Szene ③

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Benno war sehr aufgeregt. Auch wenn die Geschehnisse der letzten Wochen noch immer in seinem Kopf herumgeisterten, freute er sich auf den heutigen Tag. Noch immer dachte er minütlich an Maleas Tod zurück, auch wenn dieser schon zwei Wochen zurücklag. Die Ablenkung würde ihm guttun.

Benno würde heute Suzanne endlich wiedersehen. Sie hatten sich die gesamten zwei Wochen nicht gesehen und langsam sehnte er sich nach ihr. Es war etwas ganz anderes, ihr nur zu schreiben und nie ihr schönes Gesicht zu sehen zu bekommen.

Nun klingelte es an der Tür und Benno rannte sofort hin. Sein Herz schlug einen Purzelbaum, als er Suzanne endlich sah. Sie stand in einem kurzen Sommerkleid im Hauseingang. Die langen, blonden Haare hatte sie zu zwei Zöpfen gebunden. Es sah unglaublich schön aus.

„Hallo", grüßte sie freundlich.

„Wie geht es dir?"

„Ganz gut, aber das sollte ich lieber dich fragen." Schuldbewusst sah Suzanne ihn durch die dicken Brillengläser an. „Geht es langsam etwas besser?"

Benno lächelte schüchtern. „Bis heute Morgen noch nicht. Aber jetzt erstaunlicherweise schon."

Sue sah ihn mit großen Augen an. „Wegen mir?" 

Er nickte. „Aber jetzt komm rein, wir haben viel vor."

„Was denn? Du wolltest mir doch nur was auf dem Klavier vorspielen."

Benno führte sie durch das alte Fachwerkhaus. Im Obergeschoss stand ein Klavier. In den kleinen Räumen waren alle Wände belegt mit Regalen, Schränken und Bildern, deshalb stand das Klavier im Flur. Normalerweise genoss er es, wenn beim Spielen seine Familie vorbeikam und zuhörte, doch Benno hätte Suzanne lieber etwas auf dem Flügel im Hotel vorgespielt. Dort war die Akustik besser.

Leider hatten seine Eltern ihn für heute vertrieben. Es war so viel los, dass sie keine Zeit für ihren Sohn hatten und es sich auch nicht leisten konnten, dass er im Hotel sein Unwesen trieb. Immerhin waren Suzanne und er beim letzten Mal komplett nass durch die Flure gelaufen und hatten damit ganz schön für Verwirrung bei den Hotelbesuchern gesorgt.

Deshalb musste das Klavier im Wohnhaus ausreichen.

„Was soll ich denn spielen?" Benno klappte den Deckel des Klavieres nach oben und fuhr über die alten Tasten. Das Instrument hatte seinen Großeltern gehört, bevor sie es ihm zu seinem vierten Geburtstag geschenkt hatten. Ein paar Tage vorher hatte Benno nämlich verkündet, dass er unbedingt mit dem Klavierspielen anfangen wollte.

Sue lachte. „Ich habe doch keine Ahnung, was du spielen kannst. Geschweige denn, wie die Stücke heißen."

„Ich dachte, du hättest dich vorbereitet", stichelte Benno.

„Ich dachte, du wolltest mich überraschen", konterte Suzanne.

„Okay, okay." Der junge Pianist hob entschuldigend beide Hände. „Ich werde dir etwas von Mozart vorspielen, was eher unbekannt, aber sehr schön ist und dann was Modernes, was du bestimmt kennst."

Sue nickte begeistert, während sie neben ihrem Freund auf einem bereitgestellten Hocker platznahm.

Das Treffen war nicht Bennos Idee gewesen, doch als Sue gefragt hatte, ob sie ihn mal spielen hören dürfte, hatte er nicht nein sagen können.

Benno hatte eigentlich keine Angst vor seinem bevorstehenden Auftritt, denn er wusste, was er konnte. Außerdem spielte er regelmäßig vor Publikum. Doch Suzannes Meinung war ihm sehr wichtig, weshalb er Stunden mit der Auswahl der Stücke verbracht hatte. Nebenbei war es eine gelungene Abwechslung seiner sonstigen Tätigkeit gewesen. In dieser Zeit hatte er sich konzentrieren müssen und deshalb nicht an Malea denken können.

Die Geheimnisse der träumenden Wälder (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt