Yan [10]

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„Ich will ja nicht pessimistisch klingen, aber Drysden erscheint mir nicht wirklich fröhlicher als gestern."

Ich verdrehte bloß die Augen und schob den leeren Teller von mir.

„Großartig geschlussfolgert, Cara. Was entdeckst du als nächstes? Vielleicht, dass unsere Prinzessin aussieht, als hätte sie eine Zitrone verschluckt?"

Der Blick, den sie mir zuwarf, konnte man nur als mörderisch bezeichnen. Aber sie sagte nichts, denn ich hatte Recht. Nicht nur Drysden hatte das Frühstück mit hartem Blick aufgesucht, auch Isabel schien verstimmt. Wenn ich wetten müsste, dann würde ich sagen, dass ihr plötzliches Verschwinden am Vortag damit zusammenhing.

Und ich musste zugeben, so schadenfroh ich auch war, dass die beiden sich wohl anscheinend in die Haare gekriegt hatten – etwas anderes konnte ich mir nicht vorstellen – behagte mir der Gedanke nicht, denn dies war der denkbar schlechteste Zeitpunkt. In nur wenigen Tagen würden wir auf einem Schlachtfeld stehen, auf allen Seiten umringt von Menschen wie Fae, die unseren möglichen Tod bestimmt nicht beweinen würden. Da mussten wir nicht auch noch untereinander Probleme haben.

„Isabels Plan, mit ihm zu reden, wird dann wohl nichts."

Stumm nickte ich zu Andrejs Worten, Cara stieß nur ein gequältes Seufzen aus. Gemeinsam beobachteten wir, wie Drysden und Isabel schweigend und mit nennenswertem Unterschied nebeneinanderstanden, während Nyan auf sie einzureden schien. Er hatte beide vor wenigen Minuten zu sich gerufen und damit die angespannte Stille am Tisch zerstört. Dafür war ich ihm unwahrscheinlich dankbar, auch wenn ich fürchtete, dass seine gerunzelte Stirn und die wilden Gesten nicht auf erfreuliche Nachrichten hinwiesen.

Das schienen auch die umliegenden Fae zu denken, die unseren Tisch den gesamten Morgen über mit Argwohn gemustert hatten, und nun offen zu dem ungleichen Trio hinsahen. Ein paar von ihnen hatten sogar das Besteck abgelegt, um besser lauschen zu können. Anscheinend eine Gemeinsamkeit von Menschen und Fae.

Als Bewegung in die Gruppe kam, beeilten die meisten Fae sich aber, so zu tun, als wären sie nur mit sich selbst beschäftigt. Währenddessen stapften Drysden und Isabel zu uns herüber, die Mienen noch düsterer als zuvor.

„Esst auf, wir müssen los", teilte Drysden uns knapp mit, während er seinen leeren Teller vom Tisch nahm.

Ich verdrehte die Augen, da ich nun wirklich keine Lust hatte, hinter den beiden herzurennen, während sie offensichtlich sauer waren. Dann aber erhob ich mich mit knackenden Knien und warf Andrej eine kleine Grimasse zu, der ächzte, während er sich hochstemmte. Bei der Menge an Muskelmasse, die er mit sich herumschleppte, war es kein Wunder, dass es ihm schwerfiel, an den niedrigen Tischen zu essen und zu sitzen.

Cara schob sich eine letzte Erdbeere in den Mund, dann beeilte sie sich, zu uns aufzuschließen. Die Teller waren schnell weggebracht, doch Drysden und Isabel schienen darauf erpicht zu sein, uns heute davonzulaufen. Schon nach ein paar wenigen Minuten, die wir mit Nyan an der Spitze durch den Wald eilten, wünschte ich mir eine Pause. Auch Andrej und Cara waren sichtlich erschöpft, wenn man sein lautes Schnaufen und ihren hochroten Kop betrachtete.

Endlich schien das auch der Spitze unserer kleinen Prozession aufzufallen, denn sie wurden langsamer, sodass wir aufholen konnten. Ohne zu zögern harkte Cara sich bei Isabel unter. Sie warf mir einen vielsagenden Blick zu, dann ließ sie sich mit einer protestierenden Isabel weiter zurückfallen.

Ein wenig ratlos sah ich ihr dabei zu, bis sie schließlich nach vorne nickte. Dort hatte Andrej sich neben Drysden eingereiht und den Kopf dabei gesenkt, um leise auf den Baron einreden zu können. Am liebsten hätte ich die Arme verschränkt, denn an mir blieb die Aufgabe hängen, den Fae zu beschäftigen, der noch immer einige Schritte vorauslief.

𝚃𝚑𝚎 𝙴𝚖𝚎𝚛𝚊𝚕𝚍 𝚂𝚎𝚊Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt