- Jess -

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Als Levi und sie endlich die S-Bahn verließen, strömte ihnen kühle Abendluft entgegen.
Jess war müde und ausgehungert. Und so wie Levi aussah, ging es ihm ähnlich. Sie hatten auf der gesamten restlichen Fahrt geschwiegen und sie taten es auch weiterhin, als sie mit der Straßenbahn durch die Innenstadt, bis in den Norden Potsdams fuhren und schließlich Jess' Wohnung erreichten.
Nicklas und sie bewohnten eine große Vierraumwohnung, mit einem beachtlichen Balkon in der vierten Etage. Der Blick richtete sich auf ein Wohngebiet und in der Ferne konnte man ihre Fachhochschule erkennen, an der sie studierte. Die Wohnung konnten sie sich nur aufgrund eines Wohnberechtigungsscheines leisten, und weil Nicklas und Jess' Eltern einen Teil der Miete übernahmen. Den Rest zahlte Nicklas. Allein der Gedanke daran, bereitete Jess erneute Bauchschmerzen, aber darum musste sie sich später kümmern.
Kurz vor ihrer Haustür blieb sie stehen und sah zu Levi, der ruhig neben ihr stand und das Gebäude hinaufsah.
"Hier wohne ich", erklärte Jess kurz.
"Habe ich mir gedacht. Worauf warten wir?", wollte er wissen.
Unsicher biss Jess sich auf die Unterlippe. Das alles war echt kompliziert. Wenn sie so mit Levi hinaufstolzierte, würde Nicklas Fragen stellen. Viele Fragen. Unangenehme Fragen.
"Würdest du mir einen Gefallen tun?", fragte sie und Levi hob skeptisch eine Augenbrauen, deshalb fuhr sie unmittelbar fort. "Ich wohne mit jemandem zusammen, der seltsame Fragen stellen könnte. Vielleicht ist es besser, wenn er nicht mitbekommt, dass du da bist."
"Und wie soll ich das tun? Ich bin zwar nicht der Größte, aber auch nicht winzig wie eine Maus." Seine Stimme klang verachtend.
Jess seufzte. Der Typ war etwas anstrengend. "Das wollte ich damit auch nicht sagen, aber..." Sie sah zu ihrem Balkon hinauf. Direkt daneben befand sich das Fenster zu ihrem Zimmer. "Siehst du das Fenster dort?"
Levi folgte ihrem Finger und nickte.
"Kannst du dich mit deinem 3D-Mannöver Apparat dorthin begeben? Ich mache dir dann auf, okay?"
Sie konnte an Levis Blick erkennen, dass er ihre Idee dämlich fand, aber schließlich zuckte er abfällig mit den Schultern und antwortete schlicht:
"Okay."
Sofort setzte sich Jess in Bewegung und schritt die vielen Treppen hinauf. Sie hatte kaum die Tür aufgeschlossen, da kam ihr Nicklas schon entgegen. Er sah besorgt aus.
Nicklas war ebenfalls ziemlich klein, aber immernoch etwas größer, als Jess. Er hatte dunkelblondes kurzes Haar, das er stets etwas gestylt zur Seite trug. Obwohl sie nur kurz etwas miteinander gehabt hatten, sagte sein Blick vor allem stets eine Sache: Ich will dich immernoch!
"Wo warst du?", fragte er und sah ihr direkt ins Gesicht.
"Lange Geschichte. Das Bewerbungssgespräch lief furchtbar und danach hatte ich direkt noch eines, das unglaublich lange ging. Ich bin ehrlich gesagt müde", erklärte sie schnell und schmiss ihre Jacke und Schuhe zur Seite.
Nicklas ließ jedoch nicht von ihr ab. "Klingt hart, wollen wir zusammen Abendessen? Dann kannst du mir in Ruhe davon erzählen."
Jess blickte unruhig zu ihrer Zimmertür. Levi hing bestimmt schon an ihrem Fenster...
"Ehrlich gesagt, habe ich gar keinen Hunger." Was eine glatte Lüge war. Jess hing der Bauch bereits am Boden. "Ich werde mich direkt hinlegen". Damit wandte sie sich ihrem Zimmer zu.
"Du? Du zockst doch normalerweise immer bis tief in die Nacht. Es ist gerade mal halb neun. Ist wirklich alles okay? War es so schlimm heute?" Nicklas Stimme erklang erneut hinter ihr. Konnte er sie nicht verdammt nochmal in Ruhe lassen?
"Ja, es war echt übel, ich erzähle morgen mal alles in Ruhe. Gute Nacht." Damit ließ sie ihn stehen, huschte schnell in ihr Zimmer, schloss die Tür und sprintete zum Fenster. Natürlich war Levi bereits an der Scheibe. Sein Blick war alles andere als fröhlich.
Sie hatte kaum das Fenster geöffnet, da holte er schon zu seinem Schimpfmonolog aus. "Wie lange sollte ich denn da noch rumhängen? Warst du noch 'ne Runde scheißen, oder was?"
Empört zog Jess scharf die Luft ein. "Wie bitte?" Kurz fragte sie sich, ob es die richtige Entscheidung gewesen war Levi mit zu sich zu nehmen. Jetzt war es jedoch zu spät, um etwas zu ändern.

Written by Kirbylinchen.

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