23: Winstons Geständnis

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Ich hatte definitiv zu viel gegessen, mir war speiübel. "Du musst zurück Arbeiten", sagte Newt neben mir und ich seufzte schwerfällig. Die Bänke waren seit einiger Zeit leer und die Sonne schien auf die Planen. "Ich will aber nicht" Müde legte ich den Kopf an seinen Arm und schloss die Augen, ich fühlte mich satt und erschöpft und ich wollte alles Andere als zurück zu Winston, der mich mit Adleraugen überwachte. "Ist es wegen Winston?", fragte Newt in diesem Moment passend sodass ich mich fragen musste, ob ich gerade den ein oder anderen Gedanken laut ausgesprochen hatte. Ich seufzte als Antwort und spürte, wie sich Newts Armmuskeln unter meinem Kopf anspannten. "Hat er was gemacht?" "Nein es ist nur-", begann ich, ohne wirklich zu wissen was ich sagen wollte. "Die Blicke? Übervorsichtig? Ständig läuft er dir hinterher? Immer hilfsbereit? Du darfst nichts selbst machen? Konstante Überwachung?" Mir blieb der Mund offen stehen. Newt wusste offenbar genau, wovon er sprach. "Ja", jammerte ich und fuhr mir mit einer Hand übers Gesicht. "Er steht auf dich Frischling" Mein Herz machte einen erschrockenen Satz. Ich dachte ich hätte mich verhört. "Was?" "Hast mich schon verstanden" "Woher willst denn du das wissen?", fragte ich und drehte mich so, das er mir in die Augen sah. "Er hat's uns erzählt, Alby weiß auch Bescheid" Das würde nun so Einiges erklären, allem voran Winstons seltsames Verhalten. "Du meinst wohl er hat es erzählen müssen?" Newt grinste als Antwort schäbig und sein Blick glitt über die Lichtung hinüber zu den Stallungen. Die Silhouette des Schlitzers war im Sonnenlicht zu erkennen, sie stand reglos da und war in unsere Richtung geneigt. "Und was soll ich jetzt machen?" "Ignorier ihn einfach so gut es geht, er ist schließlich immer noch-" "-mein Hüter!", vollendete ich seinen Satz und Newt nickte. "Wenn was ist, du weißt wo du mich findest. Ich muss jetzt los Frischling" Ich hob meinem Kopf von seinem Arm und legte ihn auf den bereits sauber abgewischten Tisch. "Mir ist schlecht Newt", nuschelte ich gegen das Holz unter mir und hörte seine sich entfernenden Schritte jäh innehalten. "Hm?" "Keine Sorge ich hab nur zu viel gegessen glaub ich" "Dann geh in die Hütte und ruh dich aus" Warum ermutigte er mich nicht zum arbeiten wie sonst auch? "Ich kann meinetwegen gerne arbeiten gehen, ich bin eh fast fertig mit dem Stall ausmisten", warf ich ein und hob den Kopf vom Tisch, um einen Blick über die Lichtung werfen zu können. "Anweisung von Alby, wenn's dir nicht gut geht dann sollst du in die Hütte. Punkt", widersprach mir Newt und ich rollte mit den Augen. "Mir gehts besser ich geh jetzt arbeiten" Meine Füße hatten mich bereits beinahe an meinem blonden Gegner vorbei getragen, als er sich mir plötzlich in den Weg stellte und zornig funkelten seine Augen zu mir herab. "Alby hat ges-", begann er doch ich unterbrach ihn sofort. "Alby hier, Alby da. Ich kann gut auf mich allein aufpassen Newt!", sagte ich laut und verschränkte die Arme vor der Brust, um meiner Haltung Ausdruck zu verleihen. "Das sieht man" Spöttisch ergriff er meinen linken Unterarm und hob ihn mir ans Gesicht, sodass ich die bereits verheilenden Schnitzereien deutlich sehen konnte. Ich biss mir auf die Lippe und senkte den Kopf, er hatte recht. Aber zumindest wusste ich, wann es mir gut ging. "Schon gut Newt", knurrte ich und er lies