Chapter 15 - Anonyme Alkoholiker

44 6 0
                                    

Evan

Ich atmete tief durch. Ehe ich meine Stimme voller Scham erhob. ,,Mein Name ist Evan und ich bin..." Nein, das kann ich einfach nicht sagen. Nein, das geht nicht! ,,Sie müssen es sagen. Es war uns allen unangenehm junger Mann", versicherte mir ein älterer Herr. Der hat gut reden! Der passt auch viel besser in die Vorstellung eines Alkholikers, als ein 22 jähriger Mann mit Millionen von Followern. Aber ich muss das machen. Wenn ich heute Abend eine Belohnung will. Und die will ich sehr.

Also gut. Ich schaffe das. Mit dem Kopf durch die Wand. Mach ich doch sonst bei allen anderen Sachen auch. ,,Okay... Mein Name ist Evan und ich bin... Alkoholiker..." Fuck, war das peinlich... ,,Gut, das war gut Evan. Das haben Sie gut gemacht", meinte der Leiter der Gruppe aufmunternd. ,,Erzählen Sie uns doch bitte noch, wie sie zum Alkohol gekommen sind." ,,Okay..." Nervös rieb ich meine schwitzigen Hände aneinander.

,,Ich habe zum ersten Mal Alkohol mit so etwa 13 oder 14 probiert. Früher war das kein großes Thema. Ich hab bis ich so 18 war ab und zu mal ein Bier oder so getrunken, ganz normal. Aber nach der Trennung von meiner Freundin rutschte ich ganz ab. Ich hab einige...traumatische Erlebnisse in meiner Kindheit gehabt. Die kamen alle wieder abprubt hoch und als ich dann über meine normale Grenze geschritten bin, da hab ich bemerkt, dass mich der Alkohol den Schmerz vergessen lässt. Also hab ich regelmäßiger Alkohol getrunken, bis ich irgendwann nicht einmal ohne aus dem Bett kam. Anfangs wollte ich hier gar nicht her, meine Freundin hat mich hierher geschleppt, aber vielleicht hilft es mir ja...." ,,Danke sehr Evan, das war sehr gut." Die anderen Teilnehmer klatschten aufrichtig. Bruh... Alles klar...

,,Evan! Warten Sie kurz." Ich drehte mich um. Die letzte Kursteilnehmerin Clarissa verabschiedete sich mit einem Lächeln und ließ mich und den Leiter Michael allein. ,,Ich fand das für das erste Mal richtig gut. Es gehört viel Mut dazu seine Sucht vor anderen zuzugeben und dann noch von solchen traumatischen Erlebnissen zu erzählen. Ich bin stolz auf Sie. Ich hoffe, Sie geben uns eine Chance. Und vor allem sich selbst." Er blickte auf meine Handgelenke. Das vernarbte Gewebe war durch den Lufteinfall von der Seite, trotz der darüberliegenden Tattoos zu sehen. ,,Ja... Ich komme auf jeden Fall wieder, entschuldigen Sie, aber ich muss los. Ich hab versprochen zu kochen." ,,Kein Problem! Schönen Abend noch und guten Appetit!", lachte der Mann im besten Alter und winkte mir zu. Hmm, der schien ganz sympathisch.

,,Und wie war's?" Ich windete mich grinsend, als sie ihre Arme von hinten um mich schlang und meinen Hals sanft küsste. Sie knabberte amüsiert an der dünnen Haut. ,,Ganz okay... Wie geht's dir?" Ich schob Rose von mir. Sie gesellte sich neben mich. Nahm einen Löffel aus der Schublade und probierte die Füllung für die vegetarischen Tortellinis. ,,Es geht. Ich hatte heute einige Krämpfe. Das war...aua. Aber es geht inzwischen wieder..." Sie drehte nachdenklich den kleinen Diamanten an ihrer Kette. Ein Diamant, den ich in einem Ring eingelassen, trug. Ein Diamant, mit einer ganz besonderen Bedeutung. Er besteht aus der Asche unseres kleinen Engels.

Zea wurde vor einem Monat beerdigt. Es gibt eine Firma in der Schweiz, die aus der Asche Verstorbener Diamanten herstellt. Rose und ich fanden beide die Idee auf Anhieb toll. So haben wir sie immer bei uns. Egal, was passiert, oder wo wir hingehen.

Im letzten Monat ist viel passiert. Nicht nur, dass 2021 ist und Corona wieder an die Tür klopft, sondern auch in der Hinsicht als Paar. Rose und ich haben uns zusammengerauft. Wir brauchen einander, als sonst wer auf der Welt. Wir haben uns zwar bis jetzt nur auf Küssen geeinigt, aber dieser Vertrag läuft nach dem ersten Monat Beziehung aus. Was zufälliger Weise genau heute ist... Rose ist nicht nur krankgeschrieben, nein, die nächste Zeit hat sie auch wieder Online Vorlesungen und Homeoffice. Das bedeutet, da ich auch wieder alles online habe, ja selbst meinen Abschluss muss ich online machen, dass wir wieder viel mehr Zeit miteinander verbringen. Und das ist echt schön. Es beruhigt mich. Mich und meine Dämonen, jemanden bei sich zu haben, der sie genau kennt und inzwischen genau weiß, wie er, wann zu reagieren hat.

Faithful secrets Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt