Kapitel 39

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Mit angehaltenem Atem starrte ich auf das Handy, dass ich mit zitternden Händen umklammert hielt.

Antworte uns endlich!
Beschwor ich Caven in Gedanken.

Ein paar Sekunden, oder waren es Minuten?- passierte gar nichts, dann änderte sich das online, unterhalb von Bruderherz, wie Kate ihren Bruder eingespreicher hatte, zu zuletzt online heute 16:27.

Als ich das sah, machte sich blanke Wut in mir breit.
Beinahe hatte ich das Handy zu Boden geworfen, doch ich riss mich zusammen und drückte Kate mit zitternden Fingern ihr Handy in die Hand.

Diesmal zitterten meine Finger jedoch nicht vor Nervosität, sondern vor Wut.

Warum schrieb er uns nicht zurück?
Wie konnte er uns diese schreckliche Ungewissheit nur antun?

Am liebsten hatte ich etwas kaputt gemacht, um meinem Ärger Luft zu machen.
Dochich wusste, dass das nichts brachte und versuchte mich zu beruhigen.

Kate legte ihre rechte Hand auf meine Schulter und warf mir einen Teils besorgten, teils wütenden Blick zu.
Doch ich wusste, dass ihre Wut nicht mir, sondern Caven galt.

Kates Nähe war irgendwie tröstlich, denn wir vermissten beide die selbe Person, waren auf die selbe Person wütend und hatten Angst um die selbe Person.
Wir sassen im selben Boot.

~~~

Die kühle Herbstluft empfing uns, als wir aus dem Café traten.

Zusammen mit dem lauen Wind, verflog auch meine Wut auf Caven und Angst nahm ihren Platz ein.

Was wenn ihm etwas passiert war?

Die orangefarbenen Blätter unter meinen Schuhen raschelten bei jedem Schritt. Das Geräusch hatte etwas beruhigendes an sich.

Wir schlenderten in Richtung des Hotels und ich bemerkte, dass Kate sogar im gehen ihren Block und den Stift bei sich trug. Kein Wunder, schliesslich war es ihre einzige Chance, sich mit anderen Leuten zu verständigen.

Für Außenstehende hätte es so aussehen können, als wäre sie eine Reporterin oder etwas ähnliches.
Trotz der Angst, die sich in mir breitgemacht hatte, musste ich bei dem Gedanken grinsen.

Als wir im Hotel ankamen, gingen wir gleich zu meinem Zimmer.
Kate setzte sich neben mich auf das weiche Bett und schaltete den grossen Fernseher an.
Die junge Frau stellte es so ein, dass neben dem Nachrichtensprecher eine Frau alles auf die Gebärdensprache übersetzte.

Fasziniert beobachtete ich die schnellen Bewegungen der Übersetzerin.
Ihre Hände bemegten sich flink im zusammenspiel mit ihrer Mimik, die offenbar eine grosse Rolle spielte.

Es ging nicht lange, da schweiften meine Gedanken wieder ab und ich war ganz wo anderst.

Plötzlich erlangte der Nachrichtensprecher meine Aufmerksamkeit.
Er hatte einen Namen genannt, den ich nur zu gut kannte.

Caven Carter.

Das war Caven. Mein Caven.

"Vor zwei Tagen wurde Präsident Jumo erschossen.
Der Mörder, ein junger Mann namens Caven Carter, ging bei der öffentlichen Rede von Präsident Jumo mit einer Pistole auf ihn los.
Der Mann konnte flüchten und wird nun von der Polizei gesucht.
Sollten sie etwas über den Fall wissen, melden sie sich bitte bei..." der Rest ging im Rauschen meiner Ohren unter.

Zum dritten Mal in meinem Leben fühlte es sich an, als wurde mir der Boden unter den Füßen weggezogen.

Ich fiel. Fiel und fiel. Fiel ins nichts.

Ich fühlte und hörte nichts mehr.
Fiel einfach nur immer weiter in dieses schwarze, endlose Nichts.

Und dann, ganz plötzlich hörte es auf und ich spürte wie jemand mich fest hielt.

Ich öffnete die Augen und Blickte in Kates Tränen verschmiertes Gesicht.

Sie schluchzte laut und klammerte sich fest an mich, wie eine Ertrinkende an ihren Rettungsring.

Ich wollte etwas tröstendes sagen, doch mir fiel nichts ein.
Ausserdem hätte sie mich nicht gehört.
Desshalb umarmte ich sie einfach und strich ihr mit zitternder Hand über den Rücken.

Caven Carter, ein Mörder hallte es in meinem Kopf wieder.

Das konnte einfach nicht sein!

Der Teddyjunge mit den Schokoladenbraunen Augen und dem süssen Lächeln.
Der Langschläfer, der immer einen lustigen Spruch auf Lager hatte.
Der junge Mann, der mit mir Eis gegessen, gelacht und lange gesprochen hatte.
Der Junge, der mich durch New York geführt hatte, der über meine Überweltigung gelacht hatte.

Der Junge, den ich erst seit ein paar Tagen kannte und es sich trotzdem anfühlte, als kannten wir uns schon ewig.

Er sollte ein Mörder sein?

Auf der Suche nach meiner  Vergangenheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt