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Alex:

Ich schreie ihn an, schreie ihn an mich nicht zu verlassen. Rüttele an ihm. Versuche alles, damit er mich nicht alleine lässt. Ich renne so schnell ich kann nach unten, um mein Handy zu fassen und den Krankenwagen zu rufen. 5 Minuten. Doch diese 5 Minuten scheinen über sein Leben zu entscheiden. Ich will und kann ihn noch nicht verlieren. Nicht jetzt und nicht heute.

Als die Sanitäter eintrafen war er fast weggetreten. Sein Atem hatte sich verlangsamt, genauso wie sein Herz, das dem stillstand droht. Alles verläuft nun wie in Zeitlupe. Jay wird beatmet, auf einer liege nach draußen transportiert. Ich laufe ihm nach, will ihn nicht alleine lassen. Werde von jemanden festgehalten, der mich dazu auffordert mich zu beruhigen. Aber wie sollte man sich bei so einer Situation bitte beruhigen? Wenn einem das Wertvollste entrissen wird?

Ich wurde gebeten in den Wagen zu steigen. Die Fahrerin versucht immer und immer wieder auf mich einzureden, doch vergebens. Wie in einer Art Trance verfolge ich die fahrt, höre stimmen vom hinteren Teil des Wagens. Steige aus dem Wagen aus und werde ins Krankenhaus geleitet.

"Ich bitte Sie, hier zu bleiben. Wir informieren Sie sofort, wenn wir mehr wissen. Hat die Person irgendwelche Krankheiten? körperliche sowohl psychische?"

"Er leidet unter Herzrhythmus Störungen und ist psychisch sehr angeschlagen."

Der Arzt nickte mir nur zu, ehe er wieder verschwand.

Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon saß, aber es fühlte sich wie Tage an, die vorbei gingen. Menschen kamen und gingen. Andere saßen genauso lange hier wie ich. Andere taten sich zusammen und unterhielten sich. Doch mir war weder danach noch nach sonst irgendwas. Ich will nur noch zu Jay. Ich will wissen, wie es ihm geht. Doch egal wie oft ich frage und sage, dass ich sein Lebenspartner bin, sie lassen mich einfach nicht zu ihm.

Und mittlerweile habe ich die Hoffnung einfach aufgegeben.

Jay:

Immer wieder sehe ich grelles Licht aufleuchten. Versuche mich zu orientieren, doch alles um mich herum ist schwarz, bis auf die Lichter, die immer und immer wieder auftauchen. In regelmäßigen abständen verfolge ich sie. Seit Sekunden. Oder doch Minuten? Ich weiß es nicht, denn es scheint kein Raum und Zeitgefühl hier zu geben. Ich versuche weiterhin, mich zu orientieren, bis eine unbekannte Stimme immer wieder zu mir ruft. Es scheint als würde sie zu mir durchdringen wollen, doch niemand scheint mich zu erreichen. Wenn ich doch nur ein Zeichen geben könnte, damit mich wenigstens Jemand bemerkt. Doch ich bin nicht mal in der Lage auch nur den kleinen Finger zu bewegen.

Alex:

Mittlerweile bin ich aus meiner Art Trance wieder heraus. Ich habe ab und zu Wasser von einem Wasserspender geholt, bin sogar mal nach draußen an die frische Luft, da ich drohte den Verstand zu verlieren und umzukippen. Nun sitze ich seit einer Stunde draußen und meide vorerst das innere des Krankenhauses, bis ich mehr weiß von Jay. Und jetzt verstehe ich endlich, warum er Krankenhäuser so hasst. Überall stinkt es nach Desinfektionsmitteln, nach Tod, Trauer und mehr. Dazu noch diese Atmosphäre, die dich zu erdrücken scheint.

Ein kalter Schauer durchfährt meinen Rücken, als ich sehe wie ein Arzt auf mich zugeht. Er setzt sich schweigend und gelassen neben mich, ehe er anfängt zu reden.

"Wir haben Ihren Lebenspartner stabilisieren können. Ein paar Minuten zu spät und wir hätten ihn nicht mehr retten können. Doch er hatte tatsächlich Glück im Unglück. Ich habe mir dazu noch seine Akte durchgelesen. Er leidet, wie Sie sagten unter Herzrhythmus Störungen, dazu ist seine Psyche sehr angeschlagen, wohl durch den Vorfall vor ein paar Monaten. Doch wir konnten ihn retten. Er lebt, ist auf der Intensivstation, wird bewacht und künstlich beatmet."

Er legt seine Hand auf meine Schulter und sah mich Traurig an. Ich lächelte ihm nur zu, löste meinen Blick jedoch wieder von ihm und sah wieder auf meine Hände. Er war stabil und hatte es Überlebt. Er hatte tatsächlich ein riesen Glück im Unglück. Erleichtert atme ich aus. Fragte den Arzt ob ich ihn sehen könnte und ob er mich zu ihm begleiten würde. Auf der Intensiv Station angekommen konnte ich schon durch die Scheibe erkennen, dass er an Kabeln hing, wie der Arzt meinte. Ich betrat den Raum und konnte sein Herz wieder gleichmäßig schlagen hören, konnte ihn ruhig atmen hören, als würde er nur schlafen und es wäre nie etwas vorgefallen. Ich war so glücklich, das er es Überlebte, dass ich nicht anders konnte als zu weinen.

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