28. Kapitel

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„Du scheinst mir nicht ganz anwesend zu sein." Mit diesen Worten holt Piper sie wieder in die Gegenwart. Er trifft damit genau ins Schwarze, denn sie ist viel zu sehr damit beschäftigt heraus zu finden, weshalb sie dieses Unbehagen empfindet. Das quält sie schon eine geschlagene Ewigkeit, wodurch sie nicht bemerkt hat das sie allein mit Piper im Raum ist. „Wo sind die Anderen?" „Das Gespräch zwischen Edward und Sparrow verlief im Sande und so gingen sie erfolglos auseinander", klärt er sie auf. „Was passiert denn jetzt? Lassen wir Jack beim nächsten Hafen raus oder bringen wir im schwimmen bei?" Fragend schaut sie in sein belustigtest Gesicht. „Weder noch. Ich nehme an das wir das erst mal etwas aussitzen werden, solange bis Sparrow etwas zu seiner prekären Situation eingefallen ist", spricht er das aus, wovor Jyndira ein wenig bammel hat. „Wir dürfen hier nicht länger verweilen", sagt sie mit leicht zitternder Stimme. „Ich kann es nicht genau erklären, aber desto länger wir hier bleiben, desto gefährlicher wird es." Pipers Mundwinkel rutschen wieder herunter und Besorgnis zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. „Das klingt sehr abwegig, da weit und breit nichts zu sehen ist, aber du hattest bisher zu oft recht, so dass wir deine Bedenken mit Edward teilen sollten." Er schaut sie eindringlich an und fährt fort: „Aber sag, wie kommst du zu der Annahme?" „Es ist nur so ein Gefühl, doch ich glaube, nein, ich weiß das wir nicht mehr alleine sind." In ihren sonst so wachsamen Augen spiegelt sich nun Furcht wieder und Piper weiß, wenn sie sich vor etwas fürchtet, dann lässt das Unheil nicht lange auf sich warten.

Den gesamten Tag läuft Jyndira nervös auf dem Deck auf und ab und versucht herauszufinden, woher dieses ungute Gefühl kommen mag. Ihr fällt jedoch beim besten Willen nichts ein. Das etwas mit ihr nicht stimmt ist mittlerweile auch dem letzten Rudergänger aufgefallen und so wird sie von allen Seiten scharf beäugt. „Was beschäftigt Euch so sehr? Eine gewisse Unruhe schleicht sich in die Crew und das ist alles andere als förderlich", wird sie von Atencio angesprochen. Da seine Dienste zurzeit nicht beansprucht werden schlendert er ebenfalls über das Schiff und grübelt darüber, wie er endlich die Streitigkeiten mit Clows zum erliegen bringen kann. „Ach, es ist nichts besonderes", lügt sie und hofft inständig, dass er es damit aus sich beruhen lässt, da sie nicht erneut darüber sprechen möchte. „Nun gut. Derzeit können wir nichts anderes tun, als abwarten. Ich hoffe das ist Euch bewusst?" Er setzt seinen Weg fort und Jyndira folgt ihm. „Ja, aber ich glaube nicht, dass es hier lange sicher ist", erwidert sie und bemerkt, das Belphegor sie mit seinen Worten ausgetrickst hat und sie es ihm schließlich doch gesagt hat. „Über Eure Bedenken hat uns Beelzebub schon aufgeklärt. Ich möchte Euch wirklich ans Herz legen nicht zu viel darüber nachzudenken, denn manchmal ist ein Gefühl einfach nur ein Gefühl", versucht er sie zu beschwichtigen. „Danke", antwortet sie ehrlich auf seinen Versuch. „Jyndira!" Es ist kaum wahrnehmbar, da das Wort vom Winde mitgerissen wird, doch kommt es dennoch bei ihnen an. Atencio und Jyndira drehen sich beide zu dem Mann um, der nach ihr gerufen hat. „Was möchte er von Euch?", fragt Atencio sichtlich verwirrt und schaut zu ihr hinunter. „Ich habe absolut keine Ahnung." Der Mann hebt seine Hände an und legt sie um seinen Mund, so dass eine Art Trichter entsteht. „Jyndira!", ruft er erneut und winkt sie zu ihm. „Ich denke Ihr solltet zu ihm gehen, nicht das er seine Stimmbänder überlastet", witzelt Belphegor, denn der Mann hat eine wirklich leise Stimme. Sie grinst über seine Aussage und verabschiedet sich von ihm: „Na hoffen wir mal nicht, nicht das wir ihn dann gar nicht mehr verstehen." Sie lässt den Navigator stehen und bewegt sich auf den dürren Mann zu. „Zorak, was eilt so sehr, dass Du den kurzen Weg nicht zu mir gehen kannst?" Abwartend schaut sie den Quartiermeister an. „Es geht um das Pferd", antwortet er leise und sie wundert sich, dass sie ihn von so weit entfernt rufen gehört hat. „Es hat die Mohr- und Zuckerrüben gefunden und fast alles aufgefressen. Ich denke nicht, das sich das Turin gefallen lässt." Weiter muss er gar nicht sprechen, denn sie hat ihn stehen gelassen und eilt zu der Treppe hinunter zu der Kombüse. Mit großen Schritten überspringt sie Stufen nach unten und verliert dabei beinahe das Gleichgewicht. Mit wackligem Stand kommt sie heil unten an und zwängt sich durch die Fässer. Doch sie kommt zu spät. Mit beiden Füßen steht sie in einer riesigen Blutlache. Arachman, einer der Bootsjungen, beginnt neben ihr schon langsam die Sauerei weg zu wischen. „Turin!", brüllt sie voller Zorn. Sie weiß genau das die Nahrung nur begrenzt vorhanden ist und ein verfressenes Pferd für ihr überleben nicht hilfreich ist, aber sie kann es nicht leiden, wenn jemand über ihren Kopf hinweg entscheidet. „Wie kannst du es wagen?!" Ohne auf den Bootsjungen oder auf das Blut zu achten geht sie einfach weiter. Sie kommt dem Ort des Geschehens immer näher, da sie sieht das von dort das frische Blut geflossen kommt. „Guten Tag, Jyndira", begrüßt Mr. Turin sie mit einem schelmischen Grinsen auf dem Gesicht, „du kommst gerade richtig. Würdest du mir kurz unter die Arme greifen?", fragt er scheinheilig und hält ihr das Beil hin. Auf dem Boden liegt der große Hengst. Mr. Turin war schon fleißig am werkeln, denn er hat vollständig die Haut abgezogen und so kann man deutlich die Muskelstränge und Fasern sehen. „Wir müssen es erst mal ausbluten lassen, bevor ich mich weiter ans Werk machen kann", redet er unbeirrt weiter ohne auf den fassungslosen Blick von ihr einzugehen. Sie ist von dieser Dreistigkeit so schockiert, das sie kein Wort mehr herausbringen kann. „Am besten ist es, wenn wir es aufhängen, dann läuft es besser aus." Man sieht ihm seine Freude über diesen Siegeszug deutlich an und fröhlich pfeifend hackt er die Arterien und Venen auf, damit das Blut besser ablaufen kann. „Würdest du möglicherweise die Rudergänger holen? Dann können wir das Pferd an allen Hufen hochziehen." Er schaut hoch und wartet geduldig auf eine Antwort. „Das wirst du bereuen", brummelt sie und macht auf den Hacken kehrt, da sie diese Niederlage wohl oder übel akzeptieren muss. Es ist eine kluge Idee von Turin die Rudergänger zu beordern, da sie die Stärksten an Bord sind. Sie würde es zwar niemals zugeben, aber innerlich freut sie sich doch auf ein frisches saftiges Stück Fleisch.

Mit schnellen Schritten geht sie über das Deck und springt in die Luke, zu der man zu den Schlafplätzen und dem Rumkeller gelangt. Zu ihrer Überraschung befindet sich keine Menschenseele Unterdeck. Mit verwunderten Blicken schaut sie sich um und geht den engen kleinen Gang entlang und schaut in jede Hängematte hinein, um keinen zu übersehen. Am Ende des Raumes muss sie feststellen, das sich wirklich keiner in ihrer Nähe befindet. Sie schaut nach links die enge Leiter hinunter. Dort befindet sich der Rumkeller, der einzige Ort auf diesem Schiff in dem sie sich unwohl fühlt. Nicht wegen der Dunkelheit oder den verwinkelten Ecken, es ist viel simpler. Sie kann den Geruch von Menthol und Alkohol nicht ertragen. In dem Raum ist es stickig und dadurch bleibt der beißende Geruch in der Luft. Sie möchte auf Nummer sicher gehen und überwindet sich die Treppe hinab zu steigen, denn alle auf dem Schiff wissen, wenn man von Jyndira nicht entdeckt werden möchte muss man nur in den Rumkeller gehen, wobei ihr kein triftiger Grund einfällt, weshalb man ihr aus dem Weg gehen möchte. Mit einem letzten tiefen Atemzug geht sie die Treppe runter und muss die Augen zusammenkneifen, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Nur durch die Spalten fällt noch etwas Licht von der untergehenden Sonne. Sie nimmt sich eine kleine Petroleumlampe und entzündet den Docht, der ihr ein wenig Licht spenden soll. Es ist so leise, das sie nur die aufschlagenden Wellen an der Bordwand hört. Kopfschüttelnd möchte sie wieder nach oben gehen, doch hört sie das dumpfe Aufschlagen einer Glasflasche. Der Boden ist mit leichtem Moos bewachsen, wodurch sie nicht zersprungen ist. „Ist jemand hier?", fragt sie in die Stille und erhofft sich keine Antwort. Sie spitz die Ohren und hört das sich von weiter hinten etwas Schleimiges bewegt. Doch als wenn das nicht schon genug ist kann sie schweres Atmen wahrnehmen. „Wer ist da?" Sie erhält erneut keine Antwort. Langsam macht sich Unsicherheit in ihr breit, doch lässt sie sich nicht beirren und geht auf den Ort zu, an dem sie glaubt die Flasche fallen gehört zu haben. Mit dem kleinen Licht als Waffe, welches sie weit nach Vorne streckt, um möglichst viel zu sehen, geht sie um das nächste Regal und erstarrt. Sie hat mit allem gerechnet, aber nicht damit. Voller entsetzten schaut sie in zwei grüne Augen, welche sie hämisch anschauen. „Wer seid Ihr und was macht Ihr hier?", fragt sie bestimmend nach dem sie den ersten Schreck verarbeitet hat. Sie kann ihre Gefühle nicht einordnen, denn Angst empfindet sie nicht und auch keinen Eckel, während sie in sein Gesicht schaut, welches nur noch grob an das eines Menschen erinnert. „Nun, das Selbe wollte ich Euch auch fragen", spricht nun der Fremde. Er geht auf sie zu, dabei zieht er sein rechtes Bein hinterher, wobei es kein menschliches ist, sondern an das einer Krabbe erinnert. Ehrfürchtig macht sie einen Schritt zurück und legt sich ihre Worte zurecht: „ich muss mich nicht rechtfertigen." Sie stellt sich aufrecht hin und schaut ihn eindringlich an, denn sie sieht, dass sie auf der gleichen Ebene stehen, denn beide sind ein Teil des Meeres. „Ein Freund von mir ist auf der Suche nach Euch. Er möchte Euch einen Handel vorschlagen", spricht sie weiter, da sie zu wissen glaubt, wer vor ihr steht. Sie sieht das er am überlegen ist, dabei winden sich seine Tentakel an seinem Kiefer umher. Er kneift die Augen zusammen und wendet sich von ihr ab. „Wir werden sehen", mit diesen Worten läuft er auf ein Regal zu und wird von diesem verschluckt. Irritiert starrt sie auf die Stelle, an der zuvor noch der Fremdling stand. Sie ist mit der Situation ein wenig überfordert, da sie nicht ganz versteht, weshalb er hier war. „Was machst du hier unten? Edward sucht dich er musst dir etwas unschönes beibringen." Piper reist sie aus ihrer Trance und lässt sie wieder einen klaren Gedanken fassen. „Ich denke da ist er nicht der Einzige", antwortet sie und läuft auf ihn zu. In dem Wissen, das dies eine lange Nacht werden wird.

In the sea is more than water (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt