- Levi -

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Als Levi am nächsten Morgen erwachte, stöhnte er gequält auf. Seine Brust brannte wie Feuer.
Jess kam gerade mit einer Zahnbürste im Mund ins Zimmer und stürzte sofort zu ihm, als sie ihn sah.
"Evi! Hif alls ohe hif hir?"
"Was?", fragte er genervt.
Sie zog die Zahnbürste mit entschuldigendem Blick aus dem Mund. "Ist alles okay bei dir?"
Ohne zu antworten griff er sich an die Brust.
Sofort legte Jess die Zahnbürste beiseite. "Zieh das aus! Ich will das sehen!"
Levi wollte protestieren, doch da hatte sie ihm bereits den Pullover über den Kopf gezogen.
Schockiert schnappte sie nach Luft. "Oh Gott! Levi! Das sieht nicht gut aus!"
"So ein Quatsch, es ist nichts weiter. Ich-" Er hielt inne, als seine Augen zu seiner Brust wanderten. Was zum Teufel...? Die Wunde war blutig und deutlich gerötet. Im Gegensatz zu gestern, war das hier ein gravierender Unterschied. Wie hatte das passieren können? Er hatte sich doch, bis auf die Putzaktion, kaum bewegt.
"Wir müssen einen Arzt da raufgucken lassen, das kann unmöglich so bleiben. Das sieht total entzündet aus", meinte Jess besorgt und hielt erneut Ausschau nach dem kleinen rechteckigen Gerät, das sie so oft in den Händen hatte.
Levi hatte jedoch nichts einzuwenden. Er wusste selbst, wann es nötig war sich in medizinische Hilfe zu begeben und das hier sah alles andere als gut aus.
Jess besorgte ihm neue Kleidung. Er nahm an, dass sie wieder teils von ihrem Mitbewohner stammte und teils von ihr selbst. Eine enge schwarze Jeans, weißes Shirt und eine dunkle Jacke, ließen ihn so aussehen, wie einer von ihnen. Unter seinem Shirt lugte ein Verband hervor, den Jess ihm unprofessionell angelegt hatte, um die Wunde zu bedecken. Ärztin war sie aufjedenfall schonmal nicht. Jess schien dennoch zufrieden mit sich zu sein, vor allem aber vermutlich wegen ihrer Einkleidung.
"Sieht super aus! Du kannst übrigens deinen echten Namen sagen, wenn wir da sind. Levi ist seit Attack on Titans ein gängiger Name geworden und Ackermann gab es auch schon immer." Sie schnappte sich ihren Rucksack und lächelte ihm aufmunternd zu.
Irgendwie hatte er das Gefühl, dass ihr das hier mehr Freude bereitete, als es sollte. Seufzend erhob er sich und folgte ihr nach draußen.

