Kapitel 25

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„Kageyama!", rief Hinata Freude strahlend, als er mit einem Tablett in der Hand auf den freien Platz neben ihm zustürmte.

„Hinata! Hör auf hier so herumzubrüllen", stutze er seinen stürmischen Freund zusammen.

„Tut mir leid", antwortete Hinata nun deutlich leiser, „aber ich habe mich so darauf gefreut, dich endlich wieder zusehen!"

„Meine Güte, nun übertreib mal nicht gleich, das waren doch bloß ein paar Stunden", antwortete er mit einem mürrischen Blick.

„Aber für mich eine kleine Ewigkeit!", säuselte Hinata.

Kageyama verdrehte genervt die Augen. Noch kitschiger ging es wohl nicht.

„Ehem", ein lautes Räuspern riss Kageyama aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und schaute völlig unerwartet in Hoshiumis Gesicht. Er spürte, wie sich Hinata auf seinem Platz sichtlich versteifte.

„Ich wollte mich bei euch beiden entschuldigen, vor allem aber bei Hinata. Ich fürchte, wir beide hatten einen schlechten Start und hoffe, dass wir vielleicht nochmal von vorne beginnen können."

Hinata schaute den Weißhaarigen völlig ungläubig ins Gesicht. Wollte er ihn verarschen? Bevor er jedoch seine Sprache wiederfand, plapperte Korai schon weiter.

„Hier", sagte er und hob die Pappschachtel, die er in seinen Händen trug, leicht hoch, „ich habe euch etwas mitgebracht". Mit diesen Worten lehnte er sich zwischen die beiden und stellte den Karton vor ihnen auf den Tisch. Als er den Deckel nach oben Klappte, kam ein wundervoll saftig aussehender Schokokuchen zum Vorschein. Alle am Tisch anwesenden stießen wie einstudiert ein langgezogenes ‚Woooooow' hervor und schauten gierig auf die runde Leckerei. Hoshiumi hatte auf diese Reaktion gewartet und nutzte die kurze Unaufmerksamkeit aller Beteiligten, um die zweite Stufe seines Planes auszuführen.

„Wenn ich recht informiert bin, dann mag Tobio Schokoladenkuchen am liebsten", mischte sich Korai nun wieder in das allgemeine Geschehen ein.

„Äh, ja, das stimmt, danke", brachte er etwas zusammenhanglos hervor. Hinata warf ihm einen bösen Blick zu, der wohl zu fragen schien, woher dieser dämliche Hoshiumi das schon wieder wusste.

„Super", sagte dieser selbstbewusst, „dann lasst es euch schmecken". Er schenke allen Anwesenden noch ein freundliches Lächeln und verschwand dann wieder an seinen Esstisch.

Okay, das war mehr als merkwürdig, ging es Kageyama durch den Kopf und er nahm einen großen Schluck Wasser aus seinem Glas. Das Hoshiumi ihn dabei ganz genau beobachtete und ein diabolisches Grinsen sein Gesicht zierte, sah er nicht. Wie auch, saß er doch mit dem Rücken zu Hoshiumi.

„Boah, das ist verdammt viel Kuchen für zwei Personen. Wollt ihr beide den ganz allein aufessen?", fragte Tanaka erwartungsvoll.

Diesen Wink mit dem Zaunpfahl – nun ja, in diesem Fall war es wohl eher ein ganzer Zaun – verstand sogar er und wandte sich grinsend an Hinata. „Was meinst du, Hinata, ich bin mir sicher, Korai hat nichts dagegen, wenn wir ihn mit den anderen teilen?"

„Hmmmm", antwortete Hinata geistesabwesend mit einem leichten Kopfnicken.

„Klasse", hörte man Noya ausrufen, der ein breites Grinsen auf seinem Gesicht trug.

Suga schnitt den Kuchen so auf, dass jedes Teammitglied ein Stück bekam. Kageyama ließ jeden einzelnen Bissen auf der Zunge zergehen. Verdammt, der Kuchen war wirklich mega lecker und so unglaublich schokoladig. Als er fertig war, schob er den Teller von sich und leerte sein Glas Wasser in einem Zug. Zufrieden lehnte er sich nach hinten, schloss die Augen und genoss das angenehme Völlegefühl. Er weiß nicht genau, wie lange er so dasaß. Er hörte Noya und Tanaka herumbrüllen, Daichi, welcher ebenfalls laut wurde, um die beiden erstgenannten in ihre Schranken zu weisen. Er hörte Yamaguchis Lachen und Tsukishimas genervtes Grummeln. Auch Asahis Stimme nahm er wahr, leise und ruhig. In seinem Kopf begann sich plötzlich alles zu drehen und ihm war schlecht. Vermutlich war der Kuchen zu viel des Guten und sein Kreislauf protestierte nun gegen die Masse an Essen, die er zuvor in sich hineingeschaufelt hatte. Er öffnete die Augen und war geblendet von der Helligkeit der Deckenlampen. Verdammt, waren die immer schon so grell, fragte er sich. Der Geräuschpegel wurde immer lauter und er konnte nur noch daran denken, dem vollen Speisesaal zu entkommen und Zuflucht an der frischen Luft zu suchen.

„Ich geh noch ein bisschen frische Luft schnappen", sagte er, als er aufstand und bedenklich schwankte.

„Oh, Kageyama, ist alles in Ordnung?", frage Suga besorgt.

„Ja, alles gut. Ich habe nur ein bisschen zu viel gegessen, schätze ich. Ich geh mir ein bisschen die Beine vertreten."

„Warte, ich begleite dich", rief Hinata und war schon am Aufspringen.

„Nein," setzte er diesem Vorhaben ein jähes Ende, „ich brauch mal einen Moment Ruhe."

Enttäuscht rutschte Hinata auf seinen Platz zurück. „Okay, dann bis später."

„Bis dann." Mit diesen Worten entfernte er sich von seiner Gruppe und steuerte geradewegs auf den Ausgang zu. Draußen empfing ihn die angenehm warme Luft. Langsam torkelte er vorwärts. Sein Blick war verschwommen, immer noch drehte sich alles. Verdammt, das kann doch unmöglich nur von dem Essen kommen. Er kam an einem Baum vorbei und lehnte sich mit seinem Rücken dagegen. Warme und kalte Schauer durchzogen abwechselnd seinen Körper, sein Puls beschleunigte sich und er hatte das Gefühl, er wäre eben erst von einem einstündigen Ausdauertraining zurückgekommen. Er fühlte sich schwach und hatte die Befürchtung, sich der Länge nach hinzulegen, sollte er auch nur einen weiteren Schritt machen. Langsam tastete er mit seinen Händen seine Hosen ab. Verdammt, er hatte das Handy nach dem Training ans Ladekabel gehangen. Shit. Er würde wohl warten müssen, bis ihn hier jemand fand und --

„Tobio?", hörte er eine vertraute Stimme fragen. „Was ist mit dir, geht es dir nicht gut?"

„Ich, ... irgendetwas stimmt mit mir nicht. Kannst du mich zu meinem Bungalow bringen?"

„Aber ja, natürlich! Warte, ich helfe dir, du kannst dich beim Gehen an mir abstützen", sagte der kleine Junge und legte Kageyamas Arm über seine Schulter. „Komm, gehen wir. Immer einen Schritt nach dem anderen."

„Hmm", war das einzige, wozu er zu antworten im Stande war. Er bekam nichts von seiner Umgebung mit, konzentrierte sich mit dem letzten Bisschen seiner verbliebenen Kraft aufs Laufen. Doch selbst das, so fürchtete er, würde er nicht mehr lange durchhalten. Was zum Teufel passierte hier bloß mit ihm?

Plötzlich sah er ein Gebäude vor sich aufragen.

„Sind wir da?", nuschelte er halb in Trance.

„Ja, sind wir", antwortete die Stimme sanft. Eine Tür wurde geöffnet und Kageyama konnte sich endlich setzen. Er wurde an etwas hartem gelehnt, was sich unangenehm in seinen Rücken bohrte. Wie sein Bett fühlte sich das nun wirklich nicht an.

„Wo sind wir", fragte er quälend langsam.

„Keine Sorge, ich bin gleich wieder da", sagte der Junge vor ihm und verschwand zur Tür hinaus, ohne auf seine eigentliche Frage geantwortet zu haben.

--

An der Tür drehte sich Hoshiumi noch einmal kurz um und warf einen Blick zurück auf Kageyama. „Jetzt sollst du endlich Mein werden", sagte er und schloss mit einem irren Lächeln die Tür. Es dauerte nicht lange, bis er auf dem Gelände jemand fand, den er ansprechen konnte.

„Hey, du!", rief er einem vorbeieilenden Jungen zu. Dieser hielt kurz inne und wartete gespannt, was der weißhaarige Knirps wohl von ihm wollte.

„Könntest du Shoyo Hinata von der Karasuno-Oberschule bitte ausrichten, er möge schnell zum Geräteschuppen kommen. Es geht um Kageyama, seinen Setter."

„Oh, oh, o-okay. Schon, ja. Ich weiß nur leider nicht, wer dieser Hinata ist", antwortete er besorgt.

„Das wird kein Problem sein, du erkennst ihn an seinen orange-leuchtenden Haaren!"

„Oh, o-okay", antwortete sein Gegenüber und wies mit seinem Finger fragend auf die Mensa.

„Ja, dort wirst du ihn finden", bestätigte Hoshiumi, bedankte sich kurz bei dem Jungen und machte auf dem Absatz kehrt. Er konnte es kaum erwarten, endlich eins zu werden mit Tobio.

Er soll Mein seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt