23. Kapitel

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Damit platzt auch ihre letzte Hoffnung zur Flucht. Ob sie ihn zurückbekommt, wenn sie in die Universität geht? Ohne geht es nicht, das muss ihm auch bewusst sein.

Sie seufzt, streicht sich durch die nassen Haare und kämmt sie. Vielleicht hilft er ihr ja mit seinem Zauberstab, ansonsten dauert das Trocknen Stunden.

Wie ein Häufchen Elend sieht sie sich selbst im Spiegel und dreht sich dann um, geht mit den Klamotten vom Vortag aus dem Raum und zur Treppe.

Die Bilder kommen ihr wieder in den Sinn. Wie er sie die Treppe runter geschleift hat... Warum hat er das getan und ist jetzt wieder netter zu ihr? Sie verzieht das Gesicht, greift vorsichtig nach dem edlen Geländer und geht den Weg hinab, dreht sich immer mal wieder nach hinten um.

Sie geht weiter, obwohl sie nicht weiß, wo sich der Speisesaal befindet.

Am Treppenende sieht sie ein breite Doppeltür vor sich. Durch die Glasscheiben kann sie den prächtigen Garten sehen. Das wäre also ihr Fluchtweg gewesen.

Lou dreht sich wieder um, fühlt sich irgendwie so beobachtet und geht dann weiter durch die Gänge, biegt immer mal wieder ab. Alles ist so groß und prachtvoll. Leider sind die Zimmer auch nicht beschriftet. Sie wird Ewigkeiten benötigen, sich hier zurechtzufinden.

Gerade, als sie wieder umkehren will, weil sie das Gefühl hat, dass sie ihn langsam zu lange warten lässt und der besagte Raum irgendwo anders sein muss, legen sich zwei Hände auf ihre Schultern. Sofort zuckt sie zusammen, quiekt auf und reißt sich los, schaut ihn mit großen Augen an.

Malfoy hingegen hebt nur eine Braue, beginnt dann zu lachen und stützt sich an der Wand ab. Seinen dämlichen Gehstock trägt er wiedermal nicht bei sich. Welch Glück.

„Das war süß.", sagt er amüsiert und mustert sie von oben bis unten.

Süß... süß... süß? Sieht er sie schon wieder mehr wie ein Kind oder was? „Ich bin nicht süß."

Er schmunzelt, seine Augen funkeln. Keine Spur von Wut, obwohl sie ihm widerspricht. „Oh doch, das bist du. Du siehst es nur selbst nicht. Und ich mag deine Haare übrigens."

Lou atmet tief ein, schiebt die Diskussion über ihren Eindruck auf ihn weiter nach hinten in ihrem Kopf und ärgert sich stattdessen über etwas Anderes: den nicht für sie greifbaren Zauberstab.

„Lucius, gib mir meinen Zauberstab. Bitte", sagt sie, reißt sich geradeso nochmal zusammen.

„Wieso sollte ich? Damit du irgendwelche Dummheiten damit anstellst? Nein Danke, so dumm bin ich dann auch wieder nicht.", sagt er, wird mit einem mal wieder ernst. Er stellt sich auch aufrechter hin, so als würde er mehr wie eine Respektsperson auftreten wollen.

Lou hält seinem Blick stand, beruhigt sich. „Ich möchte nur meine Haare trocken. Und außerdem... Habe ich davor irgendwelche Dummheiten damit angestellt?"

„Nein,", sagt er trocken. „aber du bist noch nicht mal 24 Stunden hier. Noch kann ich dir nicht vertrauen. Ich weiß, sehr traurig."

Sie verschränkt die Arme, kann kaum glauben was er da von sich gibt. Natürlich kann er ihr nicht vertrauen. Was hat er auch erwartet? Dass sie ihm freudig in die Arme springt und ihr Herz sofort für ihn öffnet, ihn alles machen lässt? Wow, der muss wohl auch ein ziemlicher Traumtänzer sein. Er lebt in seiner eigenen Realität, gibt auf sie und die eigentliche Wirklichkeit keine Acht, verschließt sich vor dieser. Vielleicht hasst er es deshalb auch, wenn sie ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholt.

„Eher traurig, dass du das von mir erwartest.", murmelt sie, schlägt sich danach direkt die Hand vor den Mund. Das hätte sie nicht sagen dürfen. Malfoy verengt die Augen zu Schlitzen. Sie verflucht sich mal wieder selbst für ihrer eigenen Dummheit.

„Tut mir leid, war nicht so gemeint."
Er legt den Kopf schief, hebt überheblich die Braue und geht auf sie zu. Lou verkrampft sich sofort, spürt wie ihr Herz immer schneller schlägt. Einen Schritt zurückzugehen traut sie sich nicht, dafür hat sie viel zu viel Respekt vor ihm.

Malfoy geht um sie herum. Wie eine Schlange, die ihre Beute betrachtet.

Die Lippen aufeinander gepresst folgt sie seinen Bewegungen aus den Augenwinkeln. Es dauert nicht lange, bis sie seine recht kühle Hand in ihrem Nacken spürt. Er packt zu, sie verspannt sich noch mehr. Es erinnert sie daran, als er sie so schmerzhaft gewürgt hat. Wird er genau das wieder tun?

Als er beginnt mit großen Schritten vorwärts zu laufen, muss sie automatisch mitgehen, will nicht den Halt verlieren und von ihm gezogen werden. Auf diese Schmerzen kann sie verzichten. Obwohl er sie gerade ausnahmsweise mal nicht hochhebt, sondern einfach nur nach vorne drückt. Sie beschwert sich dagegen nicht, konzentriert sich auf das Laufen und die Finger, die sich um ihren Hals von hinten schlingen. Manchmal übt er mehr Druck aus, manchmal weniger. Es schmerzt nicht, ist aber sehr unangenehm, eben weil es so unberechenbar ist.

Seinen Atem spürt sie auf ihrer Kopfhaut, wie ein warmer Luftzug.

Er geht durch eine Tür in einen luxuriösen Raum, dann durch noch eine. Lou kann den Kopf nicht drehen, um sich umzuschauen. Sie hat gerade auch ganz andere Probleme. Wo führt er sie hin? Was hat er mit ihr vor? Wieder eine Bestrafung?

Eine weitere Tür. Und dahinter: Ein großer Speisesaal mit einem langen Tisch, gedeckt für zwei Personen. Lou atmet tief aus, die Anspannung fällt von ihr. Offenbar will er sie nicht bestrafen, sondern nur essen.

Er drängt sie weiter zum schwarzen, majestätischen Tisch und nimmt dann blitzschnell die Hand weg. Überrascht von der Handlung fällt sie nach vorne, stützt sich mit den Handflächen am Tisch ab und richtet sich dann auf. Nur um wieder nach vorne zu fallen.

Es macht Klatsch. Ein fester Schlag von ihm prallt auf ihre Pobacke. Sie keucht, dreht überrascht den Kopf zu ihm und kann ihren Augen nicht glauben. Er hat einfach ausgeholt und sie auf den Arsch geschlagen!

Malfoy grinst überheblich, die Wut ist aus seinen Augen verschwunden. Er pustet sich in die Hände, reibt sie und dreht sich dann um und geht zu seinem Platz am Tischende.

Lou muss sich erstmal sammeln. Verdammt, das hat schon wehgetan! Sie beschließt, lieber nichts dazu zu sagen und schaut auf den Tisch, geht dann um ihn herum zu ihrem Platz. Er befindet sich am Rand der langen Kante, direkt neben ihm, nur eben mit einer Ecke dazwischen.

Er wartet auf sie, steht dann neu auf, wobei sie zurückschreckt. Will er sie schon wieder schlagen? Ihre Atmung beschleunigt sich.

„Los, setzt dich hin."

Wie ein richtiger Gentleman rückt er ihr den Stuhl zurecht, damit sie sich hinsetzten kann. Überrascht über die Gestik nimmt sie platz. Während er den Stuhl näher zum Tisch schiebt, streift er auch rein zufällig ihre Schulter.

Nachdem er sich wieder hingesetzt hat, sieht Lou auf die Speisen. Gänsebraten gibt es und vielerlei Beilagen sind auch noch angerichtet. Viel zu viel für einen gewöhnlichen Tag und für zwei Personen. Ihr Magen knurrt. Insbesondere beim Anblick der Kanne aus Glas mit Wasser darin. Das braucht sie jetzt unbedingt. Sie möchte danach greifen, auch wenn Lucius noch keine Anstalten macht, ebenfalls mit dem Essen zu beginnen.

Statt nach den Speisen zu greifen, legt er seine Hand auf ihren Oberschenkel, lässt ihn dort liegen.

Lou weitet die Augen. Das macht ein Gentleman doch nicht.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt