80. Kapitel

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Ohne ein Wort lässt Lucius die Tasche fallen und verlässt sich auf die Hauselfe, die diese knapp auffängt. Sie ächzt, wofür sie einen missbilligenden Blick erhält. Flumpi geht sofort einige Schritte zurück um nicht aufzufallen.

„Danke, Lucius.", sagt sie und sieht noch immer nicht auf. Aus den Augenwinkeln sieht sie Flumpi, die die Tasche fest an ihre Brust drückt und ein Strahlen auf ihrem Gesicht hat. Es erwärmt Lou. Automatisch muss sie auch lächeln, was Lucius doch sehr verwundert, zumal er auch zu Sprechen ansetzt. „So eine Bereitschaft etwas zu tragen? Die solltest du öfter an den Tag legen, Flumpi."

Die Hauselfe nickt. Flumpi nickt bestimmt bewusst, weil sie nicht mehr die Worte Master, Gebieter, etc. zu ihm sagen kann und ihm das auffallen würde. Deshalb schweigt sie jetzt wohl. Immerhin hält die Hauselfe sich an den Plan. Lou ist sich selbst nicht sicher, ob sie es ebenfalls kann.

„Aber frech bist du dennoch. Nun gut... Ein Glück, dass mein Engel mich beruhigt. Komm her, Lou. Ich möchte dich in die Arme schließen.", sagt er und wird immer sanfter. Lou sieht auf und schlingt ihre Arme um ihn. Sie hält ihn ganz fest. Ihr Kopf liegt seitlich auf seiner Brust und sie schließt die Augen. Sein Duft kommt ihr in die Nase.

Lucius Brustkorb bebt, weil er zu lachen beginnt. Sofort schlingt er die Arme um sie. Es entsteht ein sehr intimer Moment, in dem Lou diese Umarmung nicht auflösen will. Sie muss sich von ihm verabschieden! Wenn es schon nicht richtig mit Worten geht, dann zumindest so! Flumpi, die still daneben steht und die beiden anstarrt, schenkt sie keine Beachtung.

Lucius streichelt ihr über den Rücken. „Meine Liebe, lass uns das doch später fortführen. Wir müssen jetzt wirklich los."

Lou zeigt keine Regung, sodass Lucius zu seufzen beginnt und sie kurzerhand herumwirbelt. Er legt eine Hand auf ihr Kreuz und drängt sie, dicht hinter ihr stehen, sanft nach vorne.

Lou möchte noch den Kopf drehen und ihn wahrscheinlich ein letztes Mal betrachten, aber sie tut es nicht. Zu groß ist der Schmerz, der sich von der Freude über Flumpis Freude nicht verdrängen lässt.

„Du benimmst dich seltsam.", stellt er fest, als sie nur langsam Schritt für Schritt geht, obwohl er sie nach vorne drückt.

„Ich?", fragt sie nach, um eine rhetorische Frage zu stellen und selbst keine beantworten zu müssen. Es misslingt, natürlich.

„Ja du.", entgegnet er mit einem Schmunzeln. „Wir gesagt, ich bin nervös. Ich weiß, es gibt keinen Grund zu Sorge, aber sag das mal meinem Unterbewusstsein. Ich fühle mich unglaublich schlecht, wenn ich Leistungen nicht erbringe. Und wenn ich nicht anwesend bin, kann ich auch keine erbringen. Demnach fühle ich mich wegen gestern schlecht.Verstehst du, was ich meine?"

„Natürlich, Liebes. Ich hätte nicht so radikal sein dürfen..." Gänsehaut fährt über ihren Rücken. Er entschuldigt sich schon wieder! Und diese Spitznamen... niemand wir sie jemals wieder so nennen! Nicht auf die Art, in der er es tut. Und es wird auch niemand mehr dürfen. Diese Entscheidung fällt sie, warum weiß sie nicht. Sie schüttelt kaum merklich den Kopf.

„Mache dir keine Gedanken. Du bist gut genug. Auch wenn ich dir vielleicht etwas Anderes vermittelt habe. Ich liebe dich, weil du so bist wie du bist und ich nicht mehr möchte, dass du dich veränderst. Egal welche Leistungen du erzielst, es wird nichts mehr daran ändern. Darüber bin ich hinaus."

Lou kann über seine Worte nicht lächeln. Sie kann nicht, weil ihr schlechtes Gewissen immer größer wird. Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Ein ernstes Gespräch zu führen ist das letzte, das sie möchte. Schließlich sind das hier die letzten Minuten mit ihm! Sie sollte sie genießen! Obwohl... nein, eigentlich sollte sie ihn vergessen und sich nicht an die guten Seiten an ihm erinnern. Für ihren eigenen Schutz sollte sie sie verdrängen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist das nicht möglich.

„Du redest genau wie diese Leute an Silvester: Sie meckern das ganze Jahr über dich und am Ende des Jahres sagen sie dann doch, dass du so bleiben sollst, wie du bist."

Lucius lacht auf. „Nun, du weißt wie ich es meine."

„Jupp.", gibt sie bedrückt von sich, obwohl sie es zu unterdrücken versucht.

Lou sieht das Tor vor sich. Es wird immer größer, weil sie immer näher herantreten. Ein Kloß bildet sich in ihrem Hals. Bitte, bitte, lass uns noch länger laufen! Lass es noch nicht vorbei sein!

Aber es ist vorbei, als sie die Appariergrenze erreichen.

Anmutig reicht er ihr die Hand, damit sie sie zum Apparieren ergreifen kann. Lou zögert und schaut auf seine Backe. Am liebsten würde sie ihm noch einen Kuss geben. Vielleicht, um selbst damit besser oder überhaupt abzuschließen.

Doch als sie gerade zu ihm treten will, hat er sie bereits zart umgriffen und appariert mit ihr.

Einen Moment später stehen sie beim Eingang auf den Campus. Überall um sie herum sind Leute und Lucius zu küssen, würde nur dieselbe Aufmerksamkeit wie die von vor zwei Tagen erregen. Darauf kann sie gut verzichten.
Trotz allem dreht Lucius sie zu sich, während die überglückliche Flumpi neben den beiden erscheint.

„Einen schönen Tag wünsche ich dir... Und bitte rede nicht wieder mit dem Jungen.", flüstert er ihr zu.

Lou erstarrt, als sie das hört. Der Hauself hat also doch geplaudert! Er hat Lucius erzählt, was passiert ist. Trotz allem ist Lucius aber nicht ausgerastet! Er hat seine Drohung nicht wahr gemacht! Und das soll sie jetzt mit ihrer Aktion bestrafen?

„Und komm wieder."

Lou nickt stumm. Ihr Blick will zu seinen Augen gehen, stattdessen zwingt sie sich, ihn über die Menge gleiten zu lassen. An der Mauer erkennt sie Jack, der daran lehnt. Er starrt direkt in ihre Richtung und in seinem Blick liegt klare Traurigkeit.

„Hab einen schönen Tag.", ertönt noch die Stimme von Lucius, ehe er verschwindet. Lou schaut verdattert auf die Stelle, als wäre dort etwas Unvorstellbares passiert.

Tränen beginnen ihre Wangen hinunterzulaufen.

Flumpi, die nicht bemerkt, wie es Lou geht, klatscht freudig und tanzt im Kreis.

Ein Rauschen entsteht in Lous Ohren. Sie fühlt sich so betäubt.

Die Rufe von Jack, der auf sie zukommt, dringen nicht in ihr Bewusstsein.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt