Andrej [6]

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Während sich die Tage auf See mit der Mannschaft der Wellenbrecher wie ein kleines Paradies angefühlt hatten, waren die Tage auf der Attika, dem Schiff der Piraten, meine persönliche Hölle. Nicht nur musste ich ständig wachsam sein, denn ich traute jedem dieser Tunichtgute zu, dass sie sich Cara oder Prinzessin Isabel zu nähern versuchen würden, sondern ich gab mir aller größte Mühe, dem Kapitän des Schiffes aus dem Weg zu gehen.

Beides hatte sich bisher als leichter entpuppt, als ich erwartet hatte, dennoch würde ich meine Bemühungen deshalb nicht einstellen. Schließlich war das genau meine Aufgabe: Die Prinzessin schützen. Ich war ungemein froh, dass ich nicht eine ganz andere Rolle einnehmen musste, wie zum Beispiel Cara.

Die junge Gräfin gab sich viel Mühe, was ich ihr hoch anrechnen musste, doch ihr Erfolg rührte eher daher, dass niemand ihr Beachtung schenkte, als dass sie eine sonderlich gute Schauspielerin war. Ganz anders jedoch verhielt es sich mit Yan, der mit stolz geschwellter Brust umherlief, Isabel wegen ihres Verhaltens kritisierte – nichts neues – oder mit Drysden über Finanzen und das Wetter diskutierte.

Oder er versuchte es. Der Baron litt die meiste Zeit an üblen Magenverstimmungen oder sah aus, als würde er sich gleich übergeben müssen. Der unbestreitbare Vorteil darin war der, dass sich niemand ihm näherte, er also auch nichts verraten konnte. Nur einmal hatte ich den Kapitän bei ihm gesehen, doch hatte er sein Verhalten danach nicht geändert, also musste Drysden wohl seinen Teil überzeugend gespielt haben.

„Ahoi, meine Gräfin. Der Käpt'n schickt mich."

Ich stand, wie immer, ein paar Schritte entfernt, während einer der bevorzugten Männer des Kapitäns mit einer ungeschickten Verneigung vor die Prinzessin trat. In den letzten Tagen hatte es sich etabliert, dass Isabel am Bug des Schiffes stand und von dort aus gewissermaßen Hof hielt. Cara lümmelte in einer Ecke und gab ihr bestes, ein Stück Stoff zu flicken. Wieder dankte ich den Göttern für die Unaufmerksamkeit der Piraten, denn Cara arbeitete an demselben Stück, seit wir das Schiff betreten hatten.

Interessiert trat ich einen kleinen Schritt näher, was mir prompt einen vorsichtigen Blick des Piraten einbrachte. Isabel folgte seinem Blick mit einem kleinen Lächeln, dann wandte sie sich ihm vollends zu, die Haltung eine Mischung aus elegant und entspannt, wie sie viele Damen bei Hofe bevorzugten, wenn sie mit jemandem unterhalb ihres Ranges sprachen.

„Was will denn der Kapitän, Benno?"

Ich war mir ziemlich sicher, dass der Mann unter seinem struppigen blonden Bart rot wurde, als Prinzessin Isabel ihn bei Namen nannte. In den letzten Tagen hatte sie den armen Mann um den kleinen Finger gewickelt, sodass ich fast erwartete, dass er versuchen würde, sie davon zu überzeugen, mit ihm zusammen Reißaus zu nehmen. Es hatten den armen Kerl schwer erwischt, so viel stand fest.

„Er möchte, dass ich euch sage, dass wir heute Abend noch anlegen werden. Wir gehen dann an Land, wir hab'n da ein paar nette Hütten für die Nacht. Vielleicht feier'n wir auch 'n bisschen, falls wir noch was vom Rum da hab'n. Der Käpt'n will dann morgen den Vertrag zur Überschreibung hab'n."

Isabel nickte, dann schenkte sie ihm ein kleines Lächeln.

„Eine Feier also. Ist euer Rum sehr gut?"

Der Mann lachte und trat einen Schritt vor. Ich tat es ihm gleich und genoss, wie er erschrocken zwei Schritte zurücktrat, bevor er sich eifrig an die Prinzessin wandte.

„Unser Rum ist der beste, Miss, dass kann ich Euch versprech'n. Deswegen kann euer Anwalt sich Zeit lass'n, wir steh'n bestimmt nicht früh auf."

𝚃𝚑𝚎 𝙴𝚖𝚎𝚛𝚊𝚕𝚍 𝚂𝚎𝚊Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt