Isabel [II]

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Der Tag nach meinem Rekrutierungsgang, wie mein Vater meine vielen Ausflüge beim anschließenden Dinner nannte, verlief ruhig. Ich schlief, bis die Sonnenstrahlen mich wachkitzelten und zog mich dann in Ruhe an. Wie zu erwarten stand Andrej neben meiner Tür und begleitete mich ins Speisezimmer. Später dann ließ ich mich von Drysden in der Kunst des Schwertkampfes unterrichten und genoss den Anblick seiner Rückenmuskulatur, als er einen kleinen Probekampf gegen eine Schlosswache kämpfte.

Dabei kam ich nicht umhin, die Kontrolle, die er über beide Schwerter hatte, zu bestaunen. Ich konnte kaum zwei Messer gleichzeitig führen, aber zwei Schwerter? Es ergab für mich einfach keinen Sinn, weshalb er nicht mehr an Iwos Seite kämpfte. Mein Bruder hatte ihn wohl unmöglich kampflos aufgegeben.

Am Nachmittag quälte ich mich dann durch Mathematik, wohlwissend, dass Drysden mit Absicht Steuerrechnung gewählt hatte. Er wusste genau, dass ich es hasste. Bestimmt war das seine Rache für meinen Kommentar über einen Fleck auf seinem Katana. Am Abend aß ich dann allein Dinner, denn mein Vater hatte noch ein wichtiges Treffen mit seinem Kabinett, und zog mich dann früh zurück, denn Lady Penelope hatte sich für den frühen Morgen angekündigt, um mir das Kleid zu präsentieren.

Das Kleid stellte sich als bodenlang und von hellblauem, leichten Stoff heraus. Das Brustteil war mit kleinen Stickereien versehen und bestand aus einem festeren Material, um so Halt zu garantieren. Die Träger waren breit, doch es offenbarte immer noch einen Teil meiner Schulter und meine Arme, was nur zu solchen Anlässen geduldet wurde. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte das sicherlich zu einer Blamage des Königshauses geführt und man hätte mich in ein Kloster verbannt, um dort Sühne zu leisten. So viel zum Thema Gleichberechtigung, mit dem mein Vater sich so gerne schmückte.

Danach hieß es warten für mich. Denn ich musste noch einige Stunden überstehen, bis ich in die Bibliothek gehen konnte. So wanderte ich, trotz der Hitze, durch die Gärten und unterhielt mich mit ein paar Damen, denen ich begegnete. Dabei ließ ich mich von ihren Gerüchten unterhalten. So war zum Beispiel Yan van Statten einmal mehr das Thema des Tages, denn anscheinend hatte Baronin Wincyster einen weiteren Versuch gestartet, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Natürlich erfolglos. Graf Druin, ein junger Mann aus dem Norden und Freund von Drysden, war während eines Jagdausfluges verschwunden und ein paar Stunden später, wie eine von Caras Freundinnen mir leise zuflüsterte, mit verzückter Miene und rosigen Wange zurückgekehrt.

Schon seit ein paar Monaten kursierten Gerüchte über die junge Frau, die dem sonst so korrekten Grafen den Kopf verdrehte. Doch wie auch sonst schwieg Drysden bei dem Thema wie ein Grab, wann auch immer ich ihn auf einen seiner Freunde ansprach. Dennoch nahm ich mir vor, es noch einmal zu versuchen. Denn auch ich war neugierig, wer die Glückliche war.

Während des Mittags schob ich den Salat auf meinem Teller hin und her, vor Nervosität und Aufregung kaum in der Lage, etwas zu essen. Doch schließlich zwang ich den Rest herunter und verabschiedete mich von meinem Vater, der mich mit einer Mischung aus Stolz und Belustigung betrachtete. Ihm war bestimmt klar, wie viel diese Mission für mich bedeutete, auch wenn sie für ihn nicht von Bedeutung war.

Mit schnellen Schritten eilte ich durch die langen Flure und einige Treppen hinauf, bis ich die großen Türen der Bibliothek erreichte. Sie stand ein Stück auf und ich spürte, wie mein Herz einen nervösen Sprung tat. Drysden ließ sie immer aufstehen, wenn er jemanden erwartete. Doch ich trat nicht sofort ein, sondern atmete noch einmal tief durch, straffte die Schultern und versuchte, möglichst ruhig auszusehen. Ich sollte schließlich eine Mission leiten.

Andrej öffnete die Tür wie selbstverständlich für mich und ich trat durch eine erste Reihe Regale, um dann in einen großen Raum zu treten, in dessen Mitte einige Tische bereitstand. Und an einem dieser Tische, inmitten von vielleicht fünf dicken Büchern und drei Weltkarten, saß Drysden. Er sah nicht auf, als ich näher an ihn herantrat, sondern schrieb etwas in ein kleineres, noch zu großen Teilen unbeschriebenes, Buch.

𝚃𝚑𝚎 𝙴𝚖𝚎𝚛𝚊𝚕𝚍 𝚂𝚎𝚊Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt