- Levi -

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"Ich kann mich direkt auf dem Weg machen", sagte Jess in das Gerät hinein und sah ihn dabei weiterhin an.
Levi wusste nicht, worum es ging, aber nach ihrem Gesicht zu urteilen, musste es sich um eine gute Nachricht handeln. Das Strahlen in ihren Augen wurde größer. Sofort wandte er den Blick ab und hörte auf ihr zuzuhören.
Seit Tagen machte sich Resignation in ihm breit. Es war ein unschönes Gefühl, das er so nicht von sich kannte und auch nicht in sich tragen wollte. Ihm wäre es sogar lieber gewesen launisch zu sein, aber nicht einmal dazu reichte es momentan. Und dann war da noch diese Sache mit dem Mädchen.
Als Jess ihn gefragt hatte, ob er lieber in einer anderen Bleibe nächtigen wollte, war er fast beleidigt gewesen - auch wenn er eigentlich nicht so genau wusste warum. All das war verwirrend und erinnerte ihn immer wieder an Petra.
Petra... Von ihr hatte er letzte Nacht geträumt. Es war Monate her, seitdem er es zuletzt getan hatte. Von ihren Augen. Ihrer weichen Haut. Ihren süß schmeckenden Lippen. Ja selbst ihr vertrauter Geruch, war ihm in die Nase gestiegen. Er war damals froh gewesen, als diese Folter beendet worden war. Das sie ihn nun erneut in seinem Träumen verfolgte, machte ihm zu schaffen.
Vielleicht hatte das auch mit diesen Filmen zu tun, die er sich mit Jess angesehen hatte. Die Hüllen lagen noch vor ihm auf den Tisch. Er hatte kaum hinsehen können, als Petra von Annie getötet worden war. Auf so bestialische Art und Weise. Auch im echten Leben war sie getötet worden, aber nicht von diesem blonden Mädel, sondern von jemand anderem...
Er sah herunter auf seine Hände, die zu zittern begonnen hatten. Geduldig schlang er sie ineinander, um das Zittern zu stoppen, doch es hörte kaum auf. Erst als Jess vor ihm stand, konnte er seine dunklem Gedanken beiseite schieben.
"Levi?"
Er sah zu ihr hoch. "Ja? Was ist?"
Neuerdings wirkte sie immer so unsicher, wenn sie mit ihm sprach. "Lass uns frühstücken und danach zurück nach Berlin fahren. Ich muss etwas erledigen und zeitgleich können wir an die Stelle zurückkehren, an der ich dich gefunden habe."

Levi hatte sich die Kapuze seines Hoodies über den Kopf gezogen und sah aus dem Fenster der S-Bahn. Erstaunliches Gefährt. Wenn seine Menschheit nicht mit dem Kampf gegen die Titanen beschäftigt wäre, hätten sie sicherlich auch Zeit dafür gehabt solche Maschinen zu entwickeln.
Jess saß ihm gegenüber und tippte etwas in ihr Smartphone. Er versuchte sich langsam die ganzen Begriffe zu merken, die diese technischen Geräte bezeichneten. Er wollte schließlich nicht auf Dauer wie ein Idiot hier herumrennen.
Sie sah nervös aus. Jess hatte sich ein lockeres weißes Shirt angezogen und eine helle Jeans dazu ausgewählt. Ihre Haare waren zu einem ordentlichen Zopf gebunden und sie hatte sich sogar geschminkt. Levi verkniff sich, sie daraufhinzuweisen, dass sie es nicht nötig hatte. Sie hätte ihm wahrscheinlich eh kaum zugehört und wenn doch, hätte sie sein Kommentar nur noch mehr verunsichert.
"Klär mich auf. Was genau hast du zu erledigen?", fragte er und verschränke die Arme vor der Brust.
Überrascht blickte Jess auf und begann sich nervös am Arm zu kratzen. "Ein Job. Kurz bevor ich dich gefunden habe, hatte ich ein Bewerbungsgespräch, das nicht so gut lief. Der Anruf heute Morgen...", sie sah auf ihr Smartphone, "... war jemand, der dort bei dem Gespräch dabei war und mir mitteilte, dass sie mich nehmen wollen. Ich habe den Job." Die letzten Worte klangen so, als könne sie es selbst kaum glauben.
"Das ist doch gut. Warum bist du so nervös?"
"Ich weiß nicht..." Jess sah sich um, doch niemand schenkte ihnen Beachtung.
Er wusste, was los war. Sie hatte Angst, entdeckt zu werden. Im Gegensatz zu ihm, hatte sie sich nicht unter einer Kapuze versteckt.
"Geht's darum, dass wir hier in der Öffentlichkeit sind?"
Jess nickte verhalten und schob ihr Smartphone in die Hosentasche zurück. Mit einer Kopfbewegung gab sie ihm zu bedeuten, dass sie gleich aussteigen mussten.
Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihm breit. Erst gestern hatte sie ihm erklärt, dass es ihr vorrangig um ihn ging. Warum lag ihr soviel an ihm, dass sie ihn beschützen wollte? Sie kannte ihn doch kaum.
Die beiden erhoben sich und stellten sich vor die Tür, während die S-Bahn auf dem Bahnhof einfuhr. Levi sah sich immer wieder um, ob sie jemand beobachtete, aber nichts dergleichen traf zu. Jess machte sich vermutlich vollkommen grundlos Sorgen.
Gemeinsam liefen sie an mehreren Häuserfronten vorbei. Für Levi sah alles gleich aus. Er würde sich hier kaum orientieren können und ohne sein 3D-Mannöver-Appart war es ihm unmöglich die hohen Gebäude zu besteigen, um wenigstens von oben einen guten Blick zu bekommen. Also musste er sich ganz auf Jess verlassen. Das war okay.
Sie erreichten ein großes Haus aus Glas, das Levi staunend betrat. Hier sollte Jess arbeiten? Wow. Das Teil wäre innerhalb weniger Sekunden zu Millionen Scherben zerschlagen worden, wenn es hier Titanen gegeben hätte.
In der Eingangshalle blieb Jess stehen und sah Levi eindringlich an. Was kam jetzt?
"Ich fahre in die sechste Etage. Dort habe ich einen Termin. Würdest du hier solange warten? Du kannst dich da hinsetzen." Sie deutete auf eine Sofa Ecke die viel zu teuer aussah, als das sich jemand wie Levi dorthinsetzen würde dürfen, aber er nickte trotzdem und nur wenige Sekunden später, verschwand sie in einem schmalen Raum, der sie scheinbar bis ganz nach oben transportierte.
Seufzend sah sich Levi um. Maik hatte sich seit ihrem Treffen nicht mehr bei ihnen gemeldet und er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Umso länger Jess' Freund brauchte, desto aussichtsloser schien seine Situation zu sein. Ren konnte mittlerweile sonst was angestellt haben. Ihn machte es nervös, nicht zu wissen, was in seiner Welt vor sich ging.
Levi erkundete langsam die Empfangshalle, die Hände in den Hosentaschen vergraben und sah sich die ganzen Schilder an, die beschrieben, was sich in dem Gebäude befand. Er verstand nur Bahnhof. Und ihm entging zudem nicht, dass er von der Empfangsdame skeptisch beäugt wurde. Vermutlich fragte sie sich, was jemand wie er hier zu suchen hatte. Und Levi hätte gelogen, wenn er behauptet hätte, sich hier wohlzufühlen. Also ergab er sich irgendwann seinem Schicksal und ließ sich auf eine der Couchen fallen. Sein Blick glitt an die Decke.
Von irgendwo drang Entspannungsmusik, die ihn kribbelig fühlen ließ. Warum war er so angespannt? Warum hatte er das Gefühl, dass etwas nicht stimmte?
Es war das gleiche Gefühl, dass er manchmal auf seinen Missionen gehabt hatte. Diese dunkle Vorahnung, dass seine Kameraden in Gefahr waren. Nur dass es diesmal Jess war, um die er sich sorgte. Dabei war es doch nur ein Gespräch, zu dem sie eingeladen worden war. Nichts, bei dem man den Tod fürchten müsste oder annähernde Gefahr, oder?
Ren.
Petra.
Jess.
Okay. Er musste etwas tun, denn mit jeder vergehenden Minute, wurde er unruhiger.
Langsam erhob er sich wieder und schritt erneut an der Empfangsdame vorbei. Direkt auf den kleinen Raum zu, über dem leuchtende Zahlen prangten, die vermutlich für das jeweilige Stockwerk standen, in dem sich der Raum gerade befand.
Levi drückte einen der Knöpfe und der Raum öffnete sich unmittelbar. Er wählte dann die Sechs und sah dabei zu, wie sich die Türen vor ihm schlossen, während die Frau am Empfang ihn beobachtete und gerade ein Telefon ans Ohr hob.
Geduldig wartete er, bis sich die Türen wieder öffneten und spähte dann auf einen leeren Gang vor sich.
Sofort stürmte er los. Geradeaus. Rechts. Und schließlich sah er, warum er so unruhig gewesen war.
Er rannte ohne zu zögern los, während Adrenalin durch seinen Körper pumpte.

Written by Kirbylinchen.

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