Chapter 26 - Ich will noch nicht sterben

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Rose

,,Miss Peterson es tut mir leid Ihnen sagen zu müssen, dass wir ein Geschwür an Ihrer Leiste gefunden haben. Es deutet auf einen bösartigen Tumor hin. Es könnte sein, dass sich dieser bereits die Geschlechtsorgane angegriffen hat, wir müssen Tests machen, ob diese möglicher Weise entfernt werden müssen..."

Ich bin noch nicht bereit zu sterben. Nicht jetzt. Nicht jetzt, wo das erste Mal seit Langem alles etwas runder läuft. Ich sackte in mich zusammen. Zog die Knie unpassend an meine Brust. Umarmte mich selbst. Meine Welt fiel in wenigen Stunden ins sich zusammen, wie Kartenhaus, welches man kraftvoll angepustet hat. Ich hab noch nie richtig Party gemacht, ich habe noch nicht die Welt gesehen, nichts. Ich hab noch nichts in meinem Leben getan... Ich will noch nicht sterben, ich will es einfach nicht... Fuck... Werden meine Haare dann ausfallen?! Was wird aus meiner Familie?! Wer zahlt für Logan? Scheiße, wie wird Evan damit umgehen?! Wer übernimmt Cookie, wenn ich dann tot bin?! ,,Rose?"

Ich zuckte zusammen, als Evan mich vorsichtig anstupste. ,,Huh?" Ich blickte zwischen ihm und der Ärztin hin und her. ,,Sie hat dich eben gefragt, ob du die HPV Impfung hast." ,,Weiß nicht...War das vielleicht so eine, wo man zweimal zum Arzt musste?" Die Ärztin nickte einfühlsam. ,,Ja, Miss Peterson. Das war die HPV Impfung. Wenn Sie die haben, dann ist das schonmal sehr gut." ,,Warum? Vor was schützt die Impfung?", fragte Evan. Seine Stimme war gebrochen. Und dennoch war er für mich stark. Und nicht so wie sonst, ich für ihn. Die Ärztin wandte sich an ihn. Faltete die Hände ineinander. ,,Die HPV Impfung schützt vor Gebärmutterhalskrebs. Die Chance, dass Eileiter und Gebärmutter davon betroffen sind, wird dadurch schonmal reduziert. Immerhin wollen Sie zwei bestimmt noch Kinder, oder?" Ich konnte nicht verhindern, dass meine Unterlippe schwächlich zitterte. Ich konnte nicht verhindern, dass sich mir der Magen umdrehte. Ich konnte nicht verhindern, dass ich mein Leben an mir vorbeiziehen sah. Mir entkam ein leises Schluchzen, vergrub verzweifelt mein Gesicht in meinen Händen. Ich kann nicht beschreiben, wie man sich fühlt, wenn man eine solche Nachricht bekommt. Es ist schrecklich. Man fühlt sich, als würde man ertrinken. Ertrinken im Tod.

,,Rose, es..." Ich hob die Hand. Brachte Evan damit zum Schweigen. Wir traten nach draußen. Und zum ersten Mal genoss ich wirklich und wahrlich die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Der kühlen Vorsommerwind auf meiner Haut und das gesprächige Zwitschern der Amseln und Spatzen in den sattgrünen Baumkronen. Ich schloss die Augen. Sog tief die angenehme, saubere Luft des Klinikparks ein. Ich nahm seine Hand. Die Hand, die mich schon oft gerettet hat, aber auch ich sie. Ich genoss den Moment einfach. So, als wäre es mein letzter Tag. Denn das ist es, was ich nun erlebe. Ich werde ab sofort jeden Tag wie meinen Letzten leben. Ich lief los. Mit ihm an meiner Hand. Ich genoss die beruhigende Atmosphäre. Ich genoss seine Anwesenheit in meinem wahrscheinlich sehr kurzem Leben.

,,Rose, bleib bitte stehen. Nur für einen Moment, okay?" Evan hielt mich fest. Ich schlug die Augen auf. Er hatte einen verletzten, müden Blick in den Augen. Er nahm meine beiden Hände. ,,Rose, ich will dir jetzt mal was sagen... Ich dachte immer, ich wäre derjenige, der als Erster sterben würde. Ich habe mir nie Gedanken über den Fall gemacht, falls du krank werden würdest. Und jetzt? Jetzt stehen wir hier. Ich...ich habe keine Ahnung, wie weit ich mit dir gehen kann, ehe ich vor Trauer wahnsinnig werde. Aber ich versuche es. Soweit wie es mir möglich ist. Aber sei dir eins sicher Rose, ich liebe dich. Egal, wie du aussiehst, egal wie es dir geht oder wo du bist...." Er biss sich auf die Lippen. Blinzelte Tränen weg. ,,Aber ich weiß dennoch, dass wir uns nicht auf den Fall vorbereiten müssen. Denn du schaffst das. Diesen kleinen Krebs kriegst du locker weggesteckt. Haben wir uns verstanden?" ,,Ja..." Er zog mich in eine sanfte Umarmung. Er berührte mich, als wäre ich aus Porzellan. Als würde ich ihm jederzeit aus der Hand fallen können und auf dem Boden zerbersten. ,,Evan ich bin noch ich. Du kannst mich schon fest umarmen." ,,Aber vielleicht will ich das auch gar nicht... Ich werde jetzt unseren Urlaub absagen und deine restlichen Sachen bei David abholen. Soll ich es ihm sagen?" ,,Nein, ich will es selbst tun. Okay?" ,,Okay mein Engelchen. Kopf hoch, wir schaffen das zusammen." Hoffentlich... Irgendwie...

,,Und dir geht es hier gut, oder....?" David sah sich skeptisch in dem Besuchszimmer um. Ich nickte gähnend. ,,Ja, das tue ich tatsächlich. Hier wird mein Körper mit Medikamenten auf die Chemo und die bevorstehende OP vorbereitet." Ich spielte mit den Bändeln meines Hoodies. ,,Du bist mir arg sauer oder...?" David schüttelte den Kopf. Blickte nachdenklich aus Fenster. Er stieß einen leisen Seufzer aus. ,,Ich glaube, tief im Inneren habe ich immer gewusst, dass man euch zwei nicht auseinander bekommt. Du liebst ihn. Und er dich. Ich werde schon irgendwann jemand Richtigen finden..."

Faithful secrets Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt