𝐝𝐫𝐞𝐢ß𝐢𝐠 / Liz

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𝐖𝐄𝐍𝐍 sie in den letzten Tagen ein Nervenbündel gewesen war, dann war sie jetzt ein ganzer Nervenschrank. Sie konnte nichts essen, so sehr krampfte sich ihr Magen zusammen vor Nervosität. Sie starrte einfach auf ihren blitzblanken Teller, der im Schein der Kerzen golden glänzte. Lediglich ein paar Schlucke Kürbissaft konnte sie herunterwürgen, ehe sie das Glas wieder abstellte und abrupt aufstand, um die Große Halle zu verlassen und vor dem Unterricht noch ein bisschen Luft zu schnappen und sich mehr oder weniger zu beruhigen. So aufgekratzt würde sie kein Gespräch mit Sirius überleben.

Doch so weit kam sie gar nicht. Kaum hatte sie sich erhoben und umgedreht, sah sie Sirius entgegen, der mit seinem typischen Grinsen im Gesicht auf sie zugeschlendert kam. Alles in Liz erstarrte, augenblicklich war sie zu einer Salzsäule geworden. Nein, sie war noch nicht bereit. Nicht jetzt, nicht in dieser Sekunde. Mit einem Mal waren alle existierenden Wörter aus ihrem Kopf gelöscht und ihr blieb nichts weiter übrig als ihn dabei zu beobachten, wie er lässig die letzten Meter überbrückte.

Sie wunderte sich, warum er so ruhig war und kein bisschen nervös zu sein schien, als ihr einfiel, dass er das, im Gegensatz zu ihr, nicht zum ersten Mal machte. Er sah jeden Tag hunderten Gesichtern (und Mündern) entgegen, die er schon geküsst hatte.

Dicht blieb er vor ihr stehen und grinste sie wie ein Honigkuchenpferd an. „Guten Morgen", sagte er und Liz hätte gerne etwas anderes erwidert als ein atemloses „Morg'n", doch sie brachte ihre Lippen kaum dazu sich mehr als ein paar Millimeter zu öffnen. Sein Duft benebelte sie viel zu sehr und hätte sie ihren Körper unter Kontrolle, hätte sie vermutlich die Augen geschlossen, um ihn zu genießen, doch selbst das konnte sie nicht.

Und es wurde nur noch schlimmer. Sirius hob die Hand und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht, zwirbelte sie langsam um seinen Finger und fuhr sie dann bis zur Spitze herunter, eher er sie hinter ihr Ohr klemmte. Liz wagte es kaum zu atmen. Er schien sich seiner Wirkung auf sie bewusst zu sein, denn er kam ihr grinsend noch näher, sodass seine Lippen fast ihr Ohr berührten und sie seinen warmen Atem kitzeln spürte, als er sprach. Was sollte das denn? Vor all den Leuten?

„Lust auf eine weitere Nachhilfestunde heute Nachmittag?", raunte er ihr ins Ohr und Liz gesamter Körper überzog sich mit einer Gänsehaut.

Wäre das nicht die perfekte Gelegenheit, mit ihm zu reden? Auch wenn er vermutlich anderes im Sinne hatte ... genau wie Liz, wenn sie ehrlich zu sich selbst war. Doch sie durfte sich davon nicht ablenken lassen. Sie stieß ihren angehaltenen Atem aus und hob den Kopf, um ihm direkt in die grauen Augen zu sehen. Belustigt sah er auf sie hinab. Es schien ihm Spaß zu machen, ihren ganzen Körper zum Kribbeln zu bringen und das ärgerte Liz irgendwie. Entschlossen trat sie einen Schritt zurück.

„Klar", sagte sie und war stolz auf sich, dass ihre Stimme nicht ganz so kratzig war, sondern sich tatsächlich fast fest anhörte. Vielleicht überlebte sie das Gespräch ja doch. Allerdings wurde Sirius Grinsen nur noch amüsierter, was wohl hieß, dass er sie durchschaut hatte.

„Ich freu mich schon", sagte er, tippte ihr zum Abschied sachte gegen das Kinn, eher er sich umdrehte und mit den Händen in den Hosentaschen zurück zur Gryffindortafel schlenderte. Liz sah seinem breiten Rücken hinterher und wusste nicht recht, was sie nun tun sollte. Als sie wieder realisierte, dass sie ja in der Großen Halle war und mehrere Augenpaare auf ihr lagen, fing sie sich wieder, strich ihren Rock glatt und tat dann so, als wäre alles normal. Oder jedenfalls versuchte sie es. Mit eingezogenen Haupt schlich sie aus der Großen Halle und atmete auch dort erst wieder aus.

Die Unterrichtsstunden an diesem Tag zogen sich wie alter, geschmackloser Kaugummi. Die Lehrer schienen sich extra viel Zeit für ihre Lektionen zu lassen, sodass Liz irgendwann so zappelig war, dass Lily ihr entnervt ihren Zauberstab aus der Hand riss, mit dem sie auf den Tisch getrommelt hatte. Abgesehen davon spürte sie immer wieder Sirius Blick auf ihr liegen, was ihrem nervlichen Zustand nicht gerade half. Ob man vor Nervosität platzen konnte? Wenn ja, wäre es mit Liz bald zu Ende.

Als sie endlich an der Slytherintafel saß, zwang sie sich etwas zu essen, denn sie wollte nicht auch noch umkippen. Sie wollte dieses Gespräch nur so schnell wie möglich hinter sich bringen, egal wie es enden würde. Hauptsache diese schreckliche Nervosität verschwand endlich. Dann machte sie sich auf den Weg in die Bibliothek, öffnete mit zitternden Händen die schwere Tür und stakste zu ihrem Lieblingsplatz in der hintersten Ecke, direkt vor den Regalen, die in den verbotenen Teil führten - genau dort, wo es passiert war. Doch dort saß schon jemand. Liz blieb abrupt stehen und starrte auf die Person, die pikiert ihre Nägel betrachtete, den grünen Blick hob, Liz erblickte und mit zusammengekniffenen Augen aufstand. Als hätte sie auf Liz gewartet.

Ophelia warf das schimmernde pechschwarze Haar zurück. „Briggs", schnarrte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dich überrascht es sicherlich, dass ich mich hier mit dir treffe."

Liz Miene verhärtete sich. Was wollte das Biest von ihr? „In einer Bibliothek? Ja, stimmt, hier hätte ich dich wirklich nicht erwartet", sagte sie und spannte den Kiefer an. Eine Auseinandersetzung mit Ophelia war nun wirklich das Letzte, was ihre aufgeriebenen Nerven gebrauchen konnten und sie hatte nicht die innere Kontrolle über sich, um gesittet aus einer Situation mit ihr herauszugehen. Falls sich eine ergeben sollte. Was jedoch angesichts Ophelias abschätzigem Blick mehr als nur wahrscheinlich war. „Was willst du von mir?", fügte Liz hinzu und die Schwarzhaarige schnalzte mit der Zunge.

„Es geht nicht darum, was ich will", sagte sie arrogant und schien sich an einem Lächeln zu versuchen, das gezwungener nicht aussehen konnte, „sondern darum, was du willst. Ich habe euch beide gesehen und kann mit Freude verkünden, dass ich über Sirius hinweg bin. Du kannst ihn haben, er gehört dir."

Fast hätte Liz laut aufgelacht, doch sie war zu perplex, um die Worte zu formen, die ihr durch den Kopf schossen, weshalb sie sie nur anstarren konnte.
Ophelia schien ihr Schweigen gar nicht zu gefallen, ja, es schien sie sogar zu beleidigen.

„Ein Dankeschön wäre angebracht, schließlich gehe ich auf dich zu und überlasse ihn dir", fauchte sie und nun lachte Liz tatsächlich.

„Entschuldige bitte?", brachte sie hervor und fing sich wieder, „Erstens, gibt es nichts, was mir egaler ist, als die Tatsache, dass du deine Besessenheit über ihn hinter dir gelassen hast und zweitens ist Sirius kein Kleidungsstück im Sommerschlussverkauf, das man einfach jemanden überlassen oder haben kann. Ich hab dich nie um Erlaubnis gebeten und werde es auch nie, weil du keinerlei Anspruch auf irgendwen hast, Green." Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Seit wann hatte sie den Mut, Ophelia so gegen den Mund zu schlagen? Doch es störte sie nicht und sie war auch noch nicht fertig. Im Gegenteil. „Meinst du nicht, es wird Zeit von deinem hohen Ross zu springen und auf dem Boden der Tatsachen zu landen? Dein Besitzanspruch ist hier nicht existent, also werd erwachsen und verhalte dich nicht mehr wie ein dreizehnjähriges Kind, das denkt, alles muss nach ihrer Nase tanzen." Sie holte Luft und ging einen Schritt auf sie zu. „Und jetzt verzieh dich bitte."

Ophelia starrte Liz empört an, die Lippen leicht geöffnet und die Hände zu Fäusten geballt. „Du denkst vielleicht, nur weil ihr beide Freunde seid, wird er dich anders behandeln, als jede andere vor dir", zischte sie wütend, „aber er hat mich auch fühlen lassen, als wäre ich etwas besonderes. Glaub mir, wer hoch greifen will, muss damit rechnen, tief zu fallen, Miststück." Die letzten Worte spuckte sie ihr wie Gift entgegen und rauschte dann davon, nicht ohne Liz hart gegen die Schulter zu rempeln.

Verärgert sah Liz ihr nach, rieb sich dabei die schmerzende Stelle und fragte sich, was zur Hölle gerade passiert war. Dieses Weib dachte doch wirklich ihr gehörte die Welt. Nicht die Welt - Sirius Black. Lächerlich, dachte sich Liz und ließ sich auf einem Stuhl nieder, einfach nur lächerlich. Und sie hatte tatsächlich ein wenig Mitleid für Ophelia empfunden, als Sirius ihr eine Abfuhr erteilt hatte. Da musste Liz wirklich von allen guten Geistern verlassen gewesen sein.

Diese kleine Auseinandersetzung hatte jedoch etwas Gutes gehabt: Es hatte sie von ihrer Nervosität abgelenkt. Doch jetzt, wo sie ein verschmitzt grinsendes Gesicht um die Ecke kommen sah, kam das Herzrasen mit voller Wucht zurück.

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𝐚𝐛𝐨𝐮𝐭 𝐚𝐭𝐭𝐚𝐜𝐡𝐦𝐞𝐧𝐭 & 𝐚𝐧𝐭𝐚𝐠𝐨𝐧𝐢𝐬𝐦 | 𝐑𝐮𝐦𝐭𝐫𝐞𝐢𝐛𝐞𝐫Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt