"Kein zurück mehr Frischling", rief Minho und mit diesen Worten begann er locker los zu joggen. Newts Hand verschwand aus meinem Gesicht und packte stattdessen meinen Oberarm um mich zu ihm zu drehen. "Pass gut auf, da draußen kannst du nicht auf die Hilfe von irgendjemandem, geschweige denn Minho zählen. Wenn ihm irgendwas zustößt, dann findest du eh nicht mehr raus" Mir entgleisten die Gesichtszüge und erschrocken starrte ich ihn an. Er hatte Recht. Nur Minho könnte mich aus dem wahrlichen Labyrinth wieder herausbringen. Ohne ihn wäre ich hoffnungslos verirrt. "Ab mit dir" Newt schob mich dem Eingang des Labyrinths entgegen. "Frischling!", schallte die Stimme des Hüters der Läufer von den Mauern wieder und ich atmete kurz tief durch. "Muss ich wirklich-" "Nun geh schon du kleiner Feigling", unterbrach Newt mich und gab mir einen unsanften Stoß. "Schon gut schon gut. Bis dann" Mit diesen Worten rannte ich hinter Minho her und meine Schritte begannen seltsam zu hallen in den leeren Gängen. "Falls du zurückkommst" "Newt!", hörte ich Alby noch tadelnd sagen, bevor ihre Stimmen verklangen. Als ich den Kopf kurz wendete, sah ich Newt mit verschränkten Armen am gleichen Fleck stehen, Alby war bereits verschwunden. Was, wenn ich ihn nun zum letzten Mal sah? "Auf gehts Frischling", rief Minho ein paar Meter vor mir und rasch holte ich ihn ein. Schon bald verließen wir den breiten Hauptgang, der zur Lichtung führte und bogen in einen Schmäleren ab. Links, rechts, links, links, rechts, links, durch die Mitte, rechts. Ich versuchte mir die Reihenfolge einzuprägen aber es war schier unmöglich, immer tiefer drangen wir in das Zentrum des Labyrinths vor, bis ich eine riesige, rote Zahl an einer der Wände erkannte. "Was bedeutet die 8?", keuchte ich und Minho verlangsamte sein Tempo kaum merklich, um mit mir Schritt zu halten. "Es gibt 8 Abschnitte. Und jetzt kein Gerede mehr, es dauert noch eine Weile bis zur ersten Pause", antwortete Minho, er schien perfekt in Form, kein Keuchen, kein schweres Atmen. Aber wenn man bedachte, dass er das schon seit drei Jahren beinahe jeden Tag machte, war das auch nicht weiter verwunderlich.
Nach einer Weile, die mir wie eine halbe Ewigkeit vorkam, hielten wir endlich an. "Trink was" Minho zog seine eigene Flasche aus der Tasche an seinem Rücken und trank ein paar kräftige Schlücke. Ich tat es ihm gleich und es war wie kühlendes Eis in meinem brennenden Rachen. Ich steckte die Flasche zurück und wollte mich für einen Moment hinsetzten, als Minho mich am Ärmel packte. "NIEMALS hinsetzen Frischling. NIEMALS" "Warum?" "Zu viele Angriffe der Griever + zu viele unvorbereitete SITZENDE Läufer = 8 Tode in zwei Wochen" Ich schluckte. "8 Tode?" Minho nickte finster und seufzte leise. "Gute Männer waren das" Einen Moment herrschte Stille. "Wie auch immer, weiter gehts, wir kommen jetzt gleich in einen Abschnitt der dir bestimmt gefallen wird" Er rannte los und ich folgte ihm, meine Lungen waren wieder erholt. Er behielt Recht. Schon bald wurden die Gänge breiter als der Hauptgang zur Lichtung, es schien als hatte ein Riese mit großen Bauklötzen gespielt. Plötzlich änderte sich der gesamte Aufbau, den ich bereits gekannt hatte und wandelte sich in seltsame rostige Platten, die senkrecht in den Himmel ragten. "Wow", hauchte ich und Minho wurde etwas langsamer, um mir Zeit zum Inspizieren zu geben. "Wir nennen sie 'die Flügel'", fügte er erklärend hinzu und ich fragte mich, wer sich so viel Mühe gemacht hatte, dieses Labyrinth zu bauen, mit all den seltsamen Gängen, Abschnitten und Nummern. Es lag ein System dahinter, das, so nahm ich an, bisher keiner hatte enträtseln können.
