Evan
In dem Moment, als sie den Laden betrat, da sah sie mich. Ein moosgrünes Augenpaar war auf mich geheftet. Panik, Schock, Überraschung war in diesen zu sehen. Rose schluckte schwer. Sie blieb mitten im Eingang stehen. Leute schüttelten genervt den Kopf über sie, rempelten sie leicht mit vollen Einkaufstüten an, doch sie stand einfach starr da. Als wäre sie eine feine, filigrane Statue, die jemand ungünstig platziert hätte.
Da sie keine Anstalten machte sich zu bewegen, machte ich mich auf den Weg zu ihr. Die Luft wurde immer dünner, je näher ich ihr kam. Die Raumtemperatur erhöhte sich Meter für Meter. Die explosive Spannung zwischen baute sich immer weiter auf, je mehr Schritte ich hinter mich brachte.
,,Hallo Rose." Meine Stimme war hochgestochen, kalt, schneidend. Sie durchschnitt kühl die eh schon wenige Luft zwischen uns in noch kleinere Teile. Meine Stimme klang nicht nach meiner normalem Stimme. Sie klang wie die Stimme eines Fremden. Die Stimme eines Fremden in einer wildfremden Stadt, die mir so suspekt, so unbekannt war. Sie öffnete einen kleinen Spalt weit ihre vollen Lippen, ehe sie diese wieder schloss. Ihr blieb das Wort einfach im Hals stecken.
Mit zitternden Fingern holte ich das zerknitterte Ultraschallbild aus meiner Lederjacke hervor. Ich hielt es ihr hin. Sie wurde leichenblass. Schluckte noch einmal. Diesmal noch schwerer als zuvor. Ihre Beine, die in einem Schottenrock steckten, zitterten. ,,Ich weiß davon. Von deiner Schwangerschaft..." ,,I...Ich..." Sie sah stotternd zu mir auf. Unsere Blicke schnitten sich.
Ich sah in ihren Augen Angst vor Ablehnung. Angst allein gelassen zu werden. Angst alleine dazustehen. Angst vor der Verantwortung. In meinen Augen sah sie bloßes Unverständnis. Ich verstand nicht, warum sie das alleine durchziehen wollte. Ich verstand nicht, warum sie bloß so stur war. Ich verstand nicht, warum sie mich ahnungslos zurückgelassen hat.
,,Warum wolltest du mich im Dunkeln lassen?" ,,Ich...Ich..." Rose stammelte etwas Unverständliches vor sich hin. Irgendwas mit Baby und Alleine. ,,Wir müssen reden Rose. Ich weiß, was Cassy dir gezeigt hat. Lass mich dir meine Version erzählen. Und dann erzählst du mir von dem da." Ich tippte mit dem Zeigefinger leicht auf ihre Bauchdecke. Scheiße, der war ja jetzt schon leicht ausgebeult... ,,In Ordnung. Wir gehen zu mir."
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Meine Schritte hallten in der riesigen Wohnung wieder. Niemals wohnte Rose hier alleine. Das könnte sie sich niemals leisten. Ich spiegelte mich in dem blitzblanken, weißen Mamorboden. ,,Kaffee? Was zu Trinken?" Rose war das reinste Nervenbündel. Sie war nervös. Aufgeregt. Sie hibbelte hin und her. ,,Einen Kaffee. Ich bin noch müde vom Jetleg." Sie lächelte schwach. Ich folgte ihr in die große, weiße, Hochglanz Küche mit der großen Kochinsel.
Ich ließ mich auf einen der Barhocker fallen, die um die Insel standen. Rose bediente blass die Maschine für meinen Kaffee. ,,Milch. Aber das weißt du ja..." Sie nickte nur.
Wir saßen uns gegenüber. Unangenehme Stille erfüllte den großen Raum. Regen prasselte gegen die Scheiben. Das Einzige, was noch zu hören war, war unsere gleichmäßige Atmung. Ich wollte etwas sagen. Ich wollte die Stille unterbrechen. Doch ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie man ein solches Gespräch anfängt.
,,Was willst du von mir hören Evan? Ich hab versucht das so diskret wie möglich zu behandeln. Doch ich... Du hast das Bild gefunden, das ich fallen gelassen habe..." Sie seufzte auf. Kickte ihre High Heels durch den halben Raum und zog die Knie zur Brust. Sie fuhr nachdenklich den Rand ihrer Tasse, die mit Tee gefüllt war, nach. ,,Ich will einfach nur wissen, warum du mir nichts gesagt hast. Du musstest doch die Anzeichen bemerkt haben. Dass deine Periode ausbleibt, dass dir schlecht ist?" Fuck, ich wollte nicht so vorwurfsvoll klingen. Doch leider tat ich es. Und zwar verdammt stark. Rose fuhr sich seufzend durch die Haare. ,,Natürlich habe ich es bemerkt. Ich wollte dich nie verletzen Evan. Aber ich dachte, dass es für uns alle besser wäre, wenn wir keine Familie gründen würden. Zumindest nicht als Paar." Hä? Ich verstehe das einfach nicht... Und ich glaube, das bemerkte sie auch an meinem Blick. Rose seufzte kläglich auf und rückte mit dem Stuhl näher an mich. Sie nahm meine Hände in ihre. ,,Evan, ich weiß nicht, ob dir klar ist, was das bedeutet, dass ich schwanger bin."
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Faithful secrets
Teen FictionBand 3 Rose flüchtete nach London. Nachdem, was Evan ihr angetan hatte, musste sie weg von Amerika. Weg von ihm. Für sie stand fest, dass sie das Baby in ihrem Bauch, alleine großziehen würde. Denn sie wollte nie wieder etwas von Evan McBrowne hören...