Chapter 11 - Schmerzlicher Abschied

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Evan

Die Geräte piepsten ständig. Das Pochen wurde immer langsamer. Ich ließ Rose's Hand nicht los. Genauso wenig hörte ich auf ihren runden Bauch zu streicheln. So sollte sie sich nicht alleine fühlen. Sie sollte spüren, dass sie nicht alleine war und dass sie keine Angst haben zu brauchte. Vor dem schmerzlichen Abschied. Rose's klägliches, leises, aber auch quälendes Schluchzen fügte sich passend in die Szenerie ein. Ich schloss die Augen, Tränen bahnten sich unerhörtlich den Weg über meine Wangen, als das letzte Pochen zu hören war. Bevor Totenstille in dem sterilen, hellen Raum herrschte. Bevor Rose zusammenbrach. Bevor unser Kind verstarb.

15 Stunden davor

,,Ich hab dir Sachen mitgebracht." Ich hob die Sporttasche in die Höhe. Rose hob den Kopf. Sie lag in dem Krankenhausbett auf der Seite. Sie war gekrümmt. Sie schien starke Schmerzen zu haben. Großer Gott... ,,Dankeschön Evan. Ich...au...", stöhnte sie leise, als sie sich auf den Rücken drehen wollte. ,,Bleib liegen mein Engelchen. Bleib ruhig liegen."

Ihr fragt euch, was danach geschehen ist? Nach dem nervenaufreibenden Frauenarztbesuch? Ganz einfach. Rose erhielt eine Überweisung ins Krankenhaus. Nur indem ich sie mit Händen und Füßen da rein gezwungen habe, betrat sie das Krankenhaus. Sie hatte Schmerzen, doch wollte zum Verrecken nicht in dieses. Aus Angst, die hohen Rechnungen nicht zahlen zu können. Das muss man sich mal vorstellen! Rose wäre nicht ins Krankenhaus gegangen! Einfach nur, weil sie es sich nicht leisten kann. Doch als sie irgendwann, mitten im Eingang angeschrien habe, dabei ist mir erstmal mein Kaugummi aus dem Mund in die Maske gefallen, war nicht gerade geil, da knickte sie dann doch ein. Jetzt übernehme ich die Rechnungen. Es ist mir scheißegal, wie teuer die Behandlung sein wird. Hauptsache Zea und ihrer Mama geht es gut. Und keine von beiden geht mir Flöten. Ich brauche meine zwei Mädels noch.

,,Woher kommst du? Warum trägst du einen Anzug?" Sie zupfte gähnend an meinem dunkelblauen Jacket. ,,Ich war in meiner Firma Schätzelein." Ich öffnete den kleinen Schrank und begann die Klamotten, die als wichtig empfunden habe, einzuräumen. Darunter ein paar Slips, dicke Wollsocken für Rose's Eisblöcke von Füßen und jede Menge an Jogginghosen und weiten Pullis. ,,Eine eigene Firma mit fast 22 Jahren... Das hätte ich auch mal gerne", lachte Rose und streckte sich dabei. Ihr Rücken knackte unschön. Ich lachte trocken auf. Das war wohl hoffentlich ein Scherz. ,,Du kannst meine Firma gerne haben mein Engelchen. Ich will sie nämlich nicht." ,,Du bist dämlich." ,,Hast du jetzt dämlich nur gesagt, weil es sich auf nämlich reimt?", lachte ich. Rose zwinkerte mir verschwörerisch zu. ,,Meine kleine Dichterin, dürstet es Euch nach einer Karave voll Wasser?", fragte ich hochgestochen. Ich streckte den Rücken durch, verschränkte eine Hand hinter meinem Rücken und sprach ähnlich wie Alfred, Batmans Butler, in The Dark Knight. Rose kicherte auf. Sie warf mich mit einem Handtuch ab, dass auf ihrem Kopfkissen lag. ,,Du bist so ein Idiot. Und ja, beweg deinen Arsch, ich hab tatsächlich Durst." ,,Natürlich meine Dichterin, kommt sofort." Ich stolzierte übertrieben zur Tür. Das Einzige, was ich wollte war, die Anspannung etwas zu lösen. Sie einfach mal lachen zu hören. An einem solch schweren Tag. ,,Kleiner Tipp Evan, nimm mal den Stock aus dem Arsch, ich weiß, du stehst da drauf, aber heute ist kein guter Zeitpunkt dafür", gaggerte sie leise. Dieses Mädchen...

,,Evan?" ,,Ja?" Ich hustete erstmal laut in die Leitung. Audrey. Die Audrey rief mich an. Rose's allerbeste Freundin und zufälliger Weise auch die Verlobte meines besten Freundes. ,,Wo bist du?" ,,Bei Rose? Frühstücken, was denn sonst?", fragte ich kauend. Na sag mal, ich kann auch nicht die ganze Zeit im Krankenhaus wie ein Presser rumhocken. Ich bin zwar so lang da, wie es nur geht, aber ich und Rose müssen mal beide schlafen. Apropos Rose... Die war jetzt schon seit fünf langen Tagen im Krankenhaus. Zea's klitzekleines Herzchen schlägt immer noch so beunruhigend. Weswegen sie sogar schon am Überlegen sind, sie früher zu holen. Wir alle stehen unter Strom. Wir alle funktionieren nur noch. In den letzten Tagen. Immer mit dem giftigen Hintergedanken, dass sie es vielleicht doch nicht schafft. Dass ihr Herzchen einfach aufhört zu schlagen. Bis jetzt habe ich es vor Rose noch nicht ausgesprochen, doch inzwischen bin ich derjenige, der an eine Fehlgeburt glaubt. Nicht mehr sie. Aber diesen schrecklichen Verdacht vor meinem Lieblingsmenschen auszusprechen... Das würde ihr den letzten Rest geben. Rose ist eh schon seit der Vergewaltigung, die jetzt fast genau ein Jahr her ist, psychisch angeknackst. Das würde ihr echt den mentalen Todesstoß geben.

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