meinen Arm wieder los, bevor er sich herum drehte und durch das lange Gras stapfte. Eine Weile blickte ich ihm nach, wie er über die Lichtung hinüber zu den Hackenhauern verschwand. Ich fühlte mich tatsächlich besser, bestimmt konnte ich wieder arbeiten. Mit diesem Entschluss verließ ich ebenfalls den Essensplatz und ging hinüber zu den Weiden. Glücklicherweise winkte mir sofort einer der anderen Schlitzer zu und ich rannte zu ihm hinüber. Er hielt die Tore, die aus dem Stall der Bockschafe führte, fest. "Frischling!" Als ich bei ihm ankam, nickte er mir erleichtert zu und ich hielt inne. "Winston hat mir das Kommando übertragen, die Hüter treffen sich gerade. Du kannst mit den Männchen auf die Weide drüben am Weiher gehen", erklärte er mir rasch und ich nickte erfreut. Beinahe am liebsten war ich auf der Weide, fern ab von allen Gesprächen und Kommentaren, die ich vermutlich nicht hören sollte. "Du hast das schon mal gemacht?", fragte er und fast wäre er zur Seite getreten, um mir den Weg freizumachen. Ich war kurz davor gewesen, mit den Weibchen rauszugehen aber dann war etwas dazwischen gekommen. Doch das wollte ich dem Jungen vor mir nicht erzählen, sonst lies er mich womöglich nicht gehen oder noch schlimmer, jemand sollte mit mir kommen. "Ja", log ich deshalb rasch und vermied Augenkontakt, um nicht zu erröten. "Na dann" Mit diesen Worten drückte er mir die lange Rute, die er gehalten hatte, in die Hand und verschwand zwischen den Ställen. Glücklich trat ich vor, entriegelte das Schloss und machte einen Schritt zur Seite, um die Böcke austreten zu lassen. Gemächlich trotteten sie in den Sonnenschein und ich stellte mich so vor den ersten Bock, das er durch die richtigen Gatter bis hin zum Weiher stiefelte, die anderen folgten ihm praktischerweise sofort. "Haha!", rief ich triumphierend und schloss das Tor hinter mir, bevor ich gemächlich durch das Gras hinüber zum Weiher schritt. Dort schlüpfte ich rasch aus meinen Schuhen und Socken und senkte meine Füße hinab ins kühle Wasser. Kurz lief mir eine Gänsehaut den Rücken hinab doch rasch gewöhnte sich mein Körper an die niedrige Temperatur. Kaum saß ich ein paar Minuten, hörte ich bereits wieder Schritte hinter mir und ich fuhr herum, um zu sehen, wer mich stören wollte. Erleichtert lächelte ich, als das Schaf, dessen Hufe auf dem Gras klangen wie Schritte, auf mich zu trottete. Seine ovalförmigen Augen musterten mich kurz, bevor es neben mich ans Wasser trat und den Kopf hinab senkte, um zu trinken. Ohne mich zu bewegen beobachtete ich das ruhige Tier. Sein Fell war verfilzt und bereits wollig und ich fragte mich, wann es abgeschoren werden würde. Das leise Meckern der Schafe hinter mir beruhigte mich etwas und der Bock neben mir trat zurück, um sich seiner grasenden Herde wieder an zu schließen. Als ich mich zurück ins hohe Gras fallen ließ, fiel mir erneut auf, wie schön die Lichtung eigentlich sein konnte. Der Himmel war nun wolkenlos und die Sonne lies ihre Strahlen durch Blätter hindurch tanzen, während sich die Bäume in naher Entfernung sacht im aufkommenden Wind wiegten. Sogar ein paar Vögel zwitscherten vereinzelt und ich schloss glücklich die Augen, als mir ganz schwach der Geruch nach gebratenem Schinken um die Nase strich. So schlimm war es auf der Lichtung gar nicht. Es waren nur ihre Bewohner, die sie für mich von Zeit zu Zeit verunstalteten.

Verborgen im SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt