Cora
Wir warteten im Wartebereich bis ihr Flug aufgerufen wurde und machten uns anschließend auf den Weg zum Gate.
Ich drehte fast durch vor Nervosität. Meine Hände waren nach wie vor schweißnass und mir war extrem warm. Und sobald ich meinen Dad erblickte, wurde es auch nicht besser. Ich sah ihn schon von weitem, er mich aber nicht, was ich ehrlich gesagt ganz gut fand.
Aber sobald er mich erblickte, wichen alle Emotionen aus seinem Gesicht. Er wirkte auf einmal so alt. Ich dachte, er bekäme gleich einen Herzinfarkt, aber das passierte dann zum Glück doch nicht. Seine Augen weiteten sich enorm, er war ganz blass vor Schreck. Wie ich wohl aussah. Ich konnte mich dennoch nicht beruhigen, im Gegenteil, ich wurde noch nervöser.
Ich spürte kurz, wie James zu mir herüberschielte, tat aber so, als würde ich ihn nicht bemerken. Bloß keinen Verdacht schöpfen lassen. „James, Liebling! Ach lass dich drücken.", begrüßte seine Mum ihn. Er schien aber nicht so erfreut zu sein, beziehungsweise dachte ich, er würde sich mehr freuen.
Dann stand mein Dad vor mit. Völlig außer sich und nicht wissend, was wir jeweils sagen sollten, schwiegen wir. James räusperte sich. „Da wir uns alle eigentlich gegenseitig kennen, müssen wir uns nicht vorstellen.", versuchte James die Stimmung etwas aufzulockern.
Das war eine neue Eigenschaft von James. Er konnte sich anpassen. Früher setzte er immer seinen Willen durch, naja jetzt machte er das immer noch, aber er war immer gleich. Stur, arrogant, dickköpfig. Und niemand konnte etwas dagegen tun. Jedenfalls bis jetzt.
„Cora, was machst du denn hier?", war das Erste, was mein Dad zu mir sagte. In keinem besonders aussagendem Ton tat er dies. Ich war völlig überrumpelt, da ich nicht wusste, wo ich anfangen sollte. „Äh, das ist eine lange Geschichte. Ich kann es ja unterwegs erklären.", war das Beste, was mir schnellstmöglich einfiel.
Da niemand mehr etwas sagte, machten wir uns gemeinsam auf den Weg zum Auto und somit auch zur Fahrt zu James Wohnung. Während wir fuhren erzählte ich bisschen von meinem Berufsleben und wie ich hier in Kansas City gelandet bin.
„Wow, du hast ja richtig Karriere gemacht.", bemerkte mein Dad einmal, mehr fiel ihm dazu anscheinend nicht ein. James Mutter hingegen war begeistert darüber, dass wir zusammenarbeiteten. „Es ist wirklich Schicksal, dass ihr beide euch wieder getroffen habt. Was ein Glück man doch haben kann!", erläuterte sie.
Ich schielte zu James herüber und sah seine Mundwinkel zucken. Er musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Sofort spielte mein Körper verrückt und mir wurde wieder warm, was allzu bekannt war in seiner Gegenwart.
James
Die Begegnung mit unseren Eltern verlief ganz anders, als ich es hätte erwarten können. Weder mehr positiv noch negativ. Es war einfach nur seltsam. Aber immerhin gab es keinen Streit, dennoch wirkte Coras Vater nicht besonders erfreut sie zu sehen. Was ein Idiot. Ich hatte nie verstanden, wie man sein Kind so im Stich lassen kann.
Cora erzählte während der Fahrt, wie wir uns gefunden hatten und so weiter. Ihren Vater schien das nicht brennend zu interessieren, meine Mutter aber umso mehr. Sie hörte nicht auf Fragen zu stellen und fragte auch schließlich, ob wir zusammen seien. Cora schien darauf nicht vorbereitet gewesen zu sein, denn sie stockte.
„Äh, nein sind wir nicht.", stammelte sie. Doch der skeptische Blick meiner Mutter schien sie noch mehr zu verunsichern. „Mum", mahnte ich sie. „Ist ja gut, ihr müsst es selbst wissen."
Der Blick, den Coras Dad mir zuwarf, hätte mich töten können, wenn er es denn könnte. Schon wieder stieg mir die Wut bis zum Hals, doch ich versuchte mich zurückzuhalten. Ich konnte nicht einfach ausrasten, obwohl ich das am liebsten würde.
Ich stelle einfach als Gegenfrage, wie es dazu kam, dass sie beide zusammen waren. Darauf waren sie jetzt nicht vorbereitet gewesen. „Das hat sich einfach so ergeben. Als Hank sich von Marilyn getrennt und ich deinen Dad rausgeschmissen hatte, sahen wir uns irgendwie immer öfter uns sind dann einfach mal ausgegangen.", erläuterte sie uns.
„Habt ihr ein Problem damit? Ihr beide seid so ruhig und zankt euch gar nicht?", erkundigte sie sich. Cora schüttelte nur den Kopf und ich stimmte ihr mit einem „Mh-mh" zu. „Wir haben die Zankereien beiseitegelassen."
Um die Stimmung, die nicht gerade prickelnd war, etwas aufzulockern, schlug ich vor, etwas zu kochen. „Ich kann dir gerne helfen.", bot mir Hank sofort an, was mich ziemlich überraschte. Ich fing Coras Hilfe suchenden Blick auf, konnte aber schlecht ablehnen.
„Naja, eigentlich würde ich alles selbst hinbekommen, aber wenn Sie darauf bestehen, gerne.", gab ich zurück und sah Cora entschuldigend an. Ich machte mich auf den Weg zur Küche und deutete Mr Harred an, mir zu folgen.
Eigentlich hatte ich gerade wirklich gar keine Lust ihn auch nur anzusehen. Und noch weniger, Cora mit meiner Mutter im Wohnzimmer alleine sitzen zu lassen.
Da es schon nach 21 Uhr war, musste ich mir was Schnelles überlegen und entschied mich für Ofengemüse.„Was willst du von meiner Tochter?", fing er an mich auszufragen, sobald wir die Küche betreten hatten. „Wie bitte?", fragte ich völlig irritiert. „Schon richtig gehört. Hat sie dir immer noch nicht klargemacht, dass sie nichts von dir will?", erforschte er.
Rasch entflammte die bekannte Wut, die in mir aufkam.„Erstens, ich will gar nichts von ihr, damit das klar ist. Und zweitens, was interessiert es Sie eigentlich? Nach der ganzen Zeit, in der Sie sich einen Dreck um Cora geschert haben? Nachdem Sie sie rausgeschmissen haben, einfach so? Naja es war ja nicht ohne Grund, sie wollte ja ihr Leben so leben, wie sie es wollte, stimmt."
Hank sah mich extrem zornig an. „Was bildest du dir eigentlich ein, über das Leben meiner Tochter urzuteilen?", fragte er gefährlich leise. „Ich urteile nicht, ich sagen Ihnen nur, was ich denke und dass Sie einen enormen Fehler gemacht haben.", konterte ich.
Und da er wusste, dass ich recht hatte, fiel ihm wahrscheinlich nichts mehr ein als einen Schritt näherzukommen und auszuholen.
[ ~ 974 Wörter]
DU LIEST GERADE
Haters or Lovers?
RomanceEine 20-jährige, unscheinbare Studentin aus Nebraska namens Cora Harred. Sie lebt ein durchgeplantes Leben, was ihr irgendwann so öde vorkam, dass sie sich dafür entschied, die Uni abzubrechen. Wäre sie sich aber über die Konsequenzen ihres Handelns...