Kapitel 18

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Cora

An jenem Abend setzte ich mich in den Flieger nach Chicago, ohne zu wissen, was auf mich zukommt und ließ James einfach am Flughafen stehen. 

Damals war ich mir nicht sicher gewesen, ob ich nicht vielleicht auch Gefühle für ihn hatte, heute bin ich es mir sicher, ich hatte welche. Die ersten paar Wochen schrieben wir auch ab und an. Er erkundigte sich nach meiner Ausbildung und ich nach seiner, aber dann wurde es immer weniger, bis ich schließlich aufgrund meiner Arbeit meine Handynummer wechseln musste und dabei James' verlor. 

Seine Verlegung hatte sich aufgeschoben und ich hatte nie erfahren, wohin er schließlich verlegt wurde. Ich hatte mich danach so schlecht gefühlt, weil er wahrscheinlich dachte, ich hätte ihn blockiert oder ignoriert.

Von meinen Eltern hatte ich auch nichts mehr gehört. Einmal hatte Dad mich angerufen und gefragt, wie ich denn klarkomme. Ich hatte ihm nicht gesagt, dass ich umgezogen bin. Außerdem informierte er mich darüber, dass meine Mum und er sich scheiden lassen wollten.

Mir war das eigentlich ziemlich egal, denn eine perfekte Ehe hatten sie eh nie geführt. Mum wollte ausziehen, was sie dann machen wollte war mir gleichgültig.

Tori. Sie hatte mir auch unzählige Male geschrieben und mich angerufen, dabei aber nicht einmal erklärt, wieso sie mich ignoriert hatte beziehungsweise wieso sie so tat, als sei sie verreist. Eine Antwort darauf bekam ich nie. Irgendwann hatte ich ihr dann gesagt, dass ich nicht mehr in Lincoln wohnte und wir uns sowieso nicht sehen könnten, selbst wenn ich wollte. Ab und zu schrieben wir noch, aber da sie nicht mit der Sprache rausrücken wollte, war unsere Freundschaft kaum noch vorhanden.

Aber das alles machte mir inzwischen relativ wenig aus, denn ich hatte ein unglaublich nettes und aufnahmefreundliches Team in einer WG kennengelernt. Sie waren nun meine Freunde und Familie, denen ich blind vertrauen konnte.

Ich wurde am Abend der Abreise am Chicago Airport von einer netten Dame empfangen, die anscheinend schon wusste, wie ich aussah, denn sie kam auf mich zu und fragte mich, ob ich Cora Harred sei. Ich bin nur knapp zwei Stunden geflogen. Sie brachte mich auch samt meinem ganzen Gepäck zur WG und stellte mich den anderen vor.

„Hi. Ich bin Jack Afia. Freut mich.", stellte sich der junge hochgewachsene Mann vor. Er war Schwarz und trug einen kleinen Afro. Der schicke Anzug, den er trug, wirkte, als käme er gerade erst von der Arbeit. Ich schätzte ihn so um die Mitte zwanzig, auf jeden Fall älter als ich.

Es stellte sich heraus, dass Jack beim Amt in Chicago in der Kriminalabteilung arbeitete, also bei Mordermittlungen assistieren und so. Er wirkte auf Anhieb sympathisch und mir sehr gastfreundlich.

Dann war da noch eine junge Frau. Sie war zirka so alt wie ich, groß und etwas mollig. Jedoch hatte sie ein schmales Gesicht und ihre dunkelblonden Korkenzieherlocken sprangen bei jedem Wort, das sie sprach. Sie trug hingegen bequeme Alltagskleidung, was mich um diese Uhrzeit nicht verwunderte. „Ich bin Hailey Griffin. Schön dich kennenzulernen. Wie war dein Flug?", erkundigte sie sich direkt. Hailey arbeitete im Fach Diebstähle und Einbruch.

In welcher Abteilung ich arbeiten würde, wusste ich damals noch nicht so genau. Doch als ich mich genauer informierte, wollte ich in der Abteilung für Entführungen, Erpressung, verschwundene Leute, arbeiten. Ich würde somit anderen Familien Helfen dabei helfen, das durchzustehen, was mir beziehungsweise meiner Familie zugestoßen ist. Eigentlich nicht uns, sondern Mary, meiner Schwester

Ich fing direkt eine Woche später mit der Ausbildung an. Was man aber vorab wissen sollte, man kann sich dabei enorm hocharbeiten. Jack war schon seit Jahren mit seiner fertig gewesen und hatte sich nach zwei Jahren Berufserfahrung als Abteilungsleiter hochgearbeitet. So auch Hailey, sie jedoch arbeitete sich zum Teammitglied durch. Hier mal eine kurze Übersicht:

Amtsleitung - bekommt die Fälle gemeldet

Abteilungsleiter - kümmert sich um alle eingehenden Fälle, verteilt diese
Teamleiter -
 leitet das Team, nimmt Fälle entgegen
Teammitglied -
 bearbeiten die Fälle, müssen wie die Verbrecher denken
Teamwechsler -
 schaut immer bei verschiedenen Fällen vorbei
Beamtenassistent -
 assistiert hier und da ein paar Teammitgliedern, -leitern, Abteilungsleitern

Ich war also am Anfang ganz unten und hatte mich in eineinhalb Jahren bis zur Teamleiterin hochgearbeitet, während der Ausbildung, wohlbemerkt. Man sagte mir, ich lerne schnell, schneller als der Durchschnitt, das sah man nicht oft.

Ich war zwar gemeinsam mit meinem Kollegen Sebastian Wynter aber alle nannten ihn Bash, Teamleiterin, aber das machte mir selten was aus, nur wenn wir Meinungsverschiedenheiten hatten. 

Mein Team bestand aus insgesamt sechs Leuten, Bash, der außerordentlich gutaussehende, blauäugige, dunkelhaarige Mitleiter; und mir, Nicolas Ryder, ein unscheinbarer Mann mittleren Alters, dessen Haar schon mit grauen Strähnen durchzogen war; Jenna Korf, unser junger rothaariger Ordnungsfreak; Marcus Goran, der blonde muskulöse Außendienstarbeiter und Camille Breton, unser kurzhaariges Genie.

Wie dieser Erfolg kam? Ich löste einen Fall eines verschwundenen Mädchens, dass fünf Jahre als vermisst galt. Neben den anderen Fällen, die wir täglich bearbeiteten.

Dafür bekam ich Lob aus den höchsten Ständen und die Familie, die ihre inzwischen jugendliche Tochter endlich wieder in den Arm nehmen konnten, war mir überaus dankbar. Eine ordentliche Gehaltserhöhung bekam ich dafür auch.

Ich lebte mich schnell in der WG ein, Jack und Hailey nahmen mich sehr gastfreundlich auf und wir entwickelten uns zu richtigen Freunden. Die Wohnung, in der wir wohnten, war meiner Ansicht nach sehr groß. 

Natürlich hatte jeder sein eigenes Zimmer, wir hatten zwei Bäder, eins für uns Mädels und eins für Jack, eine große Küche, in der wir drei auch problemlos etwas gleichzeitig machen oder kochen konnten, was aber nicht sehr oft der Fall war, da wir teilweise unterschiedliche Arbeitszeiten hatten. Auch das Wohnzimmer bot viel Platz, jedoch benutzten wir es eigentlich nur an den Wochenenden.

Mein Zimmer fand ich persönlich am besten. Ich hatte die Wand mit einer riesigen Glaswand, klar hatte es seine Nachteile, aber die Aussicht war unglaublich. Mein Zimmer war rechteckig in die breite gezogen. Links stand mein Doppelbett nur für mich alleine, vor der Tür. Wie Wand gegenüber der Glaswand besaß einen eingebauten Kleiderschrank. 

Ein paar Regale an den Wänden und auch ein Bücherregal, welches ideal für meine ganzen Bücher war, gab es auch. Direkt vor der Glaswand stand der Schreibtisch, jedoch hatte ich ihn ganz nach rechts bis an die Ecke geschoben, um in der Mitte platzt zu haben, damit man sich auf den Boden vors Fenster setzten konnte, so wie bei mir früher im Zimmer an die Fensterbank. Ich hatte auch Vorhänge rechts und links, die ich immer zuzog, wenn ich mich umzog.

Es war sehr gemütlich und mit ein paar Lichterketten und etwas Deko wurde es das noch mehr. Außerdem stand mit dem Mai auch der Frühling vor der Tür, weshalb wir wahrscheinlich wieder etwas buntere Dekorationen herauskramen würden.



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Haters or Lovers?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt