42. Kapitel

1K 54 42
                                    

Lou ist mal wieder sprachlos. Sie soll sich bei ihm entschuldigen? Er ist verrückt, absolut.

Sie sieht starr an die Decke. Das ist ihr Ende. Den Namen wird sie ihm nicht nennen. Das könnte sie niemals mit sich ausmachen und kommt so nicht infrage.

Sie wird hier für immer bleiben müssen.

Tränen der Verzweiflung bilden sich in ihren Augen.

Den Blick der Hauselfe spürt sie auf sich, doch Lou sieht nicht zu ihr. Im Grunde kann sie dem kleinen Wesen keinen Vorwurf machen. Jedoch braucht sie ein Ventil, auf welches sie all ihren Frust und Hass abladen kann. Sie fühlt sich verraten. Verraten von Lucius, aber auch von der Hauselfe. Zwar muss diese immer alles tun, was ihr Herr ihr sagt und Lou ist klar, dass sie keine Strafe erhalten möchte, doch es verletzt sie sehr.

„Zaubere mir Klamotten an.", spricht sie mit ihrer Stimme, die zittrig ist und nicht das tut, was sie will.

Lou sieht noch immer nicht zu ihr, als sie spürt, wie wieder Wärme sie umgibt. Sogleich fühlt sie sich viel sicherer.

Erst jetzt betrachtet Lou ihre neue Kleidung, weicht dem Blick des Wesens aber aus. Sie trägt einen großen schwarzen Pullover und eine grüne Jeans mit weißen Schuhen.

Wenigstens hat Malfoy Geschmack. Auch wenn es nur die Farben von Slytherin sind und Flumpi es ihr eigentlich angezaubert hat. Die Hauselfe wird schon wissen, was ihr Herr mag und was nicht.

Lou atmet tief durch, versucht sich abzulenken.

Die Elfe hat gerade auf sie gehört. Vielleicht liegt es daran, dass Malfoy es ihr ebenfalls befohlen hat. Ein Versuch ist es aber wert. „Hauelfe?", fragt Lou, lässt den Namen des Wesens weg. Sie selbst weiß nicht, warum.

„Ja, Mrs?", fragt sie unterwürfig. Flumpi steht in einer Ecke des Raumes, erbärmlich, nun den Kopf gesenkt. Exakt so, wie Lou sich fühlt.

„Binde mich los."

Die Hauselfe hebt mit sich hadernd den Kopf an und mustert Lou schüchtern. „Das kann ich nicht.", fiepst sie in einem hohen Ton. „Master wird Flumpi bestrafen. Er wird sie umbringen. Flumpi ist an ihn gebunden." Lou merkt, wie schwer es der Hauselfe fällt, das auszusprechen.

„Du hast Angst vor ihm? Wärst du lieber eine freie Elfe?"

Die Augen von Flumpi scheinen noch größer zu werden und glänzen. „Dobby ist ein freier Elf. Aber Flumpi könnte das nicht. Wer will sie denn aufnehmen?"

Lou wittert ihre Chance. Der Frust und Hass, den sie eigentlich auf sie laden wollte, sind verschwunden. Viel zu sehr ist sie in das Gespräch vertieft und spinnt ihre Gedanken weiter.

Von dem Hauselfen Dobby hat sie zwar noch nichts gehört, höchstens den Namen. Aber das ist ihr im Moment egal. Sie hat eine Idee. Hauselfen sind stark. Vielleicht könnte sie ihr helfen, wenn die Zeit reif dafür ist.

„Ich werde dich aufnehmen.", sagt sie bemüht höflich. Die Tränen sind verflogen, die andauernd aufhören und wiederkommen.

„Mrs will Flumpi bei sich arbeiten lassen?"

Lou nickt, versucht die Anrede zu ignorieren, auch wenn es sie stark ärgert. Ob Lucius sie dazu gezwungen hat, Lou so zu nennen? Es würde sie nicht wundern. Schließlich sieht er sie schon jetzt als seine Frau an.

„Natürlich. Es wird dir gut bei mir gehen.", sie presst unter größter Anstrengung ein Lächeln hervor. „Aber dafür brauche ich deine Hilfe. Ich helfe dir, dich zu befreien und du hilfst mir zu fliehen. Wir werden das zusammen schaffen und du kannst gerne bei mir arbeiten." sagt Lou, versucht es so auszudrücken, dass die Elfe ihr vertraut und bereit dazu ist, das Risiko einzugehen. Zwar kann sie nicht verstehen, weshalb Hauselfen so gerne arbeiten wollen, aber etwas dagegen hat sie nicht. Flumpi ist ihre einzige Chance zur Flucht. Zwar wollte Lou sich zusammenreißen und aufgeben, jedoch kann sie ihr Leben unter diesen Umständen nicht weiterführen und muss irgendetwas tun. Das ist ihr bewusst geworden. Sie kann hier nicht ewig hängen. Der Selbstmordversuch ist ein Zeichen dafür, dass sie es nicht schaffen würde.

Flumpi fährt sich mit ihrer kleinen Hand über die Ohren. Es sieht lustig aus, Lou lacht aber nicht. Ihr ist nicht zum Lachen zumute. Alles tut ihr weh. Auch der Nacken, da sie den Kopf heben muss, um zu der Elfe schauen zu können.

„Master wird Flumpi umbringen..."

Lou seufzt und versucht rational zu denken. „Nein, das wird er nicht. Wenn du frei bist, kannst du gegen ihn kämpfen. Du bist um einiges Stärker als er und wirst ihn besiegen. Wir beide werden nicht sterben."

Flumpi fährt sich weiter über die Ohren, spielt damit. Sie wirkt unsicher. „Sie verlangen viel, Miss."
„Das ist mir bewusst. Aber wir beide haben unsere Vorteile. Er hat dir sicherlich oft wehgetan."

Flumpi nickt langsam und wischt sich die Hände nun an ihrem Vorhang ab. „Flumpi hatte es aber immer verdient."

„Nein, das hast du nicht.", sagt sie in der wärmsten Stimme, die sie aufbringen kann. Es kostet Lou wirklich viel Beherrschung. „Du bist nicht schuld daran, wenn er ein solcher... Tyrann ist. Du machst auch Fehler und das ist nicht schlimm. Es ist schlimm, dass Malfoy dich für deine banalen Fehler bestraft. Du solltest ein freies Wesen sein. Sonst kannst du dich nicht entwickeln und bist verloren."

Flumpis Wangen nehmen ein helles Violett an. Lou weiß, dass sie sie damit auf ihre Seite bekommen kann. Sie lehnt sich zurück und schaut wieder an die Decke.

„Aber das... Flumpi wird darüber nachdenken. Aber Flumpi muss jetzt zu Master gehen.", sagt sie und ihre Stimme beginnt sofort wieder zu zittern bei dem Gedanken. Lou versteht sie da wie kaum jemand anderes.

„Dann geh, Flumpi. Und... pass auf dich auf."

Mit diesen Worten appariert die Elfe und lässt Lou alleine. Obwohl diese Durst und Hunger hat und auf Toilette gehen muss. Es ist frustrierend.

Dennoch fühlt sie sich besser als zuvor. Sie hat endlich eine Chance, von ihm loszukommen! Auch wenn sie dann nicht mehr hier in England studieren kann, weil er sie vermutlich immer wieder aufsuchen würde. Alleine die Aussicht, dass sie von ihm weg wäre, wäre Grund genug um das einzustecken. Selbst wenn sie dafür eine Hauselfe in Gefahr bringen muss.

Sie atmet tief ein und aus, versucht an dem Gedanken festzuhalten und nicht an etwas Anderes zu denken.

Stundenlang liegt sie dort, ohne Beschäftigung. Ihr Mund ist trocken. Lou hat bestimmt schon Mundgeruch. Ihre Gliedmaßen, allgemein alles, schmerzt und sie verliert langsam die Nerven. Sie liegt hier einfach nur und wartet.

Und wartet...

Und wartet...

Niemand kommt, auch nicht mehr Flumpi. Lou versucht die Augen zu schließen und so einzuschlafen, als sie Schritte vernimmt. Von der Lautstärke her würde sie sagen, dass es die von Malfoy sind. Sicherlich möchte er zu ihr, sonst wäre er nicht in dem Gang.

Lou beschließt kurzerhand, die Augen geschlossen zu halten und vorzugeben, zu schlafen. Sie will ihn nicht sehen und möchte sich auch nicht mit ihm unterhalten. Zwar möchte sie auch nicht alleine sein, jedoch wäre das immer noch besser als in Gesellschaft mit ihm.

Der Gehstock hallt auf dem Boden wider. Lou muss sich zusammenreißen und schauspielern. Das Schwerste für sie ist, den Atem flach zu halten wie ein Schlafender.

Sie spürt, wie Malfoy näher kommt. Den Geruch von Alkohol kann sie zum Glück nicht mehr vernehmen. Nur ein teures Männerparfüm und Aftershave haftet an ihm. Offenbar hat er nicht weiter getrunken. Immerhin hat es etwas Gutes.

„Meine Liebe...", murmelt er. Seine Stimme klingt fern. So als wäre er tief in seinen Gedanken versunken. Es klingt traurig. Als würde ihn etwas bedrücken. Er hat wohl eingesehen, dass Drogen nur bis zu einem gewissen Grad das Gewissen vergessen lassen. Es ist nur für einen kurzen Moment. Es kommt zurück und ist dann noch viel schlimmer, schmerzhafter.

Lou empfindet kein Mitleid für ihn.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt