- Jess -

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Verärgert machte sich Jess auf den Weg zur S-Bahnstation in der Nähe. Wenn der Cosplay-Vollidiot ihre Hilfe nicht wollte, dann sollte er doch bleiben wo der Pfeffer wächst!
Nur kurz verlangsamte sie ihren Schritt. Hätte sie die Polizei rufen sollen? Fake-Levi hätte beinahe die beiden Sanitäter erstochen. Wer wusste schon, was er als nächstes tun würde?
Schnell holte sie ihr Handy aus der Tasche und rief die Polizei an. Sie fühlte sich verpflichtet, jemanden zu informieren, der den Typen eher im Griff haben würde, als sie. Und sie war es den beiden bewusstlosen Männern schuldig, die nur hatten helfen wollen.
Nachdem sie die Polizei verständigt hatte, beschleunigte sie ihren Schritt wieder. Sie wollte einfach nur noch weg von hier. Nichts mehr mit alldem zu tun haben.
Als sie endlich am Gleis der S-Bahnstation stand, atmete sie erleichtert auf. Sie freute sich, über die völlig normalen Menschen um sie herum. Immer wieder ließ sie ihren Blick zwischen die Leute gleiten, doch es war keine Spur von irgendetwas ungewöhnlichem zu sehen. Auch wenn sie es nicht wollte, aber der Möchtegern-Levi bereitete ihr Kopfzerbrechen. Er musste definitiv zuviel Attack on Titans gesehen haben. Ein richtiger Otaku halt... Doch irgendwas an der Sache, machte sie dennoch stutzig.
Jess selbst war ebenfalls Fan der Serie und sie hätte gelogen, wenn sie behauptet hätte, kein Fan von Levi Ackermann zu sein. Der Typ hatte seine Rolle so authentisch gespielt, dass es schon unheimlich gewesen war, aber so war das halt manchmal. Beim Cosplay gingen die einen oder anderen halt ziemlich weit, um ihre Rolle auszuleben. Aber diese Augen... Und diese Gesichtszüge...
"Wollen Sie einsteigen?" Eine ältere Dame riss Jess aus ihren Gedanken und erst jetzt bemerkte sie, dass ihre S-Bahn bereits eingefahren war.
"Oh, vielen Dank!" Sie nickte der Frau freundlich zu und verzog sich zügig zu einem leeren Viererplatz.
Als sie saß, prallten sämtliche Ereignisse der letzten Stunden auf sie ein. Die dämlichen Gespräche. Die dämlichen Erwartungen an sie. Der dämliche Typ auf der Straße. Eigentlich war diese Fahrt nach Berlin ein einziger Reinfall gewesen...
Frustriert fummelte sie ihre Kopfhörer aus der Tasche, schob sie sich in die Ohren und stellte die Musik auf so laut, wie es nur ging. Dann schloss sie die Augen und lauschte den sanften Bässen ihrer Lo-fi-HipHop Tracks.
Sie musste sich überlegen, wie sie Nicklas erklären konnte, dass sie heute so sehr versagt hatte. Sie war ihm zwar keine Rechenschaft schuldig, aber sie wusste, dass sie langsam einen Job brauchte, um die Miete endlich selbst zahlen zu können. Und insgeheim musste sie zugeben, dass sie auch eigentlich gar nicht mehr mit ihm zusammenleben wollte. Es zog sie in ihre eigene Wohnung, auch wenn das bedeutete, höhere Kosten zu haben.
Ihre Schwester Elli hatte ihr zwar immer wieder angeboten für eine Weile bei ihr und ihrem Mann unterzukommen, aber auch das war irgendwie keine Option. Erst vor wenigen Monaten, hatten Elli und Felix ein Baby bekommen und Jess wollte dieses Familienleben nicht stören.
Seufzend öffnete sie die Augen und blickte in den mittlerweile dunkel gewordenen Himmel, als ihr ein paar Teenies weiter vorn ins Auge fielen.
Sie hatten ihre Handys gezogen und hielten sie wie Touristen an die Fensterscheibe. Pure Begeisterung stand in ihren Gesichtern und auch andere Fahrgäste hatten sich zu ihnen umgedreht.
Jess zog einen ihrer Kopfhörer aus dem Ohr, um zu hören, was da los war.
"Alter, ist das krass!"
"Der will bestimmt Selbstmord begehen!"
"Quatsch, die drehen einen Film!
" Und wo sind dann die Kameras, du Idiot?"
Zwei Männer und eine Frau traten jetzt ebenfalls ans Fenster." Ruf die Polizei! Schnell!", sagte einer von ihnen laut.
Immer mehr Menschen traten zu ihnen.
Jess zog den zweiten Kopfhörer aus ihrem Ohr und folgte ihrem Blick. Zuerst konnte sie gar nichts sehen, bis sie sich näher an die Scheibe vor sich setzte und ihr Gesicht dagegen drückte.
"Ach-du-Scheiße!", entfuhr es ihr und sofort legte sie ihre Hände auf das Glas.
Der Fake-Levi nutzte sein 3D-Mannöver Apparat wie der echte Levi aus dem Anime. Anmutig flog er durch die Lüfte und hangelte sich damit von Brücke, zu Säulen, zur Drahtseilen und Gebäuden. Sein Blick ging immer zu Jess herüber. Er verfolgte sie.
Jess hatte das Gefühl sich übergeben zu müssen.

Written by Kirbylinchen.

L x JWo Geschichten leben. Entdecke jetzt