47: Das Heilmittel

379 18 0
                                    

"Wehe du wachst auf", murmelte ich nachdenklich und beobachtete weiterhin das reglose Mädchen. Vor ein paar Minuten war die Gruppe aus dem Labyrinth zurückgekehrt mit einem metallenen 'Schlüssel', wie Thomas es genannt hatte. Newt war sofort auf die neue Versammlung verschwunden und hatte mich erneut allein mit zwei Patienten gelassen, genauso wie Clint und Jeff. "Alles war so perfekt ohne dich", murmelte ich und ging vor dem Mädchen in die Hocke. Sanfter Atem wehte ihre Haare aus dem Gesicht und ich biss die Zähne zusammen. Sie sollte nicht hier sein, das spürte ich ganz deutlich. Wegen ihr war die Box nicht wieder runtergefahren und sie kannte Thomas. Die Erschaffer mussten sie womöglich als Endbotschaft schicken. Noch während ich mich näher an das Mädchen beugte, fing plötzlich ein Schimmern aus dem Augenwinkel meinen Blick. Neugierig drehte ich den Kopf und erblickte zwei silberne, kleine Rohrenden in der rechten Hosentasche des Mädchens. Prüfend warf ich einen Blick auf ihr Gesicht und kurz schien es, als würden ihre Augenlider zucken. Bestimmt hatte ich mir das nur eingebildet. Langsam streckte ich den Arm nach dem Glitzern aus, als das Mädchen sich plötzlich ruckartig bewegte. Grob packte sie mein Handgelenk, drehte es in einen unnatürlichen Winkel und sprang auf. "AU", schrie ich und streckte mein Bein aus, um sie am Flüchten zu hindern. Mit einem dumpfen Knall stolperte sie über meine Gliedmaßen und fiel zu Boden. "Lass mich IN RUHE!" Ihre Stimme war hoch und weich und den Blick, den sie mir nun zuwarf war minder sanft. Sie war nicht zum Kämpfen gemacht. Blitzschnell packte ich ihren Unterarm doch in der nächsten Sekunde bereute ich es auch schon. Wütend riss sie ihre Hand hoch und ihre Nägel fuhren quer über mein Gesicht. Brennende Schmerzen schossen über meine Wange und ich trat kräftig nach dem Mädchen, was sie zurück stolpern lies. Rasch sprang ich auf und wollte sie festhalten. Aggressiv griff sie nach meinen Haaren und riss an ihnen. "Lass mich los!", fauchte ich wütend und versuchte, nach ihr zu treten. "Was zur Hölle-" Mit Erleichterung erkannte ich Jeffs Stimme hinter uns. Nur für den Bruchteil einer Sekunde lies ich locker. Sofort sprang das Mädchen auf, sties mich und die zwei Sanis aus dem Weg und rauschte aus dem Zelt. Schwer atmend rappelte ich mich auf und Jeff starrte mich mit offenem Mund an. "Geht zu Thomas- sagt- sagt Thomas Bescheid", keuchte ich und nach kurzem Zögern rannten die beiden Sanis wieder aus dem Zelt. "Verdammte kleine Hexe", zischte ich und betastete vorsichtig meine Wange, die noch immer wie verrückt brannte. Kämpfen konnte sie, wenn auch aus Panik um ihr Leben. Plötzlich hörte ich erneut Schritte und erkannte erleichtert Newts Gesicht, der rasch durch den Eingang gerannt kam. "Das Mädchen! Wo ist s- was ist denn mit dir passiert?", unterbrach er sich selbst und war in zwei Schritten bei mir. "Aufgewacht ist sie", knurrte ich und ein wissender Ausdruck trat auf sein Gesicht, während er seine Hände sanft auf meine Taille legte. "Ach und sie hat meinen starken kleinen Frischling überwältigt?" "Ich hatte alles unter Kontrolle, Clint und Jeff sind einfach zum falschen Zeitpunkt aufgetaucht", knurrte ich und versuchte, mich aus Newts Griff zu befreien, der nun noch stärker wurde. "Ich weiß" "Und ich kann nichts dafür das sie an meinen Haaren zieht!" "Ich weiß" "Und sie hatte den Überraschungsmoment be-" Ich verstummte überrascht, als Newt seine Lippen auf meine drückte und seine Hand legte sich an meinen Hinterkopf, um den Kuss zu intensivieren. Mein Herz flatterte wie ein aufgeregter Vogel in meinem Brustkorb, während ich meinen Mund öffnete und unsere Zungen sich liebevoll umschlangen. Erst jetzt fiel mir auf, wie sehr mit die Nähe zu dem blonden Jungen gefehlt hatte. Als sich unsere Lippen lösten, zierte ein glückliches Lächeln Newts Gesicht. Seine Augen funkelten, während er sanft mit seinen Fingern durch meine Haare kämmte. Er schien mir unterbewusst zu signalisieren, dass ich mir wegen ihm und dem Mädchen keine Sorgen machen musste. Die Beziehung, die wir teilten, war einzigartig und unersetzlich. Laute Rufe von der Lichtung schallten in jenem Moment zu uns herüber und ich seufzte leise. Man konnte hier nicht einmal für fünf Minuten seine Ruhe haben. "Lasst mich in Ruhe!" Die Stimme des Mädchens war aufgrund der Entfernung leise, aber sie klang bestimmt und wütend. Sie hatte genau im gleichen Tonfall mit mir 'gesprochen'. "Na komm" Newt lies seine Hände fallen und warf mir einen letzten Blick zu, bevor er sich herumdrehte und aus dem Zelt rannte. Rasch folgte ich ihm und wir staunten nicht schlecht, als wir das sich uns bietende Szenario erblickten. Das Mädchen saß auf einem der Hochsitze und warf wütend Sachen herunter auf die Lichter, die versuchten sie zu beruhigen. Chuck stand in etwas Entfernung und lachte sich schlapp. "Wirf noch so ein Teil und- AAH!" Gally wurde von einem Apfel getroffen und duckte sich beleidigt unter einen großen Kessel. Newt riss hastig den breiten Deckel einer Obstkiste nach oben und zog mich an sich. Sofort hagelte die nächste Fruchtwelle auf die Lichtung und nur knapp konnte ich einer Orange ausweichen. "Wir wollen dir nur helfen!", schrie Winston doch das Mädchen schien nicht besonders begeistert, eher im Gegenteil. "LASST MICH IN RUHE" Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr und als ich den Kopf drehte, hatte Thomas bereits den Mund geöffnet. "Hey!THOMAS! Ich- HIER IST THOMAS" Urplötzlich stoppten die Früchte und gebannt blickten wir hinauf. Das Mädchen streckte mit einem verzerrten Gesichtsausdruck den Kopf über den Rand der Plattform und starrte zu uns hinunter. Thomas hob die Hand um sich bemerkbar zu machen und rief: "Okay ich komm dann jetzt rauf!" Das Gesicht verschwand. "Ich geh allein" Gallys Blick war so aggressiv, dass ich meinte er würde den Frischling jeden Moment an die Kehle springen. Dieser jedoch kletterte jetzt unbeschadet die Leiter hinauf und verschwand auf der Plattform. Newt und ich warfen uns einen vielsagenden Blick zu. Die zwei wussten mehr als sonst irgendwer und nun war das Mädchen wach und bereit, Informationen zu geben. Eine Weile geschah nichts und die ersten Lichter verschwanden bereits, um ihren Aufgaben nachzugehen. Newt lies den Deckel fallen und stemmte die Arme in die Seiten. "Wie sieht's n da oben aus?", rief er laut und Thomas leicht genervtes Gesicht erschien am Geländer. "Hör zu gebt uns einfach noch ne Sekunde okay?" Newt rollte mit den Augen und hob die Arme, als Thomas sich wieder Teresa zuwandte. "Okay Leute- kommt schon- hopp hopp geben wir ihnen einfach noch ne Sekunde", äffte er den Frischling nach und die letzten Lichter zogen mit enttäuschten Gesichtern ab. "Du solltest auch noch etwas arbeiten, Winston hat mich schon angeschaut als müsste er sich bei mir beschweren", grinste Newt und ich verzog das Gesicht. "Leiste deinen Beitrag" Der blonde Junge nahm sanft meine Hand und ich seufzte, während ich in seine braunen Augen blickte. "Aber w-" "NEWT. NEWT!" Wir fuhren hastig auseinander, als Thomas aufgeregte Stimme hinter uns erklang und im nächsten Moment stand der schwarzhaarige Junge auch schon neben uns. Ein aufgeregter Unterton schwang in seiner Stimme mit als er zu sprechen begann. "Teresa hatte die in ihrer Tasche als sie hochkam!" Er streckte Newt die zwei kleinen Metallröhrchen entgegen, die auch ich schon in der Hosentasche des Mädchens entdeckt hatte. Teresa hieß diese Furie also. "Ich denke es ist ein Heilmittel", hörte ich nun ihre Stimme und vorsichtshalber trat ich etwas hinter Newt, nur für den Fall. Sie bedachte mich nur kurz mit einem entschuldigenden Blick, bevor sie wieder den zweiten Anführer ansah. "Ein Heilmittel für was?", wollte der jetzt wissen während er die blaue Flüssigkeit in den Gläschen umher schüttelte. "Für Alby" Überrascht blickte der blonde Junge Thomas an, der immer wieder in Richtung Sani- Zelt sah. "Ich denke es könnte ihn retten" Mit diesen Worten nahm er Newt die zwei kleinen Röhrchen aus der Hand. Dieser kratzte sich jetzt nachdenklich am Hinterkopf und blickte in Richtung Zelt. Ohne ein weiteres Wort rannte Thomas los und Teresa folgte ihm. Kurz blickte Newt zu mir herab. "Ob sie die Wahrheit sagen?" Ich verstand sein Misstrauen, denn beide Frischlinge schienen definitiv etwas zu verheimlichen - ob man ihnen trauen konnte, wusste Keiner so recht.

Verborgen im SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt