9.Kapitel

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Eine leichte Brise, anders kann man es nicht beschreiben. Sehr ungewöhnlich für diese Gezeiten. Eigentlich ist gerade die Zeit der Stürme und Unwetter, aber allem Anschein nach ist das Meer nicht nur unzähmbar sondern auch unberechenbar. Der seichte Wind weht der jungen Sirene ins Gesicht und verträumt beobachtet sie das vorbeifahrende Schifferboot. Ein seltener Anblick einen Meermenschen so nah bei Menschen zu sehen. Eigentlich stürzen sie sich auf jedes Schiff das auch nur in die Nähe ihrer Gewässer schwimmt, aber sie ist anders. Dieser Gedanke an Rache und Vergeltung ist für sie nicht im Geringsten so groß wie der nach neuem Wissen und Erfahrungen. Sie unterscheidet sich, bis auf das Aussehen und den Körperbau, fast komplett zu ihren Artgenossen und wird daher auch eher ausgegrenzt. Aber stören tut sie das nicht, eher im Gegenteil, es spornt sie an ihren Schwersten zu zeigen, dass sie im Unrecht liegen. Seit dem Menschen herausgefunden haben das sie existieren sind sie besessen danach sie zu finden. Ab und an, wenn eine unachtsam ist wird sie gefangen genommen und für ihre Zwecke missbraucht und das ist auch der Grund für diesen indirekten Krieg. Den Menschen ist das gar nicht bewusst, aber der Groll einer Mehrjungfrau kann über Jahrhunderte andauern und so ist kein Mensch in diesen Teilen des Meeres sicher, egal wie er ist und was er getan hat. Mensch ist Mensch und so werden sie auch behandelt. Wenn sich ein Schiff in ihre Gebiete verirrt hat es keine Gnade zu erwarten und wird samt Crew in die Tiefe gezogen. Auf den Geschmack von Menschenfleisch sind sie nur durch Zufall gekommen, aber seit jeher gehört der Mensch auf ihre Speisekarte. Jyndira dagegen macht sich daraus nicht so viel, stattdessen ernährt sie sich traditionell von Fisch und anderen Schalentieren, wobei es ihr nicht immer gelingt sich gegen ihre Triebe zu stellen, da sie genauso empfindlich auf den Geruch von Blut reagiert wie ihre Schwestern. Sie selbst kann diesen Hass auf den Menschen zwar nachvollziehen aber teilt ihn nicht. Ihr ist wohl bewusst, dass Menschen grausam sein können nur glaubt sie nicht, dass das auf jeden Menschen zu trifft und so erhofft sie sich eine Chance ihren Schwersten dies zu beweisen.

„Ich wusste das du es dir anders überlegst und mit uns auf die Jagd gehst", zirpt eine ihrer Schwersten die gerade aufgetaucht ist. Jagd, ja so kann man das meucheln von Unschuldigen auch nennen. „Nein", antwortet Jyndira kalt. „Du kannst so nicht weiter machen, irgendwann musst du es auch tun ansonsten weißt du was geschehen wird", säuselt die andere Meerjungfrau vor sich hin. In der Tat, das weiß sie. Eine der schlimmsten Bestrafung, wenn eine Sirene nicht spurt, ist gebannt zu werden, denn sie sind Rudeltiere und würden es allein nicht überstehen. „Ja, dennoch werde ich es nicht tun", erwidert sie und starrt auf das Schiff auf dem die Besatzung noch nicht weiß was ihr gleich blüht. „Deine Entscheidung", mit einem kräftigen Flossenschlag taucht ihre Schwerster ab und Jyndira ist wieder ganz allein. Fieberhaft überlegt sie wie sie es schaffen kann ihre Spezies zu überzeugen, dass sie das Falsche tun. Wirklich lange kann sie aber nicht nachdenken, da das leise Meeresrauschen von den erbärmlichen Schreien der Crew übertönt wird. Wie Besinnungslose machen sich ihre Artgenossen über das Schiff her und ziehen die Besatzung von Bord. Augenrollend taucht sie unter und wir von der Schwärze des Meeres empfangen.

Nicht viel später wird sie auch schon von der Ältesten erwartet. Mit einem unguten Gefühl schwimmt sie zu ihr, um sich ihre Predigt anzuhören. „Du hast dich also immer noch nicht entschieden das Richtige zu tun? Stattdessen beobachtest du nur die Menschen?", erbost wird sie von der Ältesten angeschaut. Ihre Gesichtszüge verändern sich und ganz leicht sieht Jyndira wie sie die Zähne fletscht, als wäre sie in jeder Sekunde bereit sie zu attackieren. „Genau da liegt das Problem, ihr tut das Falsche. Wie könnt ihr nach all der Zeit glauben, dass Menschen immer noch versuchen uns zu jagen? Sie können sich geändert haben und wir bieten ihnen nur einen Grund uns zu jagen", versucht sie sich zu verteidigen, doch wird sie von der gehobenen Hand der Ältesten unterbrochen. „Menschen sind Scheusale, sie sind nicht besser als Haie. Sie töten zum Vergnügen und zum Spaß." „Genau das ist falsch, auch Haie töten nicht aus reiner Lust, sondern weil sie überleben wollen, genau wie Menschen. Wir bieten ihnen doch einen Grund uns zu vernichten. Wir sind die Bedrohung nicht sie", unterbricht sie die Älteste. „Nun gut", sagt sie und schaut Jyndira dabei tief in die Augen, "wenn du so überzeugt bist von den Menschen, dann geh zu ihnen. Leb und sterbe bei ihnen, aber wage es nie wieder zurück zukehren. Das ist mein letztes Wort", sie wendet sich ab zum Gehen. „Das könnt ihr nicht tun", blass schaut Jyndira sie an. „Und ob ich das kann und ich tat es", sagt sie und verschwindet nun ganz in der Schwärze des Meeres. Das war es also nun, sie ist eine Ausgestoßenen, eine Verachtete. Aber wirklich trauern tut sie nicht, denn vor ihr liegt eine Reise die noch nie zuvor eine Meerjungfrau angetreten ist. Doch erst mal muss sie zu den Menschen, zu ihrem Glück geht ein Handelsschiff in er Nähe vor Anker: die Deap Sea II.

In the sea is more than water (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt