5: Unruhiger Schlaf

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Die Kälte, die der andauerte Regen mit sich brachte, kroch langsam meine Beine hinauf und rasch zog ich die zerfetzte Decke bis zur Nasenspitze, um eine Gänsehaut zu verhindern. Newts Hütte war von Finsternis gefüllt, nur ein seichtes Licht drang durch die Fenster an der Westseite hinein. Der starke Regenguss hatte endlich gestoppt und die silberne Sichel des Mondes strahlte leicht von den letzten Wolkenfetzen umrahmt am nächtlichen Himmel. Nichts als das tiefe Atmen des schlafenden Jungen in dem großen Bett an der Wand durchbrach die Stille. Ich hatte heute nur ein provisorisches Bett bekommen, das man nicht einmal so bezeichnen konnte. Eine Jacke als Unterlage und eine Decke, die durchlöchert war wie ein Schweizerkäse, war alles das ich bekommen hatte. Kurz warf ich einen neidischen Blick auf Newts weiche Decken und Kissen. Er versank beinahe bis zu den Ohren im Stoff. Zitternd zog ich meine kalten Fingerspitzen an die Brust und lies leise die Zähne klappern, während ein ungemütlich kalter Wind an Tür und Fensterläden rüttelte. "Nein lass das" Mitten in meiner Bewegung erstarrte ich, als Newts Grummeln auf mein Trommelfell drang und wartete auf weitere Worte, die jedoch nicht kamen. Langsam und leise hob ich meinen Kopf, um einen vorsichtigen Blick auf die Silhouette des Blonden zu erhaschen. Der jedoch schien immer noch tief und fest zu schlafen, kein Zeichen von Wachsamkeit. Er redete wohl im Schlaf. Hoffentlich schnarchte er nicht, denn sonst konnte ich Schlaf in Zukunft streichen. Eng rollte ich mich wieder zusammen und verbarg mein Gesicht unter dem Stoff der Decke auf mir. Ich war heute an einem fremden Ort mit fremden Leuten ohne Erinnerungen an ein Leben vor der Box angekommen. Niemand wollte mir so wirklich genau etwas erzählen, alle waren unfreundlich und verschlossen. Wie lange sie wohl schon hier waren? Vielleicht war das hier auch nur ein großer Witz. Aber alles, was zählte, galt zu überleben. Unbeschadet. Und ich hatte keine große Lust hinter die Mauern zu gehen. Was wohl darin lauerte, außer der ständigen Gefahr sich zu verirren? Die Müdigkeit in meinen Knochen lies mich weit gähnen und ich schloss versuchsweise die Augen, um dem Drang nach Schlaf nachzugeben. Eine Weile wartete ich ungeduldig, bevor meine Sinne langsam nachließen und mein Atem regelmäßiger wurde. Die Situationen des Tages spielten sich wieder und wieder vor meinem inneren Auge ab und langsam glitt ich in einem unruhigen Schlaf hinüber.

Schritte näherten sich knarzend und distanzierten sich wieder. Stumm und erstarrt blieb ich liegen, nicht wissend wo ich war. Vorsichtig öffnete ich mein linkes Auge einen Spalt weit, als ein tiefes Murmeln ein paar Meter entfernt von mir ertönte. Grelles Licht blendete mich für einen Augenblick und einige Male musste ich blinzeln, bevor sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Die Umrisse einer gewölbten Holzdecke über mir schoben sich in den Vordergrund, während noch immer das Murmeln und Rascheln etwas entfernt ertönte. Die Erinnerungen von den vergangenen Stunden brachen plötzlich wie wütende Wellen über mir zusammen und ich schluckte überfordert. "Na auch schon wach hm" Newts Worte richteten sich unweigerlich an mich und ich setzte mich auf, die Decke rutschte von meinen Schultern. "Mhm" Meine eigene Stimme klang fremd und rau und peinlich berührt räusperte ich mich ein paarmal. "Na los hoch mit dir es gibt Frühstück" Ich spitzte interessiert die Ohren, als es in meinem Unterleib zu rumoren begann und rieb mir rasch die Augen, bevor ich die Decke zur Seite schob und mich auf die Beine erhob. "Frühstück?" Neugierig lugte ich an Newt vorbei, der schon komplett angezogen war, nur seine Haare standen noch verwuschelt in alle Richtungen. Indem ich mir selbst durch die Haare fuhr, überspielte ich das seltsame Bedürfnis, Seine zu richten. Meine Finger blieben ein paar mal in Meinen hängen und ich sah mich suchend nach einer Haarbürste um. "Vergiss es so schnell wie es dir einfällt" Newts Worte verlangten keine Widerrede und so griff ich schnell das Haarband um mein Handgelenk, bevor ich mir meine dunklen Haare zu einem hohen Zopf band. "Ab gehts, Frühstück wartet", sagte der Blonde, bevor er die klapprige Bambustür aufzog und hinaus trat. Erstaunt öffnete sich mein Mund, als warme Sonnenstrahlen durch den Türspalt auf meine Haut fielen. Das Unwetter war vorüber, nur große Pfützen und schlammiger Boden zeugten noch vom schweren Regen. "Geh besser barfuß sonst musst du nachher deine Schuhe waschen", meinte Newt bevor er sich herumdrehte und mit blanken Füßen in den dickflüssigen Matsch hineinsprang. Es schlurfte, während er sich seinen Weg um die Hütte herum bahnte und hastig zog ich mir meine Socken von den Füßen, bevor ich ihm zu folgen begann. Die nasse Kälte umschloss meine Füße, als ich vorsichtig hineinstieg und ein paar Steine und andere undefinierbare Dinge drückten unsanft in meine Haut. "Ih", murmelte ich vor mich hin während ich in Newts hinterlassene Spuren trat, die meterweit voneinander entfernt schienen. Mehrere Lichter eilten bereits auf dem nassen Gras herum, manche trugen seltsame Gegenstände, wiederum andere trieben laute Schaf- und Ziegenherden mit langen Ruten vor sich her. Ihre tiefen Stimmen hallten von den massiven Wänden wieder. Die Tore standen weit offen und das was hinter ihnen lag, wartete in den Schatten. Neugierig und hungrig stapfte ich hinter Newt her durch den tiefen Schlamm und war erleichtert, als meine Füße wieder festes Gras betraten. Newts Ziel schienen die braunen Planen in den Ästen der riesigen Bäume vor uns sein, unter denen einige Bänke und Biertische standen. Als wir näher kamen, vermischte sich der nasse Geruch von frisch gefallenem Regen mit einem leicht Rauchigen. Mehrere Blicke hefteten sich auf mich und Newt, als wir den Eingang durch die Planen passierten. Unbehaglich schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper um mich von den neugierigen Blicken der anderen Jungs abzuschirmen. "Morgen Frischling" Mein Kopf schnellte abrupt in die Richtung der Stimme und erleichtert erblickte ich Minho, der neben einem schlanken blonden Jungen mit einer seltsamen Weste an einem der vielen Bäume lehnte. Jetzt kam er mit großen Schritten zu mir herüber und in dem leichten Windhauch, den er mit sich brachte schwang ein unbekannter Geruch mit. "Und wie war die erste Nacht?", fragte er mich und ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust. "Schlaflos" Minho's Mundwinkel schossen nach oben und er legte leicht den Kopf schief. "Hat Newt dich also doch auf dem Boden schlafen lassen?" Ich nickte perplex, bevor Minho rasch herum fuhr und dem Blonden am Baum einen vielsagenden Blick zuwarf, der andere ihn aber nur finster erwiderte. "Da bist du ja Frischling, na komm" Einer der Hüter, groß und stämmig mit blonden Haaren, stand vor mir. Es war derselbe Junge, der mich gestern aus der Box getragen hatte. Verwirrt sah ich ihn an und fragte mich, was er wohl von mir wollte. "Du verbringst den ersten Tag bei uns, hat Newt dir das nicht gesagt?", fügte er erklärend hinzu und ich schüttelte überrascht den Kopf. "Na dann, man sieht sich Frischling", verabschiedete sich Minho und verschwand mit dem blonden Jungen von vorhin hinter einer der Gruppen, die sich allmählich zu bilden begannen. Immer mehr und mehr Lichter ließen sich auf den Bänken nieder, ihre Stimmen redeten laut durcheinander. "Wie auch immer, es gibt Essen, setz dich doch zu uns", sprach mich der blonde Hüter erneut an und zeigte kurz auf einen Tisch in der Mitte der Lichter. Ehrlich gesagt wollte ich alles andere nur das nicht und so öffnete ich schon meinen Mund, als ich Newt in der Menge entdeckte, der mich finster beobachtete. Mein Herz tat einen überraschten Sprung und ich wusste, das ich viel lieber bei Newt sitzen wollte. "Tut mir leid ich sitz schon bei Newt" Gallys geschwungene Augenbrauen (milde ausgedrückt) schossen überrascht in die Höhe und er folgte meinem Blick zu Newt. "Was denn du sitzt lieber bei dem?" Kopfschüttelnd verschwand er mit einem letzten finsteren Blick auf Newt an einen Tisch mit anderen Jungs, die seinen Körperbau teilten. Das waren also die Baumeister.

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