Sonntag, 2. Dezember, 00:43 Uhr

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Schlagartig schleuderte ich alle Vorsicht, all die Wachsamkeit, die wir zuvor noch an den Tag gelegt hatten, in den Wind, um mich ruckartig in Bewegung zu setzen. Panik pulsierte in heißen Wellen durch meinen Körper, hinderte mich an klaren Gedankengängen und ließ mein Sichtfeld zu einem Tunnel werden.

„Liam?" Unkoordiniert taumelte ich über die Blutlache hinweg. „Liam!"

Nur zu gut war mir bewusst, welch hysterischen Eindruck ich in dieser Sekunde vermitteln musste, doch das war mir schnurzegal. Ebenso egal war es mir, ob Ryan mir nun folgte oder nicht. Einzig und allein nicht egal war mir die Tatsache, dass dieses Blut dort am Fuß der Treppe von Liam stammen könnte.

Liam.

Die bloße Vorstellung, dass diese schreckliche Eingebung der Wahrheit entsprechen könnte, ließ das Blut in meinen Adern in Flammen stehen.

Hatte das hier etwas damit zu tun, dass die anderen aus der Cafeteria geflohen waren? Aber ... aber was war das hier? Und warum? Ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch, als ich um eine Biegung des Gangs taumelte und mich nur mit Mühe daran hindern konnte, einen Sturz hinzulegen.

Dort vorne auf dem Boden war im unruhigen Licht meiner Taschenlampe und dem des Teelichts erneut eine rote Spur zu sehen. Und links auf der hellen Wand ebenfalls. Und ein Stück weiter ... das war definitiv ein Handabdruck. Ein blutroter Handabdruck.

Übelkeit stieg in mir hoch.

Verdammte Scheiße, was lief hier?

Inzwischen war meine Panik so überwältigend, dass ich am liebsten auf der Stelle in Tränen ausgebrochen wäre. Die Ränder meines Blickfelds waren schwummrig, als ich die Tür zum Bandraum endlich erreichte, doch als ich hektisch nach der Klinke griff und mich mit meinem ganzen Gewicht dagegenstemmte, ließ sie sich nicht öffnen.

Nein. Nicht schon wieder.

„Liam? Bist du da drin?" Meine Handfläche war längst taub, als ich sie gegen die Tür niedersausen ließ. „Liam!"

Meine Ohren rauschten.

Scheiße. Was, wenn ihm was passiert war? Wenn er auf der Treppe gestürzt war? Oder sich anderweitig verletzt hatte? Und wieso zur gottverdammten Hölle war diese verschissene Tür plötzlich abgesperrt? Das-...

Hände packten mich von hinten, zerrten mich von der Tür weg.

Augenblicklich switchte mein Körper in den Verteidigungsmodus, sodass ich reflexartig nach der Person ausholte, keinen Gedanken daran verschwendend, um wen es sich handeln könnte.

Jemand fluchte laut, doch mein Kopf schwamm weiterhin ganz fürchterlich und es kostete mich einige Sekunden, bis ich schließlich Ryan – wen auch sonst – erkannte, der lediglich versuchte, das noch immer brennende Teelicht aus meiner Hand zu retten, bevor ich es in all meiner Hektik fallenlassen und womöglich alles in Brand stecken konnte.

Ich war viel zu verwirrt, um vernünftig zu sein und es ihm einfach zu überlassen. Stattdessen schloss ich die Finger störrisch noch fester um das warme Glas, griff mit der anderen Hand nach seinem Shirt.

„Ryan, lass-..."

„Hey!"

Fast wäre ich vor Erleichterung zusammengebrochen, als aus der anderen Richtung des Gangs eine halblaute Stimme erklang, gefolgt von schnellen Schritten, die sich uns näherten. Im nächsten Moment tauchte das Licht einer Taschenlampe an der Biegung auf, zusammen mit Liams wohlvertrauter, kräftiger Silhouette.

„Liam, Gott sei Dank!" Völlig aufgelöst drückte ich einem etwas überfordert wirkenden Ryan das Teelichtglas in die Hand, um dann meinem Freund entgegenzustürzen. „Ich dachte schon, du-..."

EXIT (Niam, Larry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt