- Jess -

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"Diese graue Maus, wie du sie nennst, ist Jess und sie hat unglaubliches Talent", fuhr Miriam dazwischen und innerlich dankte ihr Jess dafür.
Robert hob skeptisch eine Augenbraue, hielt jedoch fürs Erste den Mund.
Mit einer Kopfbewegung gab Miriam Jess zu verstehen sich wie besprochen vorzustellen, was unter den Umständen des seltsamen Einstiegs nicht gerade einfach war, aber sie versuchte es für den Moment zu verdrängen.
Mit einem Räuspern legte sie die Mappe auf den großen Tisch, an dem die Gruppe Nerds saß. Dann atmete sie einmal tief ein und aus, bevor sie versuchte eine selbstsichere Stimme an den Tag zu legen.
"Es freut mich sehr euch alle kennenlernen zu dürfen. Mein Name ist Jess Hofmann, ich bin vierundzwanzig Jahre alt und komme aus Potsdam. Ich zeichne, seit etwa acht Jahren. Vorrangig im Digital Art Bereich..." Sie zog die Zeichenmappe auf und zeigte ein paar ihrer Bilder, in dem sie diese einmal herum reichte. "Aktuell bin ich auf der Suche nach einem Job, bei dem ich meine Hingabe ausleben kann. Ich erschaffe gerne vielfältige und einzigartige Charaktere und Welten. Ich hatte auch darüber nachgedacht mich im Bereich Comic Art oder Buchillustratorin weiterzubilden - ich habe viele Geschichten im Kopf die es zu erzählen gäbe. Dahingehend bin ich für vieles offen."
"Das heißt also, du möchtest deine eigenen Storys entwickeln?", fragte Robert sofort in kaltem Ton.
Jetzt erst sah Jess wieder auf und schluckte. "Nicht unbedingt. Ich würde mich dahingehend den Bedingungen anpassen."
"Würdest du das? Was ist, wenn dir das Setting unserer Games nicht gefällt?", wollte er wissen und sah sie herausfordernd an.
Verwirrt runzelte sie die Stirn. "Dann, würde vielleicht ein paar Anregungen geben, aber... letztlich würde ich mich selbstverständlich nach Ihren Wünschen richten."
Was auch immer Robert durch den Kopf ging, es blieb Jess in jenem Augenblick verborgen. Eine Weile blieb es ruhig, bis eines der Bilder seine Augen erreichten. "Was ist das?" Er deutete darauf, als handele es sich um ein verdorbenes Stück Obst.
"Das ist ein Mädchen, das an einem Tresen sitzt, an dem Ramen verkauft werden. Eine asiatische Nudelsp-"
"Ich will nicht wissen, was da zu sehen ist, sondern was für ein Stil das ist", motzte Robert.
Ein flüchtiger Blick glitt zu Miriam. Ermutigend nickte sie Jess zu, aber irgendwie lag in ihren Augen auch etwas wie Mitleid.
"Das nennt sich Pixelart", erklärte Jess so ruhig wie möglich.
Robert sah von ihr auf das Bild, schüttelte dann den Kopf und reichte es weiter.
Es war ein Desaster! Jess wünschte sich weg von hier. Die anfängliche Euphorie in Miriams Firma arbeiten zu können, war unmittelbar verflogen. Stattdessen wollte sie nur noch fliehen. Und es reichte allein der Anblick von Robert um dieses Gefühl zu bestärken.
Unangenehme fünf weitere Minuten vergingen, ehe die Bilder zurück bei Jess landeten.
"Also ich finde deine Bilder echt gut", meinte einer der Typen, die an vorderster Front saßen und lächelte zu Miriam herüber.
"Mir ebenfalls", stimmte das eine weitere Mädel mit ein und nickte zuversichtlich. "Ich denke, das könnte gut für unser Fantasy-RPG passen."
Ein zustimmendes Murmeln ging durch den Raum, doch Roberts Gesichtsausdruck blieb weiterhin hart. Jess wusste nicht, was das für sie bedeutete.
"Ich bin dafür, dass wir darüber nochmals ausführlich diskutieren. Du kannst gehen... wie war dein Name? Beth?" Robert verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
"Jess", antwortete sie bestimmt und schnappte sich ihre Zeichenmappe, nachdem sie alle Bilder einsortiert hatte.
"Ah, ja, alles klar. Verstehe mich nicht falsch, ich stimme den anderen schon zu. Du kannst gut malen." Alleine bei dem Wort malen stellten sich Jess's Nackenhaare auf. "Aber ehrlich gesagt, bin ich auf der Suche, nach etwas professionellerem. Du siehst für mich so aus, als hättest du noch viel zu lernen, deshalb... nun ja, wir melden uns." Damit schloss Robert das Gespräch und bedeutete die gesamte Gruppe, ihre Aufmerksamkeit zu ihm zu richten.
Wie bitte!? Jess wusste nicht was sie sagen sollte. Das war alles?
Verzweifelt sah sie zu Miriam herüber, die ihr das Handzeichen dafür gab sich bei ihr zu melden. Damit war dann aber auch sie mit ihr fertig.
Jess ging.

L x JWo Geschichten leben. Entdecke jetzt