Der Campus sowie das Universitätsgebäude selbst waren bereits um kurz nach fünf Uhr nachmittags wie ausgestorben gewesen, als wir mit unserem Gepäck die Treppen zum Keller hinab und in Richtung Bandraum gewalzt waren. Entweder hatte sich an diesem Samstag noch weniger Studenten als sonst zu ihren Wochenend-Vorlesungen bequemt, oder sie hatten sich tatsächlich von der Unwetterwarnung abschrecken lassen.
Letzteres war etwas, was man von unserer Truppe nicht unbedingt behaupten konnte. Dafür war unser Tunnelblick auf ein bestandenes Modul viel zu groß. Ich hoffte einfach, diese Probe so schnell und so erfolgreich wie möglich hinter uns bringen zu können, ohne uns mit unnötigen Verzögerungen aufhalten zu müssen.
Dementsprechend hektisch riss ich beim Aufbau an Kabeln und Ordnern herum und musste Louis mehrmals einen Stoß versetzen, als dieser es sich unzählige Male mitten im Chaos bequem machte, mir absichtlich im Weg herumlungerte und dabei provokant gähnte.
Bei diesem Trottel wäre eine Ohrfeige längst überfällig, aber ich würde mich hüten, diese auszuteilen, wenn sein Freund in der Nähe war. Man traute es Harry zwar nicht zu, aber er konnte verblüffende Gewaltbereitschaft entwickeln, wenn er es für nötig hielt.
Meistens kamen diese Aggressionen aber lediglich während der Bandproben zum Vorschein, wenn die Dinge alles andere als rund liefen. Zum Beispiel dann, wenn Romy und Colin alles unnötig verkomplizierten. Oder über die Planung jammerten, ohne dabei selbst einen Finger zu rühren. Oder wenn Romy es mal wieder für nötig hielt, uns mit ihren Hirngespinsten vollzuschwallen.
Genau das tat sie vermutlich auch jetzt gerade, wie ich aus den Augenwinkeln wahrzunehmen glaubte. Jedenfalls warf sie in dieser Sekunde in dramatischer Gestik ihr langes, hellbraunes Haar über die Schulter, ununterbrochen quatschend, während sie mit vor Aufregung glänzenden Augen anklagend auf den Fensterschacht wies.
Mit der anderen Hand zog sie sich ihren obligatorischen, quietschgelben Schal von den Schultern, um ihn neben sich auf der Ablage des E-Pianos zu platzieren, wobei an ihrem Hals eine Kette mit auffälligem Amulett-Anhänger zum Vorschein kam.
Harry, der mit verschränkten Armen und mürrischem Gesicht vor ihr stand, sah aus, als hätte er sie damit am liebsten stranguliert. Der Blick, den er anschließend in meine Richtung warf, sprach Bände.
Ganz offensichtlich befürchtete Romy mal wieder, an diesem Abend von Gespenstern heimgesucht zu werden. So wie auch schon während der Proben in den letzten drei Monaten.
Oder waren es doch Dämonen? Oder Untote? Oder war das nicht dasselbe? Ich wusste es nicht und war mir auch ziemlich sicher, dass ich es auch nicht unbedingt wissen wollte, aber Romy hatte schon immer einen Narren an dieser ganzen Thematik gefressen – und ging uns allen damit massiv auf den Sack.
Vor allem, wenn wir bis spätabends probten und danach quer durch das dunkle Gebäude laufen mussten, drehten ihre Überzeugungen vollkommen am Rad, ließen sie überall verdächtige Schatten sehen und brachten sie dazu, sich so fest an ihrem Amulett festzuklammern, dass die Kette beinahe riss.
Und natürlich wurde sie niemals müde, uns an ihren Theorien teilhaben zu lassen.
Harry hoffte offenbar darauf, von irgendjemandem aus dieser unfreiwilligen Konversation gerettet zu werden, aber von mir erhielt er nur ein Schulterzucken. Meinem ohnehin schon vor Hektik brodelnden Blutdruck würde es nicht guttun, mich nun auch noch mit unserer verrückten Bandkollegin herumschlagen zu müssen, jetzt wo Louis mir endlich meinen Frieden ließ.
Leider hielt die Ruhe nicht allzu lange an. Ich war gerade dabei, meine Gitarre noch ein letztes Mal vor dem ersten Song zu stimmen, als wie aus dem Nichts eine Hand in meinem Blickfeld auftauchte.
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EXIT (Niam, Larry)
FanfictionEine Nacht lang eingeschlossen in den kalten, dunklen Räumlichkeiten der Universität, ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne Strom, ohne Möglichkeit zur Flucht. Um das Gebäude herum tobt ein Unwetter, keine Menschenseele ist auf den Straßen unterwegs, Sma...