Zum ersten Mal, seit er hier war, nahm er alles ganz genau wahr. Die Menschen. Das Wetter. Die Gebäude. Die Stimmung. Das Leben.
Es war ganz anders, als hinter den Mauern, wo stets Tod und Angst präsent waren. Hier hing etwas lockeres in der Luft. Etwas, dass er schwer beschreiben konnte, weil es ihm so fremd war. Er musste total bescheuert aussehen, wie er sich unsah. Zumindest war er sich dessen ziemlich sicher, denn Jess warf ihm immer wieder ein Schmunzeln zu.
"Ich habe eine Frage", sagte Levi und Jess wandte sich ihm ganz und gar zu. Sie trug eine kurze Hose, die gerade so ihren Hintern bedeckte und ein helles Shirt, das sie lässig in die Hose gesteckt hatte. Ihr blonder Zopf wippte bei jedem Schritt hin und her.
"Was gibt's?"
In der Sonne strahlten ihre blauen Augen noch mehr. Genauso wie Petras es immer getan hatten. Er hasste es...
"Welche Gefahren gibt es bei euch? Gibt es etwas, wovor ihr euch fürchten müsst?" So wie die Leute hier herumliefen, konnte er sich das kaum vorstellen.
Sie nickte. "Ja, natürlich. Es gibt vieles, wovor sich die Menschen fürchten. Krankheiten. Krieg - auch wenn er bei uns hier nicht konkret vor der Tür steht. Einsamkeit, Armut, der Tod... Da gibt es schon einige Sachen."
"Ernsthaft?", fragte Levi abfällig. Das erklärte so einiges. Wenn das alles war, was die Menschen zu fürchten hatte, dann würde er auch mit so einem selbstgefälligem Grinsen durch die Weltgeschichte spazieren.
Jess ignorierte seinen Ton gekonnt. "Natürlich ist es nicht vergleichbar mit dem, was ihr in deiner Welt zu fürchten habt, aber... Nun ja, so unterschiedlich sind die Welten nun einmal." Wieder betrachtete sie ihn nachdenklich. Etwas schien ihr auf der Seele zu liegen, doch sie rückte nicht damit heraus. So hatte sie ihn auch schon gestern Abend auf dem Sofa angesehen, als sie über Levi und die anderen gesprochen hatten. Das war okay. Er wollte nicht weiter über ihre oder seine Welt sprechen. Er hatte gerade andere Probleme. Und schließlich erreichten sie die Arztpraxis, wofür er ausgesprochen dankbar war.
Im Warteraum war es nicht allzu voll, bis auf ein Teenager, der auf einem ähnlichen Gerät wie Jess herumtippte und einer jungen Frau, die eine Zeitung las. Beide nahmen keine Notiz von ihnen, als sie den Raum betraten.
Als Levi sich setzte, spürte er erneut den Schmerz in der Brust aufflammen. Er hatte schon wahrlich viele Verletzungen erlitten, aber das hier, war anders, als alles was er bisher gespürt hatte.
"Geht's?", fragte Jess, nachdem sie ihn an der Anmeldung angekündigt hatte.
Er nickte nur. Seine Brust fühlte sich an, als würde darin ein Parasit sein Unwesen treiben, der sich versuchte durch seinen Oberkörper durchzufressen.
Vielleicht auch deshalb war er froh, als ihm die Ärztin, die Dr. Ribbeck hieß, mitteilte, dass kein anderes Wesen in seinem Körper war. Trotzdem war sie nicht begeistert.
"Wie um Himmels Willen haben Sie sich das zugezogen?" Sie suchte gerade etwas aus einem ihrer Schubfächer heraus.
"Durch ein Schwert", antwortete Levi wahrheitsgemäß und spürte zwei Sekunden später Jess' Fuß, den sie ihn gegen das Schienbein rammte.
Er wollte gerade rummotzen, als Jess ihm einen eindringlichen Blick zuwarf, die Klappe zu halten.
Dr. Ribbeck sah sich fragend zu ihnen um. "Was haben Sie gerade gesagt?"
"Durch ein Pferd!", sagte Jess schnell und sah Levi dabei an. "Er reitet und sein Pferd hat ihn vor ein paar Tagen abgeworfen. Dabei stürzte er direkt in einen Pfahl."
Die Ärztin riss noch weiter die Augen auf.
Levi hob fragend eine Augenbraue. Ernsthaft, Jess? Das ist eine bessere Erklärung?
Zuversichtlich winkte sie ab. "Ihm passiert so etwas öfter! Machen Sie sich keine Sorgen! Wir waren danach direkt bei einem Arzt, der die Wunde gut versorgt hat. Aber unser Levi hier musste ja gestern wieder unbedingt mit seinem Kraftsport anfangen." Vielleicht täuschte sich Levi, aber Jess blickte etwas zu lange und zu nervös auf seinen nackten Oberkörper, auf dem sich neben der Wunde auch seine Bauchmuskeln abzeichneten.
Dr. Ribbeck sah ihn tadelnd an." Das war ausgesprochen unklug, Herr Ackermann! Sie sollten sich selbst im Klaren darüber sein, dass sie so keinen Sport treiben dürfen! Für eine ganze Weile!"
Levi warf Jess einen wütenden Blick zu. Warum musste sie es so darstellen, als wäre er selbst daran Schuld?
"Wie dem auch sei, ich werde Ihnen jetzt ein Antibiotika spritzen und gebe Ihnen noch eines für eine Woche in Tablettenform mit. Nehmen Sie zwei Mal täglich eine Tablette, damit es nicht schlimmer wird. Diese Wunde ist groß." Ohne Vorwarnung spritzte die Ärztin ihm das Zeug und ehe er sich versah, war es auch schon vorbei.
Das Medikament wirkte nicht sofort, aber es reichte ihm schon zu wissen, dass es jetzt besser werden würde.
"Sie können sich wieder anziehen und dann möchte ich sie noch einmal in einer Woche sehen", sagte Dr. Ribbeck und setzte sich hinter ihren Schreibtisch, wo sie sich etwas notierte. In einer Woche? Bis dahin wollte er längst wieder zu Hause sein.
Währenddessen starrte Jess immernoch auf seinen Oberkörper. Sofort schnappte er sich sein Shirt, um es sich über den Kopf zu ziehen.

Written by Kirbylinchen.

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