Kapitel 57

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Wir wurden von kühler Luft empfangen, als wir das Gebäude betraten.
Vor uns lag ein langer Flur, an dessen weissen Wänden Töpfe mit Grünpflanzen standen.
In Empfangsbereich war eine Theke, hinter der eine Frau in den Vierzigern stand.
Ihre Kastanienbraunen, glatten Haare waren zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebunden und sie trug eine Uniform.
Sie war dunkelblau und mit etlichen Abzeichen beschmückt.
Am schwarzen Gürtel war ein Funkgerät befestigt und daneben befand sich eine Pistole.

Ich schluckte.
Hoffentlich würde alles gut gehen.

"Guten Tag, kann ich Ihnen weiterhelfen?," fragte sie.
Als ihr Blick zu Caven schweifte, zeichnete sich erstaunen auf ihrem gebräunten Gesicht ab.
Sofort kam sie hinter der Theke hervor, wobei sie im gehen in ihr Funkgerät sprach.

Dann erreichte sie Caven und drehte ihm ohne etwas zu sagen, die Hände auf den Rücken, wo sie ihm blitzschnell Handschellen umlegte.

Das mit anzusehen war ein schreckliches Gefühl.
Ich fühlte mich wehrlos und es war, als würde ich ihn verlieren.

"Stopp!," schrie ich, "lassen sie ihn los, er hat nichts getan!"

Die Frau drehte sich mir zu, ohne die Hände um Cavens Arme zu lockern.
Auf ihrem Gesicht lag ein spöttischer Ausdruck, der mich wütend machte.

"Er und nichts getan,?" sie schnaubte, "Mädchen, dieser Mann hier ist ein Mörder."

Die Art wie sie mit mir sprach, als sei ich ein Kleinkind, das von nichts eine Ahnung hatte und sie bloss nervte, das machte mich unglaublich wütend.
Am liebsten hätte ich ihr die hochgezogene Augenbraue und der spöttische Ausdruck aus dem.Gesicht geschlagen.

Doch ich hielt mich zurück.
Zum einen weil sie eine Polizistin war, doch der eigentliche Grund war, dass ich Caven nicht noch mehr Probleme machen wollte.

Ich ballte die Hände zu Fäusten und atmete tief durch.
"Wir haben einen Beweis," stiess ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

"Ach ja?" Fragte sie verwundert doch nicht wirklich überzeugt.
"Dann zeigt mal her."

Eine kurze Stille entstand, in der Cavens bester Freund in der Gebärdensprache Kate etwas mitteilte.
Diese antwortete mit einer kurzen Geste, bevor sie einen
Schritt nach vorne trat.

Aus ihrer Hosentasche zog sie ein ledernes Portemonnaie, dass sie öffnete.
Dann nahm sie ein kleines Foto heraus und drückte es mir in die Hand, damit ich unseren Beweis für Cavens Unschuld erklären konnte.

"Das hier," ich deutete auf das Foto,  "ist ein Bild von Caven mit seiner Schwester und seinem Zwillingsbruder.
Rechts steht Caven, links, neben Kate steht sein Bruder Rick.
Auf den ersten Blick gleichen sich die beiden wie einem Ei dem anderen.
Doch wenn man genauer hinsieht, kann man erkennen, das Rick eine schiefe Nase hat. Caven nicht.
Als Rick mit sieben Jahren vom Turm auf dem Spielplatz gefallen ist, hat er sich die Nase gebrochen, sie ist schief zusammengewachsen.
Und das, kann man auch im Überwachungsvideo sehen.
Rick ist der Mörder," endete ich.

Auf diese Erzählung folgte erst einmal Stille.
Dann sprach die Polizistin an mich gewandt: "Zeig das Foto mal her."
Also reichte ich es ihr und sie sah es sich ganz genau an.
Schließlich hob sie den Blick, "Okay, dass mit der Nase stimmt schon mal. Wir müssen aber noch das Foto mit dem Überwachungsvideo vergleichen.
Meine Kollegen werden das gleich machen."

Ich nickte erleichtert. So weit so gut.
Auch die anderen, vorallem Caven, athmeten erleichtert aus.

Die Polizistin mit den dunklen Haaren sprach in ihr Funkgerät.
"Mein Kollege kommt gleich," teilte sie uns anschliessend mit.

Gleich darauf kam ein kleiner Mann den Gang entlang, auf uns zugelaufen.
Er hatte schwarze kurze Haare und war stämmig gebaut.
Sein Gesicht wurde von einem harten Ausdruck gezeichnet, was ihn irgendwie ein bisschen angsteinflösend machte.

Kaum erreichte er uns, nahm er mir das Foto aus der Hand und beäugte es.

"Ich schaue mir das gleich an," sagte er dann mit tiefer Stimme,
"solange könnt ihr im Warteraum warten."
Er deutete auf die zweite Tür rechts im Flur.
"Und du," finster sah er zu Caven, "gehst in der Zwischenzeit in einen gesicherten Raum."

Als hätte die Polizistin auf dieses Stichwort gewartet, packte sie Cavens Arm und führte ihn den Flur entlang, weiter nach hinten.
Schief lächelnd warf er einen Blick zu uns, als wolle er uns beruhigen.
Doch die Nervosität war ihm anzusehen, so sehr er sie auch zu verstecken versuchte.
Er hatte Angst.

Ich schluckte den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, hinunter und wiederstand dem Bedürfnis, ihm hinterher zu laufen.

Alles würde gut kommen.
Hoffentlich.

Auf der Suche nach meiner  Vergangenheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt