Kapitel 6

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Liebe Ruby,
Wir sind bei July.
Kommen erst spät zurück.
Im Kühlschrank stehen Reste vom Mittagessen, du kannst sie dir aufwärmen.
Bis bald, Bill & Jane

Diese kurze Nachricht las ich auf einem Zettel, der am Kühlschrank hing.

Ich wärmte mir die Mittagsresten auf und fühlte mich anschliessend beim Essen, ohne meine Adoptiveltern, ziemlich einsam.
Der Schock von vorhin steckte mir noch immer in den Knochen und das kindliche Gefühl, in den Armen der Eltern Schutz zu suchen, übermannte mich.

Um mich abzulenken, hörte ich laute Musik.

Nach dem Essen schaute ich mir alle Teile der Hotel Transsilvanien-Filme an.
Denn genau das brauchte ich jetzt; etwas Lustiges.
Auch wenn diese Animationsfilme eher für Kinder gemacht waren, liebte ich sie und kriegte mich an manchen Stellen vor Lachen kaum wieder ein.
Doch heute konnte ich mich nicht wirklich auf die Filme konzentrieren und kehrte in Gedanken immer wieder zum heutigen Erlebnis zurück.

Es war halb Zwölf, als ich müde und erschöpft zu Bett ging.
Kaum hatte ich mich hingelegt, schlief ich ein.

Ich sass im Auto. Emm fuhr. Nein, sie raste. Alles passierte in Zeitlupe.
Qualvoll, ohne etwas tun zu können, musste ich mitansehen, wie wir von der Strasse abkamen und auf einen Baum zusteuerten.
Emm bemerkte nichts von all dem. Sie redete wie ein Wasserfall.
Doch ich hörte sie nicht.
Da war nur dieser grosse Baum, der immer näher kam.
Dann ging alles ganz schnell; wir rasten auf den Baum zu, wurden immer schneller und schneller.
Dann gab es einen lauten Knall, als wir mitten in den Baum reinfuhren.
Ein markerschütternder Schrei durchschnitt die Luft.

Ich schreckte hoch.
Erst da realisierte ich, dass das ganze nur ein Albtraum gewesen war.
Der Schrei, der aus meiner Kehle kam, erstickte.
Mein Pyjama klebte wie eine zweite Haut an mir.

Ich wusste, dass ich so nicht weiterschlafen konnte.
Deshalb ging ich zum Kleiderschrank, tauschte den verschwitzten Schlafanzug gegen einen Neuen und öffnete das Fenster. Kühle Luft strömte mir entgegen und pustete die letzten Fragmente des Traumes aus meinem Kopf.

Auf der Suche nach meiner  Vergangenheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt