Chapter 21 - Bester Freund

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Evan

Ich drückte fest ihre kalte Hand. Führte sie zu meinem Mund. Ich drückte einen Kuss auf diese. Fuck, wenn sie stirbt, dann gibt es keinen Sinn mehr in meinem Leben. Wenn sie stirbt, sterbe auch ich. Ich strich durch ihre weichen, brauen Haare, lehnte mich vor und küsste verzweifelt ihre Stirn. Ich will mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn der Mann hinter dem anderen Steuer, in den sie gefahren war, nicht sofort ausgestiegen wäre. Wenn er einfach weitergefahren wäre. Dann würde sie noch immer im nassen, kalten Wald liegen. Und das als Leiche. ,,Mein Engelchen, du musst aufwachen. Niemand ist dir sauer. Ich mache dir keine Vorwürfe, weil ich selbst manchmal ein Sturrkopf bin." Ach was soll das? Hören tut die mich eh wahrscheinlich nicht. Da kann ich lieber mal ihre restlichen Sachen auspacken, die David eben gebracht hat.

Ich sah die rote Unterwäsche amüsiert an. Diese Unterwäsche.  Die hatte sie an, als wir das letzte Mal miteinander geschlafen hatten. David war wirklich durch den Wind. Er hatte einfach alles eingepackt, was er gesehen hat. Ich legte das Set wieder zusammen und setzte es zurück in die Sporttasche. Ich und höchst wahrscheinlich David auch, will nicht, dass sie sowas im Krankenhaus trägt. Da sind mir ihre normalen Slips, die mehr bedecken viel lieber. Ein raues Husten. Huh? Ich schreckte auf. Hatte ich mir das eben eingebildet? Das hat wie ein Mann geklungen. Vielleicht ihr Onkel? Ich schnellte herum. Doch statt Cal sah ich Rose. Rose, die mich mit verwirrten Glubschaugen anstarrte.

In wenigen, großen Schritten war ich bei ihr. Sie war ganz blau. Überall. Auch im Gesicht. Das sah echt schlimm aus. Als hätte sie jemand verprügelt. Ich setzte mich neben sie, auf das Krankenbett. ,,Bin ich im Krankenhaus?", fragte sie ungläubig. Ich nickte bloß. Ich bekam keinen Ton aus meiner Kehle. Es war, als hätte mir jemand die Stimmbänder entnommen. ,,Bin ich dann nicht tot?" Sie bekam von mir ein ausdrucksloses Kopfschütteln.  ,,Evan, es tut...." ,,Nein, es tut mir leid. Ich hätte nie aufkreuzen dürfen, nicht mit ihm. Dein Bruder befindet sich wieder in seiner betreuten Wohngruppe. Ich habe nicht gewusst, dass er jemanden schwer verletzt hat. Es tut mir leid. Wirklich. Ich hätte nie so über dich richten dürfen, ohne überhaupt die Hintergrundgeschichte zu kennen." Heiße Tränen bahnten sich ihren Weg in meine Augen. Und ich ließ ihnen freien Lauf. Nicht vorstellen, wie die Welt ohne sie aussehen würde.

Rose nahm mein Gesicht in die Hände. Sie zog mich zu sich. Drückte dankend ihre Lippen auf meinen Mund, ehe ich mich neben sie legte. Sie lag erschöpft an meiner Brust. Die Haare fielen in ihr hübsches Gesicht, weswegen ich ihr diese wegstrich. Jede Strähne einzeln. ,,Ich hatte Angst um dich mein Engelchen." ,,Verrate mir, wer hat diesen Kosename früher benutzt? Sag es mir endlich. Bitte." Sie schlang die Arme um meinen Bauch. Ich denke, das ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um es ihr zu verraten. ,,Die Mutter von Archie. Elli hat mich immer mein Engelchen genannt. Sie hat mich immer geliebt, obwohl ich nicht ihr leibliches Kind war. Auch noch in dem Moment, als ihre Leiche vor meinen Augen in einen Müllsack gestopft wurde und in die Rechtsmedizin gebracht wurde." ,,Was?" Rose sah hoch. Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben. ,,Ja. Ich habe es dir nie gesagt. Ich wollte es nie. Ich habe mich nie getraut. Ich war damals bei dem Autounfall dabei. Ich war der Einzige, der überlebt hat. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum mein Kopf so gefickt ist. Ich weiß es nicht. Und soll ich dir mal von meiner größten Angst erzählen?" Warum habe ich auf einmal einen so großen Rededrang? Aber es tut auf jeden Fall mal gut darüber zu reden.

,,Ich habe Angst mit dem Gesicht an einer Wand zu stehen." ,,Huh? Warum denn das?" ,,Weil mein Dad mich immer dazu gezwungen hat mich so hinzustellen. Halbnackt. Nur mit einer Unterhose bekleidet." ,,Hat er dich da ge....?", fragte sie fassungslos. ,,Ja, mein Engelchen, das hat er. Jede meiner Narben erzählt eine eigene Geschichte. Deswegen mag ich es auch nicht unbedingt, wenn man seine Nägel in meinen Rücken krallt", lachte ich und zeigte auf ihre kurzen Nägel. Ein paar Mal hatte sie es ja schon bei mir getan. Beim Sex. ,,Aber ich verzeihe dir natürlich. Mein Rücken ist einfach eine heikle Stelle. Das war er schon immer und wird es auch immer sein."

Faithful secrets Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt