𝐬𝐞𝐜𝐡𝐬 / Liz

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𝐌𝐈𝐒𝐒 Briggs, Miss Briggs ...", seufzte Professor Slughorn und betrachtete das lange Pergament in seine Hand mit einem traurigen Kopfschütteln. „Was soll ich nur mit Ihnen machen? Ich sehe keine Verbesserung zum letzten Jahr und da habe ich sie wirklich mit zwei zugedrückten Augen bestehen lassen."

Liz drehte nervös und gleichzeitig beschämt den Ring an ihrem Finger hin und her. Schon wieder hatte sie eine schlechte Zensur bekommen und es war schon der dritte Aufsatz in diesem Jahr. Sie wusste nicht, woran es lag oder was sie falsch machte.

Sie wusste, dass Professor Slughorn ein großes Herz hatte und niemals jemanden durchfallen ließe, wenn es auch nur den kleinsten Grund oder die unwichtigste Sache gab, warum der Schüler bestehen konnte, doch sie fühlte sich schuldig und wollte seine Gutmütigkeit nicht ausnutzen.
Es musste ein schreckliches Gefühl sein, einen Schüler jahrelang dabei zuzusehen, wie er im eigenen Fach versagte und ihm nicht helfen zu können.

„Es ist wirklich an der Zeit, dass Sie sich Hilfe suchen", meinte er und legte den misslungenen Aufsatz auf sein Pult, „Kennen Sie jemanden, der gut in Zaubertränke ist? Einen Freund oder sonst wer aus der siebten Klasse?"

Liz dachte kurz nach. Sirius war in so ziemlich jedem Fach gut, doch er hatte ihr ja deutlich gemacht, dass er seine Zeit damit nicht verschwenden wollte. Sie schüttelte den Kopf. „Niemanden, der dazu bereit wäre", murmelte sie und sah ihm nicht in die Augen. Er kannte sie lange genug, um zu wissen, dass sie keine Freunde hatte, schließlich unterrichtete er sie seit sechs Jahren nicht nur in Zaubertränke, sondern war auch ihr Hauslehrer.

„Nun ...", nachdenklich runzelte Slughorn die Stirn und fuhr sie über die schwabbeligen Wangen, „Ich wüsste, wer dir eine große Hilfe sein könnte. Lily Evans wäre meine erste Wahl, sie ist wirklich ausgezeichnet in Zaubertränke." Er tippte sich ans Kinn und starrte in die Leere. „Allerdings hat sie als Schülersprecherin schon genug am Hals ... Severus Snape ist doch einer ihrer Klassenkameraden, oder nicht?", rief er plötzlich aus und lächelte Liz an. Zögernd nickte diese und bekam ein ungutes Gefühl im Bauch. „Mr Snape ist ebenso hervorragend in diesem Fach. Wie wär's, wenn Sie ihn um Hilfe bitten?"

„Ich - ich weiß nicht, ich denke nicht, dass er ..."

„Ach Papperlapapp, Miss Briggs. Er wird Ihnen gerne helfen, wenn sie ganz lieb fragen."

Mit diesen Worten beendete er das Gespräch und schob Liz aus dem Kerker, vor dem bereits ungeduldige Zweitklässler warteten, die in ihre nächste Stunde wollten. Verdattert wurde Liz von ihnen zur Seite geschubst.

Nur langsam konnte sie sich in Bewegung setzen und Richtung Slytherin-Gemeinschaftsraum staksen.

Ausgerechnet Severus Snape schlug Slughorn ihr vor. Er würde ihr auf keinen Fall helfen wollen, er konnte sie nicht ausstehen. Doch andererseits mussten ihre Noten wirklich besser werden und ohne Hilfe würde sie das nicht schaffen. Die Angst kroch ihr den Nacken hinauf. Wie ging man auf jemanden zu, den man seit Jahren kannte, aber nicht mehr als drei Wörter mit ihm gewechselt hatte? Das würde die wohl unangenehmste Situation ihres Lebens werden.

Sie sagte vor der Steinmauer das Passwort Superbia und trat gedankenverloren durch die Öffnung.
Ob es überhaupt Sinn machte Snape nach Hilfe zu fragen, wenn er sie sowieso abweisen würde? Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Wusste sie denn zu 100 Prozent, dass er sie abweisen würde? Was, wenn er ja sagen würde? Was, wenn sie ihn nicht fragen würde und die einzige Chance auf einen besseren Abschluss verpassen würde, weil er doch zugestimmt hätte und ihr geholfen hätte?

Sie konnte ihr Zukunft nicht wegen ihrer Angst vor anderen Leuten aufs Spiel setzen.

Sie musste damit anfangen, über ihren Schatten zu springen, wenn sie etwas ändern wollte. Und sie wollte etwas ändern, sie wünschte sich nichts mehr, als die siebte Klasse mit wenigstens halbwegs guten Noten zu bestehen. Auch, wenn sie dafür Severus Snape um Hilfe bitten musste.

Als sie den Gemeinschaftsraum betrat, blieb sie überrascht stehen. Snape saß alleine in einem Lehnstuhl vor dem riesigen Glasfenster, das in das grünliche Wasser des Schwarzen Sees zeigte, als würde ihr das Universum ein Zeichen geben.

Hin und wieder lugte der Riesenkrake durch die Scheibe und beobachtete die Schüler, wenn sie sich am Abend die Zeit vertrieben, doch jetzt am Nachmittag sah man nichts als Algen und kleine Fische.

Zögerlich ging Liz auf Snape zu, der so sehr in seine Arbeit vertieft war, dass er sie nicht bemerkte.
Er hatte wohl eine Freistunde, genau wie Liz, und machte Hausaufgaben.

Zwei Meter von ihm entfernt blieb sie stehen und spürte, wie sich die Nervosität in ihren Nacken biss. Sie war kurz davor wieder kehrt zu machen und in den Mädchenschlafsaal zu hasten, doch sie gab sich einen Ruck.

Es würde sich wahrscheinlich keine bessere Möglichkeit mehr ergeben, ihn zu fragen, nun, wo er alleine war und kein anderer Mensch sich im Raum befand. Entschlossen überbrückte sie die letzten Meter. Jetzt oder nie. Neben ihm blieb sie stehen und räusperte sich leise.

Snape zuckte zusammen, strich sich die langen schwarzen Haare aus dem Gesicht und sah sie an. Keiner von beiden sagte etwas, er wartete darauf, dass sie anfing, doch Liz fühlte sich als hätte sie noch nie zuvor in ihrem Leben auch nur ein einziges Wort gesagt. Starr vor Nervosität öffnete sie den Mund, doch es kam nichts heraus.

„Briggs?", fragte Snape verwirrt und Liz schluckte.

„Klabimbalimba", purzelte es aus ihr heraus und sie biss sich gleich darauf auf die Zunge.

Snapes Mundwinkel zuckte, als würde er versuchen, nicht zu lachen. „Wie bitte?"

Liz Puls raste und pochte dumpf in ihren Ohren. Vermutlich war sie knallrot angelaufen, denn sie fing mächtig an zu schwitzen. Nervös zitterte ihr Lippe. „Kannst du ... würdest du ... ehm ...", versuchte sie es ein weiteres Mal. „Zaubertränke, darin bin ich schlecht!", platzte es aus ihr heraus und Snape zog eine Augenbraue in die Höhe. „Mein Mitleid hält sich in Grenzen, Briggs", meinte er und machte Liz damit nur noch nervöser.

Sie holte tief Luft. „WürdestdumirNachhilfegeben?", nuschelte sie, während sie die Luft wieder raus lies.
Zuerst sah es danach aus, als hätte er sie nicht verstanden und Liz graute es davor, sich zu wiederholen, doch dann legte er überrascht seine Feder ab und blickte sie aufmerksamer an als zuvor.

„Hab ich das richtig verstanden? Ich soll dir Nachhilfe in Zaubertränke geben?"

Liz nickte. „Du musst natürlich nicht", sagte sie schnell, „Slughorn hat dich empfohlen, wegen deiner guten Noten und ich dachte, hey, warum nicht? Ist ja nicht so, als könnten meine Ergebnisse dadurch noch schlechter werden, als sie ohnehin schon sind, also warum nicht einfach alles auf eine Karte setzen?"

Oh Merlin, sie redete zu viel von der falschen Sache. Ein nervöses Lachen kam ihr über die Lippen, als Snape sie schweigend ansah. Entweder redete sie zu viel oder nur Schwachsinn. Am besten sie sagte gar nichts mehr. Am besten vergrub sie sich in einem Loch und kam nie mehr heraus.

„In Ordnung", sagte Snape plötzlich und überrascht öffnete Liz den Mund. „Heißt - heißt das ja?"
Snape nickte und Liz blitzte ein zurückhaltendes Lächeln über die Lippen. Da hatte sie es: Sie war über ihren Schatten gesprungen und es war gut ausgegangen. „Danke, Snape. Wirklich", sagte sie und hätte sich am liebsten auf Knien bedankt, doch das wäre vermutlich zu viel des Guten.

Snape zuckte mit den Schultern, als wäre es nichts besonderes. „Ich muss hier noch einiges erledigen, aber am Samstag müsste ich Zeit haben. Um zehn Uhr in der Bibliothek?"

Liz musste ein Strahlen unterdrücken.

***

𝐚𝐛𝐨𝐮𝐭 𝐚𝐭𝐭𝐚𝐜𝐡𝐦𝐞𝐧𝐭 & 𝐚𝐧𝐭𝐚𝐠𝐨𝐧𝐢𝐬𝐦 | 𝐑𝐮𝐦𝐭𝐫𝐞𝐢𝐛𝐞𝐫Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt