So etwa im Halbschlaf hörte ich ein fernes Donnergrollen und wollte mich herumdrehen, als mir etwas an der Nase kitzelte. Ich versuchte, es zu ignorieren, und doch es hörte nicht auf - schließlich hob ich grummelnd die Hand um mir übers Gesicht zu wischen, als ein zweites Etwas an meine Wange strich. Wütend riss ich die Augen auf und erschrak einen Moment, als ich nicht wie gewohnt die Zimmerdecke in Newts Hütte erblickte. Anstatt ihrer verbargen nun dunkle, fast schwarze Wolken den Himmel und erneut rumpelte es, dieses mal bedeutend näher. Die Schafe! Ich fuhr auf und blickte mich um, die Böcke grasten noch immer friedlich vor sich hin. Man könnte fast denken, das sie der nach dem bereits eingetretenen Niesel folgende Platzregen nicht kümmerte. Und nur noch weniger schienen sie von meinen Bemühungen, sie von der Weide zu treiben, zu halten. "Komm... schon!", keuchte ich angestrengt während ich einem der Böcke, den ich als Leitschaf auserkoren hatte, an den Hörnern zum Gatter ziehen wollte. Das Schaf hatte jedoch graste munter weiter, als plötzlich ein Blitz die Lichtung erhellte. Ein paar Sekunden später folgte Donnergrollen und ein Schauer lief mir den Rücken hinab, als der kalte Nieselregen auf meiner Haut zu kitzeln begann. Ich würde es nicht alleine schaffen, ich hätte nicht sagen sollen das ich mit sowas bereits Erfahrungen hatte. Suchend rannte ich zwischen den Böcken umher, auf der Suche nach dem Leitschaf, als ich bei einem großen innehielt. "Endlich!", rief ich erleichtert, als ich das Schaf erkannte, das vorher voraus getrottet war und sich zu mir an den Weiher gesellt hatte. "Na komm", lockte ich es und riss ein paar Kräuter neben dem Gatter ab, um das Tier zurück zum Stall zu leiten. Erfreut begann es, mir hinterher zu laufen und die anderen Schafe auf der Weide hoben den Kopf, bevor sie laut meckernd ihrem Leittier folgten. Der Regen wurde immer dichter und ich konnte kaum noch etwas sehen, als ich endlich den Stall der Männchen erblickte. Rasch entriegelte ich die Tür, als die Schafe auch schon wie von selbst ins Trockene marschierten. Hastig warf ich das Tor zu und schloss es mit dem großen, dicken Seil ab. Fest zog ich daran um die Beständigkeit zu testen und als es nicht nachgab, sah ich mich etwas verloren auf der Lichtung um. Ein paar ihrer Bewohner rannten durch die langen, nassen Gräser hinüber zu den Planen, unter denen es sonst Essen gab, um Schutz zu suchen. Kurzerhand beschloss ich, mich ebenfalls dort ins Trockene zu Retten. Ich war gerade zwei Meter weit gekommen, als über mir ein schrecklich lautes Krachen ertönte und als es hell wurde, warf ich mich rasch auf den Boden, die Hände über dem Kopf. Das nasse Gras durchweichte meine Klamotten und ich begann zu zittern, die Temperaturen waren schlagartig gefallen. Als ich die Augen öffnete, geriet sofort einer der drei großen Bäume neben dem Weiher in mein Blickfeld. Sein Stamm war in der Mitte durchgebrochen, der Blitz hatte ein wildes Feuer entfacht, dessen Flammen nun hoch in den Himmel züngelten. Der Platzregen, der daraufhin einsetzte, hinderte sie nicht, auf den zweiten Baum überzugreifen. Ich nahm die Beine in die Hand und rannte nun, so schnell ich konnte hinüber zu den Planen. Ich war auf offenem Gelände, ein leichtes Ziel für Blitze. Plötzlich fühlten sich meine Haare seltsamerweise leichter an und vorsichtig blickte ich auf. Ein paar trockene Strähnen standen senkrecht in die Höhe. Verwirrt hielt ich inne, ich war beinahe bei den anderen Lichtern angelangt, als plötzlich Schreie aus ihrer Richtung erklangen. "KOMM HER FRISCHLING!", brüllte Minho und überrascht senkte ich den Blick wieder. Warum sprach er mit mir? Das war das erste Mal seit Wochen, das er mich nicht ignorierte. "JETZT!" Newts aggressives Brüllen erhob sich über die lauten Rufe der anderen Lichter. So wütend hatte ich ihn noch nicht erlebt. Keuchend rannte ich zu ihnen unter die regenabweisenden Planen und wischte mir die Haare aus dem Gesicht. Aggressiv packte mich Newt am Arm und drückte mich auf eine Bank hinunter. "Verdammt hör auf das was man dir sagt!" Noch immer verstand ich kein bisschen, warum sich hier alle so fürchterlich aufregten. "Was war denn so schlimm?", fragte ich verwirrt und blickte zu Newt auf, der nun den Kopf schüttelte und mich mit einem Das-ist-doch-sonnenklar-Blick ansah. "Du wärst fast vom Blitz erschlagen worden wie die alte große Eiche!", rief Chuck hinter mir und ich drehte mich herum, um ihn sehen zu können. Um mich herum murmelten die Lichter noch immer und angestrengt versuchte ich mich auf Chuck zu konzentrieren. "Wie kommst du denn darauf?", fragte ich irritiert und Chuck sah mich mitleidig mit demselben Blick wie Newt vorher an. So langsam kam ich mir ziemlich dumm vor. "Wenn deine Haare anfangen zu schweben-", er hielt inne, um eine gespannte Pause walten zu lassen, als Minho seinen Satz unerwartet vervollständigte.
"-dann trifft dich der Blitz du Strunk!" "Och manno", zeterte Chuck und seine rotbraunen Locken wedelten, als er schwungvoll die Arme verschränkte. Ich war vielmehr erleichtert über die Tatsache, das der Hüter der Läufer wieder mit mir sprach, anstatt darüber, das ich einen möglichen Blitzschlag überlebt hatte. "Woher sollte ich das wissen?", nuschelte ich und starrte auf den Boden, in der Hoffnung ein Loch würde sich auftun und mich verschlingen. "Jetzt weißt du's", knurrte Minho und ich hob den Kopf. "Seit wann redest du wieder mit mir?" Kurz herrschte Stille, die nur vom Rauschen des starken Regenfalls durchbrochen wurde. Als sein bester Freund Ben antwortete, klang seine Stimme weit entfernt und ich strengte mich an, jedes Wort zu verstehen. "Wir geben dir die Schuld für die Verbannung unserer Freunde" Empört riss ich den Mund auf. "Gaben!", korrigierte Minho den Läufer rasch und ich schloss den Mund wieder, gespannt auf weitere Erklärungen. "Das war aber Mist, nicht wahr Minho?", fragte Newt hinter mir und der Hüter nickte. Sein Blick glitt flüchtig zu meinem linken Unterarm, dessen Ärmel ich hochgekrempelt hatte aufgrund der vorherigen Hitze des Tages. Ein paar Rädchen schienen sich hinter seiner Stirn unter Hochdruck zu drehen. "Es stimmt also - schaut ihren Arm an", sagte Minho laut und Gemurmel ertönte. "Es war wirklich nicht deine Schuld Frischling" Der Schlitzer, der mir vorhin die Schafherde überlassen hatte, nickte mir zu und ich lächelte kalt. "Das habt ihr ja alle schnell bemerkt" Betretenes Schweigen unter den Lichtern trat ein, was meinen Verdacht, das sie alle das Gleiche über mich gedacht hatten, bestätigte. Idioten.
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Verborgen im Schatten
FanfictionY/n wacht an einem fremden Ort auf. Ohne Erinnerungen an ein Leben vor dem Schlaf. Eine Lichtung - voller Jungs, kein Mädchen unter ihnen zu entdecken. Zunächst wird sie eher unfreundlich empfangen, muss anzügliche Kommentare und dumme Sprüche über...