95. Kapitel

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Lucius legt seine Arme erneut um ihren dünner gewordenen Körper und legt den Kopf schief, damit sich ihre Nasen gegenseitig nicht erdrücken.

Lou fühlt sich, als stünde sie unter Drogen. Dieses Gefühl in ihr ist so stark, so wunderbar. Sie fühlt sich vollkommen. Noch nie in ihrem Leben hat sie so etwas gespürt. Am liebsten würde sie freudig in die Luft springen! Es scheint, als hätte sie endlich ihr Glück gefunden.

Lucius hat die Augen geschlossen und beginnt seine Lippen zu bewegen.

Lou tut es ihm gleich, doch da unterbricht er es plötzlich und lässt sie los. Er weicht zurück und tastet mit seinen Fingern seine Lippen ab.

Lou legt den Kopf schief. Weshalb hat er den Kuss unterbrochen? Sie will ihn weiter küssen, weiter an ihm dran hängen, ihn spüren...

Doch Lucius räuspert sich nur und schaut zu Boden. Er wagt es schon wieder nicht in ihre Augen zu sehen! Warum nur? Lou will seine wunderschönen grauen Augen sehen!

„Wir sollten... du solltest... etwas Gescheites essen.", sagt er. Es fällt ihm sichtlich schwer das auszusprechen. Weshalb quält er sich? Lou hätte nichts dagegen, wenn sie aufeinander herfallen würden!

„Das tue ich doch schon."

Er räuspert sich erneut. „Natürlich. Trotzdem hilft dir das nicht zu überleben..."

„Aber ohne bin ich trotzdem tot, nur innerlich.", sagt Lou lächelnd.

Das Lächeln verblasst sofort wieder, als sie seine Miene sieht.

„Sag das nicht nochmal, okay? Sprich nicht von innerer Zerstörung." Seine Atemzüge sind schwer.

Lou runzelt die Stirn. Eigentlich würde sie widersprechen, aber da er es ist, akzeptiert sie es. Sie fühlt sich enttäuscht. Er will ihr nicht sagen, was mit ihm ist! Warum erzählt er es ihr nicht? Was gibt es für einen Grund? Sie würde es doch niemals gegen ihn verwenden!

„Was ist los mit dir?", flüstert sie und lässt die Arme vollständig sinken.

Lucius' Blick hebt sich und er schaut ihr das erste Mal seit Minuten in die Augen. „Nichts, es ist alles gut.", sagt er. Seine Mundwinkeln heben sich, doch seine Augen lächeln nicht. Bildet sie sich das nur ein? Er würde doch nichts vor ihr zurückhalten, oder?

Lucius streckt ihr seine Hand aus. Er braucht gar nichts erst etwas zu sagen, denn da ergreift sie die angebotene Hand bereits und verschränkt die Finger ineinander.

Er nickt langsam darüber und setzt dann wieder die glückliche Miene auf. Es ist eine falsche Maske.

Er beginnt mit ihr aus dem Raum und die Treppen hinab zu laufen.

„Dich bedrückt doch etwas...", beginnt Lou, die ununterbrochen sein Gesicht mustert. „Ich will nicht, dass du unglücklich bist."

„Ich bin nicht unglücklich und jetzt hör auf damit!", schnauzt er sie an und dreht dazu den Kopf in ihre Richtung. Lou streckt zusammen und lässt seine Hand los.

Er will wohl keine Hilfe... Ach, der muss sich erst beruhigen. Danach wird er so perfekt, sanft und liebend sein wie zuvor.

Lucius seufzt, nimmt ihren Unterarm und zieht sie mit sich ins große Esszimmer. „Die Hauselfen haben bereits zu kochen begonnen. Du isst alles auf, hast du das verstanden?", fragt er streng.

Lou nickt, deprimiert über sein Verhalten.

„Gut. Ich habe noch etwas zu erledigen, kann dementsprechend nicht dabei sein... Genieße dein Mahl."

Lou dreht den Kopf zu ihm, nachdem sie sich hingesetzt hat. Sie möchte etwas sagen, doch da ist er schon aus der Tür gerauscht. Sein Schritt ist schneller als sonst, er nimmt große Schritte. Was hat er nur? Ist etwas passiert, das ihn bedrückt?

Es hat doch hoffentlich nichts mit ihr zu tun! Jetzt ist doch alles wunderbar – es gibt also keinen Grund, um traurig zu sein.

Lou schaut auf den edlen Teller vor sich, der mit Gold verziert ist. Vor ihr steht eine ebenfalls verzierte Schüssel mit Nudeln und einer weißen Soße. Es riecht köstlich und ihr Magen knurrt. Sie hat schon viel zu lange nichts Ordentliches mehr gegessen. Der Duft gelangt in ihre Nasenlöcher und sie atmet ihn tief ein.

Lucius sollte auch davon kosten...

Sie beginnt eifrig mit dem Essen, konzentriert sich jedoch nicht darauf. Sie fragt sich, was sie falsch gemacht haben könnte, dass er so reagiert.

Es scheint so, als würde er sich wegen irgendetwas schlecht fühlen. Sie seufzt. Lucius soll sich nicht mit seinem Gewissen quälen. Er ist doch ein ganz guter Mensch. Nicht vollkommen, aber für sie ist er das eindeutig. Kaum zu glauben, dass sie ihn mal als böse und schlecht angesehen hat! Es war der beste Zufall überhaupt, dass sie sich damals in dieser Schneiderei getroffen haben.

Nachdem sie alles fertig gegessen und getrunken hat, fühlt sie sich körperlich viel besser. Sie wartet noch einige Minuten, bis sie das Getrennt-Sein nicht mehr aushält und sich auf die Suche nach ihm macht.

Die Wahrscheinlichkeit, ihn in seinem Büro anzutreffen ist groß, weshalb sie dorthin geht.

Sie klopft und hört hinter der Tür Papier rascheln, jedoch öffnet niemand.

Lou versucht es nochmals, aber die Tür öffnet sich trotzdem nicht. Lucius sagt nicht einmal etwas, obwohl er es gehört haben muss.

Sie lässt sich an der Wand hinabrutschen. Was hat sie falsch gemacht? Warum will er dann nicht mit ihr darüber sprechen? Hat er ihr noch nicht verziehen? Schmerzen die Erinnerungen an ihr schreckliches Verhalten so sehr?

Sie zieht die Knie an sich und legt nachdenklich ihren Kopf darauf. Ein Miauen lässt sie aufschauen. Hope rollt sich vor ihr und leckt sich dann die Pfote.

Lou muss automatisch lächeln und nimmt die Katze in ihren Schoß. Während sie über ihre Fehler nachdenkt, streichelt sie das Tier.

Nach kurzer Zeit öffnet sich die Tür vom Büro und Lucius tritt heraus. Er schaut auf sie hinab. Seine Augen sind rötlich unterlaufen.

Er schaut auf sie hinab und sie zu ihm hoch.

„Nun steh schon auf.", flüstert er emotionslos. „Wir haben einen Termin um dein Brautkleid zu kaufen. Ich habe alles Andere bereits besorgt."

Lous Miene erhellt sich. Hochzeit! In ein paar Tagen ist es so weit und sie wird endlich in der Lage sein, ihren Traummann zu heiraten! Sie werden glücklich sein, ganz gewiss! Vielleicht werden sie sogar Kinder haben! Lou war sich nie sicher, ob sie wirklich Kinder haben möchte, aber jetzt wo sie den richtigen Mann hat, kann sie sich das gut vorstellen.

Lucius streckt ihr seine Hand aus, welche Lou ergreift. Er legt seinen Arm um sie und zusammen gehen sie aus dem Haus und apparieren in die Gasse für die reichen, wohlhabenden Reinblutfamilien.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt