24. All our scars

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"Scars are not injuries, Tanner Sack. A scar is a healing. After injury, a scar is what makes you whole"
China Mieville, The Scar

Am Tag nach dem Angriff wird Hanna aus dem Krankenflügel entlassen. Die Wunden in ihrem Gesicht sind gut verheilt und fast vollkommen verblichen. Dank Madame Pomfrey kann sie auch wieder stehen, auch wenn sie noch etwas wackelig auf den Beinen ist. Doch egal was die Krankenschwester alles ausprobiert hat. Der Schriftzug , fellona, auf ihrem Unterarm ist nicht weg zu bekommen.
"Ein Brandzauber, schätze ich", hatte sie uns erklärt.
"Allenfalls schwarzmagischer Natur".
Ich wechselte einen Blick mit James und die Striemen die Alecto Carrow mir auf meinem so oder so vernarbtem Arm, zugefügt hatte, pochten stark.

Wir erzählten McGonagall von dem Armband das James gefunden hatte, doch sie meinte das allein würde als Beweis nicht reichen. Hanna sprach mit Professor Dumbledore und es stellte sich heraus, dass sie sich an kaum etwas erinnerte. Sie war tatsächlich den Nachmittag bei Patrick Miller gewesen und auf dem Rückweg, kurz nach der Nachtruhe war sie gestolpert und wie sie sagte, scheinbar geschockt worden.
"Es war dunkel und es tat weh, ich habe gespürt wie sie mich folterten und ich bin mir nicht sicher... aber kann es sein, dass sie ein Messer hatten? Und dann war da dieses Brennen, das war das schlimmste, ich schrie, nach Jona, Liv, nach meiner Nonna, nach meiner Mutter. Es war so entsetzlich", bei diesen Worten wurde Hanna unglaublich blass und tat mir noch mehr Leid.
"Und du erinnerst dich nicht daran wer es war?", drängte Sirius.
Hanna lachte freudlos auf: "Glaub mir, wenn ich es wüsste dann würde die Person sich hier nie wieder blicken lassen"

*

"Und du willst wirklich mit?", fragt Em unsicher und stopft ihr Zauberkunstbuch in ihre Schultasche.
Hanna wendet den Kopf von ihrem Spiegelbild ab und sieht Em in die Augen.
"Ja, ich werd doch jetzt keine Schwäche zeigen", sie reckt ihr Kinn und fährt dann fort sich die Haare zu bürsten.
"Stimmt, ich wette die Carrows werden heute ganz besonders auf dich achten", Liv fasst ihre Haare in einen unordentlichen Dutt zusammen.
"Wir wissen doch gar nicht ob es die Carrows waren", wirft Lily der Fairnis wegen ein.
Dafür kassiert sie spöttische Blicke von allen außer Hanna. Sie hat sich noch gar nicht zu dem Thema geäußert.
"Fakt ist", Hanna greift nach ihrem Eyeliner.
"Ich werde gehen", damit beenden wir das Thema. Schweigen kehrt in unseren Schlafsaal ein. Ich suche meine zweite blaue Socke und als ich sie nicht finde nehme ich einfach die erst beste die ich finde, eine grüne mit rosa Punkten.
"Ich glaub ich färb langsam ab", Lily grinst mich an. Ich schaue zu ihren Füßen. Eine Socke mit kleinen Dalmatinern und eine mit buntem Blumenmuster.
"Ja", ich lache und schlüpfe in meine Stiefel.

Auf dem Weg zur Halle ist Hanna merkwürdig schweigsam. Ich mustere sie unauffällig von der Seite. Heute morgen hat sie noch mehr Zeit an dem kleinen Schminktisch verbracht als sonst. Trotzdem ist sie immer noch blasser als sonst, auch ihr Gang ist längst nicht so sicher und elegant. Doch trotzdem sie geht aufrecht, die Schultern nach hinten und den Kopf erhoben. Die zarte fast rosige Haut die sich über die Schnitte im Gesicht spannt schimmert unmerklich. Den Ärmel ihres Umhangs hat die hochgekrempelt, sodass der weiße Verband gut sichtbar ist. Hanna macht sich gar nicht erst die Mühe ihre Narben zu verbergen. Darin ist sie das komplette Gegenteil von mir.
Ihre so oder so dunklen Augen hat sie mit schwarzen Eyeliner umrandet und etwas wie ein Funkeln geht von ihnen aus. Nein, Hanna sieht alles andere aus als gebrochen oder verängstigt, schießt es mir durch den Kopf. Sie sieht furchtlos und ein bisschen gefährlich aus.
Während ich noch darüber grüble ob Hanna sich ihrer Wirkung bewusst ist (ich komme zu dem Schluss, dass sie genau weiß wie sie wirkt und das ziemlich gezielt einsetzt) setzten wir uns an den Gryffindortisch.
"Nein, ich besorge mir kein großes Pflaster oder verbergende Zauber. Halt die Fresse Sirius", mit Nachdruck schmeißt Hanna ihr Messer auf den Teller.
"Sollen die Leute das doch ruhig sehen", sagt sie dann trotzig.
Sirius beobachtet sie aufmerksam und nickt dann langsam. Schließlich zuckt er die Schultern und wendet sich seinen Cornflakes zu.
"Tja, wenn du mal so selbstbewusst damit umgehen würdest", James boxt seinen besten Freund in die Seite.
Sirius sieht ihn an: "Der war schlecht", sagt er dann ziemlich trocken.
"Womit selbstbewusst umgehen?", frage ich interessiert.
James wirft einen kurzen Seitenblick auf Sirius und setzt an etwas zu sagen, doch Sirius kommt ihm dann doch zuvor: "Meine Eltern", murmelt er.
"Ich war halt nie der perfekte Sohn und in Reinblüterfamilien, wie meiner, da ist das halt so", fügt er ganz schnell hinzu.
Ich spüre wie meine Augen schmaler werden: "Wo?"
Sirius schluckt und ich sehe einen Hauch von Unsicherheit in seinen Augen auf blitzen: "Rücken"
"Was genau ist da?", fragt Liv, die das Gespräch nicht richtig mitbekommen hat.
"Narben", flüstere ich ihr zu und nehme einen Schluck Kaffee.
Liv zuckt die Schultern: "Jeder geht ja irgendwie unterschiedlich mit dem Thema um", sagt sie dann nachdenklich.
"Aber meine Narben haben irgendwie naja... "Schönere" Hintergründe als eure."
Irritiert sieht Hanna sie an: "Wie jetzt?"
"Du kennst die Narbe an meinem Knie? Als ich sieben war bin ich mit Fahrrad hingefallen, so richtig übel und die an meinem Bauch, die ist von meiner Blinddarm OP. Und wenn ich mir recht überlege was eure Narben über euch vier aussagen"
"Vier?", hake ich nach.
Mit dem Messer deutet Liv auf Remus, der sich ein paar Plätze weiter angeregt mit Peter und Lily unterhält.
"Er auch", sagt sie leise.
Ich nicke, ist mir noch nie aufgefallen.
"Was meinst du damit, was unsere Narben über uns aussagen?", fragt Sirius und blickt uns der Reihe nach an.
"Ist doch klar", James stellt seine Tasse ab und deutet mit dem Löffel zunächst auf Liv: "Blöder Unfall aber nicht all zu schlimm", dann deutet er auf Hanna: "Folter und die dämlichen Carrows die sich an ihr rächen wollten. Dann haben wir da Jona, sie einem Schwarzmagier zum Opfer fiel und dann sind da noch du, Tatze, du und deine verkorkste Kindheit."
Liv nickt: "Genau das meinte ich. Was ist heute los bei dir James?!", sie grinst und ich sehe wie sie zusammenfährt als James sie unter dem Tisch tritt.
"Hab einen guten Tag", sagt er dann trocken. Während die anderen das Thema wechseln, bleibe ich noch bei der Sache mit den Narben. James und Liv haben Recht. Ein Zitat aus meinem Englischunterricht kommt in den Sinn. Der Beweis das ich hin und wieder doch aufgepasst habe.
Narben sind doch nur eine andere Form von Erinnerungen. (Gott, wie ich dieses Buch gehasst habe). Aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke hatte mein Englischlehrer schon recht, Stedman oder Stepheldman (der Autor des Buches) hatte Recht.
Damals wollte ich den Spruch nicht richtig verstehen. Für mich waren meine Narben einfach nur eine Sache die ich los werden wollte und mit denen ich im Grunde keine Erinnerung verknüpfte.
Ich schlucke und nehme eine zweite Scheibe Toast.

Jona  (HP Fan-Fiction / Rumtreiberzeit)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt