~ Montag 03.04.2017 ~
Es hatte mich das ganze Wochenende Kraft gekostet. Ich hatte so viel Überwindung aufbringen müssen, die ich nicht mal geglaubt hatte, überhaupt zu haben. Aber ich konnte mich nicht mehr drücken. Ich musste das gleich einfach tun. Es hätte schon vor Ewigkeiten passieren müssen...
Mittlerweile befand ich mich auf dem Heimweg. Meine Schule war ätzend, der Unterricht langweilig und meine Mitschüler gerade noch so zu ertragen. Ich war sehr froh, das ich dies bald hinter mir haben würde. Aber was kam danach? Was sollte ich nach meinem Schulabschluss im Juli machen? Es beängstigte mich, nicht zu wissen in welche Richtung meine Zukunft führen würde. Lange Zeit mir darüber den Kopf zu zerbrechen, hatte ich aber nicht mehr. Gleich war ich zu Hause.
Nachdem ich meinen Schlüssel im Schloss umgedreht hatte und die Tür aufdrückte, zog ein kalter Windhauch an mir vorbei. Anscheinend hatte meine Mum ein Fenster offen stehen, das für Durchzug sorgte.
Meine Jacke an die Garderobe gehängt, meine Schuhe in eine Ecke platziert, ging ich ins Wohnzimmer und setzte mich zu meiner Mutter auf die Couch. Sie las gerade ein Buch, welches sie nun sinken ließ, um mir ihre Beachtung zu schenken. Ich atmete einmal tief ein und aus und kam ihr zuvor, bevor sie mich wie üblich fragen konnte, wie mein Tag in der Schule war.
,,Wir müssen reden."
Kurz schaute sie mich einfach nur an. Ich sah die Überraschung in ihrer Mimik, die sich dann als Freude in ihren Augen zu spiegeln begann.
,,Oh nein, wie heißt er?"
Zog sie mich auf. Sie wusste genau, das dies nicht mein Anliegen war. Dann wurde sie wieder ernster und ihre Stimme nahm eine wärmende Stimmfarbe an.
,,Was bedrückt dich, mein Engel?"
Ich beschloss einfach gerade heraus, das zu sagen, was ich dachte. Es machte keinen Sinn davor wegzurennen oder es verheimlichen zu wollen. Wahrscheinlich wusste meine Mutter eh bereits Bescheid. Sie ahnte es bestimmt schon länger. Das es mir nicht sonderlich gut ging, konnte mir ein blinder ansehen."
,,Mir geht es nicht so gut. Ich habe Angst, Mum. Ich habe das Gefühl, das mein Leben nicht so läuft, wie es laufen könnte."
,,Wovor hast du denn Angst?"
Sie sah mich mitleidig an.
,,Ich weiß auch nicht so genau. Vor der Zukunft..? Ich meine ich weiß überhaupt nicht, wie es weitergehen wird. Ich habe Angst mich für etwas zu entscheiden, das am Ende nicht dem entspricht, was mich glücklich macht. Aber um die richtige Entscheidung zu treffen, muss ich erst mal wissen, was mich überhaupt glücklich macht."
,,Das ist völlig normal. Jeder hat diese Ängste, gerade in deinem Alter, wenn es um eine solch wichtige Entscheidung geht. Aber ich denke nicht, das dass der Grund ist, warum du dich nicht fühlst? Ich glaube das ist lediglich der Grund, den du dir am besten erklären kannst."
Ich schaute zu Boden. Sie hatte Recht. Dies ausgesprochen zu hören, holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Eigentlich gab es nur einen wirklichen Grund. Den mir einzugestehen, machte mich innerlich irgendwie fertig.
,,Ich fühle mich so einsam."
Flüsterte ich schon fast, doch meine Mum verstand.
,,Ich weiß. Ich auch."
Dann nahm sie mich, ohne Vorwarnung, in den Arm. Kurz überkam mich ein unangenehmes Gefühl, dann wurde alles ruhig. Wann hatten wir uns das letzte mal in den Arm genommen? Es war bestimmt ein paar Jahre her. Ich glaube es war auf der Beerdigung meines Vaters gewesen.
Nachdem wir uns beruhigt hatten, nahmen wir wieder unsere Plätze auf der Couch ein. Ihr Buch lag mittlerweile auf unserem Stubentisch, neben einem leeren Bonbonpapier.
,,Ich verstehe nur nicht, warum dieses Gefühl nicht verschwindet?"
,,Einige Gefühle lösen sich nicht mit der Zeit auf. Einige sind so fest verankert, das sie auch noch nach Jahren zu spüren sind. Sie kommen einem nur nicht mehr so stark vor, weil man sich an sie gewöhnt hat. Das ist wie mit Musik. Erst ist sie ganz laut und nach einer Zeit, kommt es dir gar nicht mehr so vor, weil deine Ohren sich an die Lautstärke gewöhnt haben."
,,Es ist nicht nur das. Ich habe Angst, das ich für immer alleine bleiben werde. Auch weil ich niemanden an mich ran lasse. Ich könnte es nicht mal, selbst wenn ich wollte."
,,Und da ist der Unterschied. Alleine ist jeder mal, aber einsam... Einsam kann man auch in einem Raum voll mit seinen Freunden sein. Sich zu öffnen ist schwer, vor allem je mehr schlechte Erfahrung man damit gemacht hat. Du bist noch süße 16 Jahre jung, du hast noch alles vor dir. Zerbrich dir bitte nicht den Kopf darüber, wie es irgendwann vielleicht mal sein wird. Lass alles auf dich zukommen. So hab ich es auch geschafft."
,,Und warst du glücklich?"
,,Ja. Sogar sehr. Bin ich immer noch. Ich habe nur lang genug gewartet, bis ich verstanden habe, worin mein Glück liegt. Dabei kann einem kein anderer helfen, das wirst du alleine heraus finden. Nachdem ich es gefunden hatte und ich mich schier unbesiegbar fühlte, hab ich deinen Vater kennengelernt. Außerdem wirst du niemals einsam sein, auch wenn es sich manchmal danach anfühlt. Immerhin werde ich dir bis ans Ende meiner Tage auf den Nerv gehen."
Schmunzelte sie.
,,Glaub mir, irgendwann lernst du den richtigen Menschen kennen und dann wird dir gar nicht auffallen, wie du demjenigen eins nach dem anderen anvertraust, ohne auch nur zu merken, das dass überhaupt eine persönliche Information von dir ist, die du jemand anderem vielleicht nicht erzählt hättest."
Ich schwieg und dachte kurz nach.
,,An wen denkst du?"
Erschreckte sie mich etwas.
,,Ähm, ich habe jemanden kennengelernt. Also auf dem Rückweg von der Schule. Wir haben uns ein paar mal unterhalten, er ist..."
Kurz überlegte ich.
,,... aufmerksam. Ich fühle mich nicht mehr so unbedeutend, wie sonst immer."
,,Ihm? Wie heißt er?"
,,Ich weiß es nicht..."
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Race Against Time
FantasyGefahren, Verlusten, Ängsten, und später auch der Liebe muss sich die noch 17 Jährige Miko stellen. Ein einfaches, normales Leben hatte sie nie zuvor geführt, führen dürfen. Doch als sie, in Gestalt einer Amsel, auf einmal von drei Krähen verfolgt w...