Kapitel 44

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James

Sie war nie mutig gewesen was Mutproben oder dergleichen anging, aber das hatte sich geändert. Das Leben hatte sie geändert. „Bist du bereit?", erkundigte ich mich ein letztes Mal. „Bereit.", versicherte sie mir nun standhafter.

Der Treffpunkt befand sich in einem Park namens Gathering Place und befand sich am Örtchen De Soto, ungefähr 30 Minuten Autofahrt von Kansas City entfernt. Wir hatten keinerlei Verbindungen zwischen den uns bekannten Personen oder auch nur irgendetwas finden können. 

Zudem lag der genaue Punkt an einem Bach namens Kill Creek. Klingt doch vielversprechend. Und dazu noch in einer Biegung des Spazierwegs, der von beiden Seiten zirka eine Meile von der Straße entfernt sind.

Da wir, falls wir fliehen mussten, nicht so weit rennen mussten, stellten wir das Auto genau auf der anderen Seite des Bachs. Im Notfall müssten wir drei Meter durch den Bach rennen. Doch damit wir uns beim ersten Mal nicht nass wurden, gingen wir vier Meilen um den Park herum. Lieber das, als dass wir möglicherweise später so weit rennen mussten.

„Du weißt, wie riskant das ist, oder?", vergewisserte ich mich nochmals bei Cora. Diese schnaubte nur. „Ja James, sonst würde ich jetzt gemütlich im Büro sitzen und meinen Kaffee trinken.", entgegnete sie mir. „Wir haben ein ordentliches Stück vor uns, das ist dir auch klar?"

„Sehr klar sogar. Sind wir schon mit den Anderen verbunden?", erkundigte sie sich. „Ja, seid ihr.", beantwortete Camille die Frage, die eigentlich an mich gerichtet war.
Cora verdrehte nur die Augen. 

„Perfekt. Also, mir fällt soweit nicht auf. Viel Wald und Wiese. Aber wie ich gelernt habe, täuscht das ja bekanntlich.", gab sie von sich. „Das stimmt wohl. Aber Cora hat recht, es fällt noch nichts auf."

Die Lokation war sehr gefährlich. Falls hier irgendwo im Gebüsch ein Schütze hockt, sind wir in null Komma nix tot. Das hatte ich Cora auch klargemacht.

Nachdem wir wahrscheinlich 20 Minuten in die Mitte des Parks gegangen sind, wo uns links der Bach den Weg abschneidet und rechts eine knappe Meile Wiese bis zur Straße uns den Weg versperrte, hatten wir nur einen Fluchtweg – durch den Bach.

Irgendwas Auffälliges?", erforschte Jack, nachdem Cora und ich weiter schweigend nebeneinander hergingen. Uns fehlten ein paar hundert Meter, bis der Gehweg die Biegung macht. Hier konnten wir nicht so offen reden, wie bei mir zu Hause beispielsweise, denn alle hörten zu. 

„Situation unverändert.", antwortete Cora vor mir. Sie war voll drin in dem Agentensein. Obwohl sie keine war, blieb sie ruhig, machte keine hektischen Bewegungen und war stehts auf der Hut.

Wir kamen an der Biegung an und sahen erstmal keinen. Die Zeit, die uns genannt wurde, war 15 Uhr, es war zwei Minuten nach. „Nach niemand zu sehen. Wir hätten nicht herkommen sollen.", entgegnete ich beiden Seiten. 

„Jetzt sei doch nicht so ungeduldig. Vielleicht kommt noch jemand oder wir finden etwas.", versuchte Cora mich zu ermutigen und sah mich sanft an. Direkt fühlte ich mich etwas wohler als zuvor.

Ich drehte mich nochmal um meine eigene Achse und meinte, etwas im Gebüsch gesehen zu haben. Und keine Millisekunde später flog der erste Schuss knapp an meinem Ohr vorbei.

Cora

Ein lautes Knallen, wie als würde ein Luftballon zerplatzen, nur zehn Mal lauter, riss mich aus meiner Konzentriertheit alles anzusehen und irgendwas Auffälliges zu bemerken.

Mich durchfuhr ein panisches Ziehen von den Ohren bis zu den Zehen. Erschrocken schrie ich auf und mein Blick flog direkt zu James.

Dieser hatte geistesgegenwärtig reagiert und seine Waffe gezogen, schoss aber nicht. Noch nicht. Dann schaute ich in die Richtung, wo der Schuss herkam. „Ein Schuss? Was ist passiert?", fragten alle auf Station gleichzeitig in mein Ohr.

Aber ich war wie erstarrt. „Ja.", flüsterte ich. Mehr bekam ich nicht über meine Lippen. James sah mich eindringlich an. Noch ein Schuss. Dieser flog knapp an mir vorbei. „Verschwindet von dort! Sofort!", rief Camille in meinen Kopf.

Da der Weg fast direkt am Bach lag, waren es nur vier Meter oder so bis dorthin. Ohne zu zögern, sprang ich in das Wasser. Besonders tief war es auch nicht, das Wasser ging mir nur bis zur Hüfte, James gerade mal bis zur Mitte seiner Oberschenkel. 

Das Wasser ließ sich nur mit Mühen durchqueren, erstens, da man im Wasser langsamer ist als an Land und zweitens, uns die Strömung noch zur Seite mitzog. Das Wasser war für Ende Mai viel zu kalt, ich stolperte ein-, zweimal bis ich mich endlich, von oben bis unten klitschnass, am anderen Ufer hochziehen konnte.

James half mir dabei, er war nur ein knappes Stück hinter mir gewesen. „Mach schon Cora wir müssen hier weg oder wir sind gleich tot!", schimpfte er und es lief mir eiskalt den Rücken herunter. Noch kälter als es schon war. Das war ja mal eine motivierende Ansage.

Ich sah schon das Auto, das ungefähr zehn Meter vor uns nach ein paar Bäumen stand. „Aufmachen.", keuchte ich an das Team gerichtet. Da man in so einer Situation keine Zeit mehr hatte, noch gemütlich den Autoschlüssel heraus zu kramen, konnte man die Autos manuell auf der Station öffnen. Die Lichter blinkten. Ich blickte über meine Schulter, wo James dicht neben mir herrannte.

Noch ein kleines Stück... dachte ich mir. Meine Beine waren taub vor Kälte meine Lunge brannte vor Anstrengung und aber auch wegen der nackten Panik, die mich überfiel, als ich es schießen hörte.

Ich wollte einfach nur noch weg. 



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Haters or Lovers?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt