15: Die Geburt

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Ich wollte schon den Mund öffnen, um betteln zu können hier zu bleiben, als Alby mir ein Zeichen gab, das es dringend war. "Keine Sorge Pfanne, ich bring sie dir gleich wieder" "Alles klar Chef", erwiderte der Koch und beschäftigte sich damit, in die perfekt geformten Bälle einen Schlitz hinein zu ritzen. "Was ist, Alby?", fragte ich vorsichtig, als er mich über die Lichtung zu führen begann. "Du kannst dich noch immer nicht an deinen Namen erinnern, nicht wahr?", fragte Alby und ich schüttelte den Kopf. "Bist nicht die Erste, Frischling" "Pfanne hat mir schon ein wenig erzählt", erwiderte ich und hörte Alby auflachen. Wir waren jetzt nicht mehr weit von den Ställen entfernt, was mich nur noch mehr verwirrte. Warum wollte Alby zu den Ställen? "Was machen wir hier?", fragte ich deshalb, als wir um die Ecke zum Stall der Jungtiere bogen. "Ich möchte-", er gab der Tür einen Stoß und winkte mich herein, "-das du eine Geburt mitbekommst" Mein Mund blieb angesichts seiner Worte und dem in der Ecke kauernden Schaf offen stehen. "Warum?" "Weil Newt, Winston und ich denken, das wir deinen Job auf der Lichtung gefunden haben" Mein Herz hüpfte freudig in meiner Brust, als ich seinen Worten lauschte. "Schlitzer?" "Nun, du darfst den angenehmeren Teil der Schlitzer machen. Tierpflege, Beaufsichtigung und Versorgung", antwortete Alby, während er vor dem Schaf in die Hocke ging. und ich es ihm gleich tat. Schlitzer. Das war vermutlich das, wozu ich hier bestimmt war. "Gleich gehts los", erklang plötzlich eine Stimme hinter uns und Winston kniete sich vor das nun liegende Schaf und begann, den gewölbten Bauch abzutasten. Kurz verharrten wir in Stille vor dem nun leise meckernden Schaf. Plötzlich ging alles ganz schnell: "Die Fruchtblase ist geplatzt!", rief Winston aufgeregt und angespannt beobachtete ich das Schaf, dessen Bauch sich nun in einer Art Wellen zu bewegen schien. Jetzt erhob sich das Schaf und begann, seinen Körper zu beschnuppern auf der Suche nach ihrem Jungen. Nur etwas Fruchtwasser hatte bis jetzt das Tageslicht erblickt, das sich rasch vervielfachte. Winston lehnte sich nun an die Wand und Alby tat es ihm gleich. Ich folgte dem Schaf durch den Stall und es hinterließ eine Spur aus Fruchtwasser, das es versuchte aufzulecken. Ich wollte gerade wegschauen, als plötzlich zwei Klauen des Lamms zu erkennen waren. "Die Beine!", rief ich aufgeregt. Das Schaf meckerte laut und machte erneut zwei Schritte, als auch schon der Kopf des kleinen Tieres zu sehen war. Erstaunt beobachtete ich mehrere Minuten unruhig das gebärende Schaf, während immer mehr ihres Babys sichtbar wurde. Doch nun geschah auf einmal nichts mehr. Irritiert blickte ich zu Winston, der mich nur angrinste. "Die Austreibungsphase kann bis zu 50 Minuten dauern, also eine Weile" Ich hörte meinen leeren Magen deutlich knurren. "Keine Sorge, der Kopf ist schon zu sehen. Du bekommst noch zeitig genug was zum Essen", schmunzelte Alby und ich wollte schon den Mund öffnen, als Albys Blick wieder zum gebärenden Schaf glitt und der meine folgte ihm sogleich. Unruhig beschnupperte das Schaf seinen Hinterleib, als plötzlich eine weitere 'Welle' ihren Bauch ergriff und nun die Schultern sichtbar waren. Alles ging nun ganz schnell: der Rest des kleinen Körpers flutschte aus dem Leib seiner Mutter und es landete auf dem Boden. Das Schaf hatte kurzes, weißes Fell, das noch mit Fruchtwasser verklebt war. "Aw", machte ich, als die kleinen Knopfaugen sich öffneten und die Mutter begann, es zu beschnuppern. Winston kniete sich vor das kleine Geschöpf und begann, es zu untersuchen. "Scheint gesund, es wird sich bestimmt gut entwickeln" Ich lächelte erleichtert. "So Frischling, geben wir ihnen nun etwas Privatsphäre und machen uns an die Arbeit"

"Nimm die Platten gleich mit raus", wies Pfanne mich gerade an und ich ergriff so viele Holzbretter gefüllt mit Wurstscheiben aller Art, wie ich tragen konnte. Es war nicht einmal so viel Zeit vergangen, seit ich die Küche verlassen hatte, um mir die Geburt des Lamms mit Alby anzusehen. Wie vorhin zog ich einige Blicke auf mich, als ich durch den Vorhang trat um die Platten auf den Tischen zu verteilen. "Morgen Frischling", erklang es neben mir und ich identifizierte Gallys Stimme sofort. "Morgen", erwiderte ich, krampfhaft versucht freundlich zu bleiben, um keinen Streit so früh am Morgen zu provozieren. "Hast schon was vor heute?" Die anderen Baumeister am Tisch lachten. Gekonnt sah ich über seine Frage hinweg und begab mich zu den nächsten Tischen, um die restlichen Platten zu verteilen. "Das wars, du kannst dich zum Essen setzen", sagte Pfanne, als ich wieder durch den Vorhang trat. "Setz dich doch zu uns", bot er an, während ich ihm durch die bereits voll besetzten Tischreihen folgte. "Danke Pfanne", seufzte ich erleichtert, als wir uns auf den freigehaltenen Plätzen niederließen. Denn weder neben Newt, Minho oder Chuck, noch bei Winston war noch ein Platz frei und ich hätte mich zu komplett fremden Lichtern setzen müssen. Womöglich zu Gally. "Okay Freunde, dann haut rein", begann und beendete Alby seine kurze Einladung zum Essen und sofort begann wildes Geklapper des Geschirrs. Auch ich ergriff eine der Semmeln und bestrich sie mit Butter, bevor ich den Käse hinauf legte. Noch immer fühlte ich mich unwohl dabei, das Fleisch der Tiere von hier zu essen. Herzhaft biss ich in meine Semmel und ein köstlicher Geschmack breitete sich in meinem Mund aus. Er befriedigte meinen Hunger bereits etwas und hastig schluckte ich den Bissen hinunter, bevor ich den nächsten nahm. Wer wusste schon, was es zum Mittag gab? So wie ich die Lichtung bereits kannte, bestimmt irgendwas mit Fleisch. "Waf gibf fum Mittagefm?", schmatzte ich mit vollem Mund und drehte mich zu Pfanne, der ebenfalls an einem Stück seiner Salamisemmel kaute und gerade schluckte. "Noch während dem Frühstück nach Mittagessen fragen" Pfanne schüttelte belustigt den Kopf und ergriff eine der Gurkenscheiben. "Vermutlich Kartoffeln mit Steak", antwortete er schließlich auf meine Frage während er sich das Gemüse genießerisch in den Mund schob und ich nickte. Kartoffeln allein reichten auch. Ich konnte ja ein wenig vom Steak kosten. Mal sehen.

"Frischling", rief es plötzlich aus den Grüppchen, die sich nach dem Essen gebildet hatten und ich verrenkte den Kopf um zu sehen wer nach mir gerufen hatte. Jetzt drängelte sich Alby zu mir hindurch und ich fragte mich, was er zum zweiten Mal an diesem Tag von mir wollte. Schließlich hatten wir gerade erst gefrühstückt. "Deine Ausbildung beim Kochen ist abgebrochen" Verwirrt zog ich die Stirn kraus. "Warum?" Mir hatte die Arbeit hier echt Spaß gemacht und ich konnte ja wenigstens noch den Tag heir verbringen, bevor ich morgen mit meiner Arbeit als Schlitzerin begann. "Winston will, das du den Nachmittag die Ställe ausmistest weil es in den nächsten Tagen mehrere Geburten geben wird. Er braucht deine Hilfe Frischling", setzte er noch hinzu als ich bereits widersprechen wollte. "Aber ich-" "Keine Widerrede" Mit diesen Worten verschwand Alby hinter dem Vorhang zur Küche, vermutlich um Pfanne Bescheid zu geben. Wie schade, ich hätte gerne den Tag noch hier verbracht bevor es ernst wurde, schließlich wäre dies mein letzter Probetag gewesen.

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