Wie falsch ich doch lag.
"Die Sonne steht tief, wir sind schon lange unterwegs", rief Minho während wir die Flügel zurück in die Gänge des Labyrinths passierten. "Ja? Gibt es jetzt Abendessen?", fragte ich hoffnungsvoll und hörte meinen Begleiter lachen. "Das auch, aber es dauert noch eine Weile bis wir wieder in der Lichtung sind" Mein Magen sank. Ich war erschöpft und meine Beine schmerzten, die Blasen an meinen Händen vom Einfangen der Ziege gestern hatten sich verdreifacht und meine Lunge brannte. Als sähe Minho mir das an, rief er aufmunternd: "Das schaffst du jetzt auch noch" Ich rollte mit den Augen und stieß verächtlich die Luft aus. Musste ich ja wohl wenn ich nicht verhungern, verdursten oder von den Grievern geholt werden wollte. Griever, was für ein seltsamer Name. Wir bogen um die Ecke. Seltsamer Name, seltsames Geschöpf. "Nicht mehr weit, keine Sorge", rief Minho vor mir. "Drei Gänge vom Hauptgang sind wir noch entfernt" Ich wollte schon den Mund öffnen, um ein sarkastisches 'Aha' zu keuchen, als Minho plötzlich innehielt und den Arm ausstreckte, um mich ebenfalls zu stoppen. "Was i-" "Shhhhh" Ich schluckte. Das Einzige, was zu hören war, war unser Atem. Meine Ohren lauschten gespitzt auf jedes Geräusch - doch hier draußen konnte man nicht einmal das Zwitschern der vielen Vögel hören. Je länger wir standen, desto fragwürdiger erschien mir Minhos Handeln. Warum sollte ich leise sein? Als ich bereits wieder den Mund öffnen wollte, fiel mir seine Ansprache vor den Toren heute Morgen ein. "Du folgst meinen Anweisungen", hatte er gesagt. Gehorsam hielt ich also weiter inne, mein Atem wurde langsam ruhiger und ich begann, mich umzusehen. Es geschah weiterhin nichts. Desinteressiert blickte ich zum Hüter vor mir, der seinen Blick jedoch auf etwas hinter mir gerichtet hatte. Mir wurde ganz anders, als ich die Veränderung in seinem Gesicht bemerkte. Seine Augen wurden groß vor Panik, seine Haut kreidebleich. Ich wollte mich bereits umdrehen, um zu sehen was ihn so erschreckt hatte, da ging alles ganz schnell. "Scheiße — Renn!", sagte Minho plötzlich leise und sprintete los, ich setzte ihm sofort ohne zu Zögern hinterher. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als es massig Adrenalin durch meine Adern zu pumpen begann. "Lauf schneller!" Immer weiter und weiter rasten wir zwischen den Mauern entlang, ihre schier unheimliche Größe ließ alles Laufen unwirklich und unsinnig scheinen. Die Zeit stand still, wir liefen auf der Stelle. Ich keuchte, meine Lunge stach entsetzlich und ich hatte das Gefühl das meine Beine jeden Moment durchbrachen. Minho schien das lautlose Rennen aufzugeben, denn nun schrie er aus Leibeskräften. "LAUF FRISCHLING DREH DICH NICHT UM" Wir bogen in den nächsten Gang und jetzt hörte ich endlich den Grund für die Panik des Läufers: metallisches Schleifen und ein furchtbares Kreischen. Ich kannte diese Geräusche, ich hatte sie schon einmal gehört.
Griever.
Das Blut gefror mir in den Adern. "SCHNELLER", brüllte Minho, wir bogen in den engen Gang der zum Hauptgang führte. "ICH VERSUCHS JA", schrie ich zurück, noch einmal schneller sprintend. Das metallene Klirren kam immer näher, es kratzte auf dem Steinboden wie Nägel an einer Kreidetafel. Bald würde ich sterben. Nicht mehr lange und das Untier verbiss seine grauenvoll langen Zähne in meinen Rücken. Ich konnte seinen heißen Atem bereits in meinem Nacken fühlen. "MINHO ICH STERBE", kreischte ich und nahm noch einmal alles aus meinen Beinen heraus, als wir endlich auf den Hauptgang bogen. Die Lichtung erschien in der Ferne, bunte Shirts flimmerten im Licht der Sonne. Minho hatte sie fast erreicht und panisch schluchzte ich kurz auf in Angst, zurückgelassen zu werden. Plötzlich waren die entsetzlichen Laute verklungen, man hörte nichts außer meinen rasend schnellen Schritten, die im Gang hallten. Was war geschehen? Warum verfolgte es uns nicht mehr? Am Eingang zur Lichtung erkannte ich nun die Gesichter der Lichter, sie starrten mir und Minho entgegen. Unter ihnen waren auch Newt und Alby. Kaum waren wir bei den Lichtern angekommen, hagelten Fragen über Fragen auf uns herein. Rastlos bahnte ich mir einen Weg in die Mitte der Jungs, bevor ich erschöpft auf die Knie fiel. Schweiß rann mir die Schläfen hinab, meine Beine schmerzten, meine Lunge stach entsetzlich. Es schien, als könnte ich gar nicht genügend Luft einatmen - jeder Atemzug war eine Qual. "Was ist passiert?!" "Was habt ihr angestellt?!" "Wurdet ihr gestochen?!" "Habt ihr einen Griever gesehen?!" Mir wurde schwindlig bei den ganzen Stimmen und ich schloss kurz die Augen. Ich würde alles andere werden außer Läufer. Sogar Baumeister - Hauptsache, ich würde das Labyrinth nie mehr von innen sehen. Keine zehn Pferde würden mich je wieder in diese Hölle aus grauem Stein kriegen.
"Junge Junge das sind aber ordentliche Blasen die du da hast, Frischling", sagte der kleinere, dunkelhäutige Sani als er meine Hände begutachtete. Ich blieb stumm. Alby hatte mir befohlen, die Sannis aufzusuchen, um meine Hände verbinden zu lassen. Mein 'Aufpasser' war mir seit der Rückkehr aus dem Labyrinth nicht mehr von der Seite gewichen - Alby hatte es ihm bestimmt befohlen. "Hast echt Glück gehabt mit den Grievern", redete Jeff weiter und es knisterte, als er kleine Plastikpackungen aus einer Schublade zog. Newt neben mir schwieg ebenfalls und starrte nachdenklich auf einen Punkt in der Ferne, den nur er sehen konnte. Er schien kaum besorgt um mich, er war nur mitgekommen weil Alby es ihm befohlen hatte. Weswegen sonst? Er war zweiter Anführer, es war schließlich seine Pflicht. Trotzdem... irgendetwas in mir wollte, das er sich Sorgen um mich machte. Nicht weil er musste, sondern weil er wollte. "Ist was?", fragte er irritiert und ich zuckte zusammen. Ich hatte nicht bemerkt, das ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte und lies den Blick nun zu Boden sinken. "Nein- nichts" Er konnte nichts von meinen Gedanken wissen, er würde es nicht verstehen. Außerdem würde er niemals Albys kostbare Regeln brechen - schon gar nicht für mich. Ich schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn, als ich Jeffs Blick bemerkte. "Was?" "Hast du dir vielleicht den Kopf gestoßen? Hingefallen?" "Nein? Warum?" "Du murmelst so vor dich hin, schüttelst den Kopf und scheinst weggetreten-" "Mir gehts gut. Wirklich", fügte ich hinzu und lächelte so überzeugend ich konnte. Jeff wechselte einen schnellen Blick mit Newt, bevor er meinen Unterarm ergriff und in die Luft hielt. "Na schön, ist ja dein Kopf. Zeit, deine Blasen zu verpacken"
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Verborgen im Schatten
Fiksi PenggemarY/n wacht an einem fremden Ort auf. Ohne Erinnerungen an ein Leben vor dem Schlaf. Eine Lichtung - voller Jungs, kein Mädchen unter ihnen zu entdecken. Zunächst wird sie eher unfreundlich empfangen, muss anzügliche Kommentare und dumme Sprüche über...