~ Montag 20.03.2017 ~
Mittlerweile waren ein, ein halb Wochen vergangen und es war absolut nichts passiert. Nichtmal die graue Krähe hatte sich blicken lassen. Dieses ganze hin und her wunderte mich aber auch nicht mehr sonderlich. Ich saß im Unterricht und schaute aus einem der großen Fenster. Da traute ich meinen Augen nicht. Die schwarze Krähe! Sie saß vor einem der Fenster, aber außer mir, schien ihr niemand wirkliche Beachtung zu schenken. Ich spürte ihren Blick. Er wusste, das ich ihn gesehen hatte, da sich unsere Augen kurz getroffen hatten. Ich musste etwas lächeln, schaute dann aber demonstrativ von ihm weg. Als mein Unterricht endete, verließ ich meine Schule und lief in den Wald hinein. Ich warf meinen Rucksack in unseren Garten, schmiss meine Jacke hinterher und erhob mich in die Lüfte. Da ich wusste, das er mir folgen würde, machte ich mich auf den Weg zu dem Hügel, bei dem ich gestern gewesen war.
Ich konnte ihn bereits einige Meter unter mir erspähen. Er schaute kurz zu mir hinauf, dann zog ich mein Tempo an und es entwickelte sich eine kleine Verfolgungsjagd. Ich flog hoch und runter, nach rechts und links, versuchte mich an einem Looping, scheiterte aber kläglich. Er überholte mich, flog über mir und vollführte mit Leichtigkeit direkt zwei Loopings hintereinander. Dann platzierte er sich neben mir, sodass sich unsere Flügelspitzen fast berührten. Mittlerweile war die Sonne untergegangen und der Wind still. Wir ließen uns eine Weile von dem Wind tragen, dann sah ich im Augenwinkel, das er wieder zu mir rüber blickte. Ich erwiderte seinen Blick kurz. Dann kam er näher und streifte mit seiner rechten Flügelspitze, die Federn meines linken Flügels und drückte den Ansatz meines Flügels runter. Ich kam etwas ins schwanken, was er aber nicht sah, da er bereits in den Sinkflug gegangen war. Ich fing mich, schaute ihm kurz nach, dann folgte ich ihm. Er landete sanft, was ich ihm nachtat. Ich spürte das weiche Gras an meinem Körper und setzte mich neben ihn. Ich wandte ihm meinen Schnabel zu. Er wollte etwas sagen, doch ich unterbrach ihn.
,,Du brauchst dich nicht rechtfertigen."
Sagte ich verständnisvoll und nahm sein Lächeln wahr.
,,Danke."
Die Stille kehrte wieder ein. Keiner von uns wusste, was er sagen sollte.
,,Wie fühlst du dich?"
Brach er dann doch die Stille und überraschte mich mit dieser Frage.
,,Gut. Also denke ich..?"
,,Wann wurdest du das letzte mal gefragt wie du dich fühlst?"
,,Ich weiß es nicht... Also immer nur diese Standard Konversation, bei der jeder immer mit ‚gut' antwortet, aber ich glaube die zählen nicht. Wie fühlst du dich?"
,,Ich fühle mich hin und her gerissen."
Ich schaute ihn fragend an, woraufhin er seine Antwort weiter ausführte.
,,Ich weiß nicht wirklich was ich tun soll. Ich weiß, das dass was mir mein Kopf sagt richtig wäre, dennoch will ich auf meinen Bauch hören. Aber das verwirrt mich noch mehr, weil ich mein Leben lang immer nur auf meinen Kopf gehört habe."
Ich schaute ihn noch immer einfach nur an.
,,Du hast mir meine erste Frage noch nicht richtig beantwortet."
,,Oh, ich ähm..."
,,Wir können das Thema auch wechseln. Du brauchst nicht zu antworten."
,,Ist schon okay. Ich denke ich fühle mich seit einiger Zeit nicht mehr so einsam."
Erneute Stille trat ein, diesmal war sie aber weniger unangenehm. Wir schauten zufrieden in die Ferne und beobachteten das Treiben in der Stadt, von der mittlerweile bunt leuchtende Lichter, die Nacht erhellten.
,,Du musst mir unbedingt beibringen Loopings zu fliegen."
Er schaute mich fast schon begeistert an.
,,Es ist tatsächlich ziemlich simpel. Hast du mal unter Wasser versucht eine Rolle zu machen?"
,,Als kleines Kind bestimmt mal."
,,Unter Wasser musst du deine Arme, entgegengesetzt deiner Beinbewegung, drücken. In der Luft musst du die Flügel aber mitnehmen. Du schlägst einmal kräftig und drückst dich damit hoch, als würdest du nach oben fliegen wollen. Aber anstatt deinen Körper wieder in die Waagerechte zu bringen, formst du ein Hohlkreuz und lässt dich nach hinten fallen. Als nächstes musst du dich nur noch ausbalancieren und wieder auf dem richtigen Kurs landen. Bei den ersten Versuchen wird dir etwas schwindelig werden und deine Loopings auch ziemlich groß sein, aber irgendwann hast du den Trick raus und kannst engere Manöver fliegen. Dies kann dir im Kampf auch sehr hilfreich sein."
,,Ok, ich werde es morgen mal ausprobieren."
,,Es ist schon spät, du solltest schlafen gehen, wenn du den Unterricht morgen überleben möchtest."
Lachte er leicht. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, das ich noch mit ihm hier bleiben wollte und gerne das Risiko, morgen als Zombie die Schule zu betreten in Kauf nahm, aber natürlich war das nicht das, was ich herraus brachte.
,,Ja, stimmt."
War das was ich stattdessen raus brachte. Ich nickte noch, dann hoben wir ab. Obwohl wir nichts sagten, ließen wir uns trotzdem beim Heimweg Zeit. Die Nacht war klar und so friedlich, wie bereits am Vortag. Die Stadt überflogen, landeten wir in meinem Garten. Im Gegensatz zu ihm verwandelte ich mich zurück und griff mir meinen Rucksack und meine Jacke, die ich vorhin hier hin gepfeffert hatte. Ich drehte mich wieder zu ihm und hatte die Befürchtung, das er bereits weg war, doch er saß noch auf der Rückenlehne einer unserer Gartenstühle.
,,Haha, über den Punkt, das ich einfach abhaue, sind wir mittlerweile hinweg."
Ich musste schmunzeln.
,,Da bin ich froh."
,,Gute Nacht, Miko."
,,Gute Nacht."
Schaute ich ihm lächelnd hinterher, während er zwischen den Bäumen im Wald verschwand.
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Race Against Time
FantasyGefahren, Verlusten, Ängsten, und später auch der Liebe muss sich die noch 17 Jährige Miko stellen. Ein einfaches, normales Leben hatte sie nie zuvor geführt, führen dürfen. Doch als sie, in Gestalt einer Amsel, auf einmal von drei Krähen verfolgt w...