Fria, Lilia und Benno immer aufeinander verlassen. Das alte Baumhaus, was seit ihren Kindertagen in den träumenden Wäldern steht, ist ihr Zufluchtsort. Doch eines Tages verschwindet i...