Erstaunlicherweise übernahm nicht Liam, sondern Zayn die Führung unserer kleinen Gruppe, als wir in höchster Alarmbereitschaft und so lautlos wie nur irgendwie möglich in Richtung der Bibliothek voranschritten.
Laut Zayn hatten sie dort in einem der Gruppen- und Konferenzräume Zuflucht gesucht, da man diese winzigen Räumlichkeiten, im Gegensatz zu den großen Vorlesungssälen, von innen absperren konnte.
Offenbar hatte Romy, nachdem Liam und ich zum Bandraum aufgebrochen waren, nahe der Mensa in einem Papierkorb ein Feuer entzündet, mit der Begründung, so die Dämonen austreiben zu können.
Natürlich hatten die anderen den Rauch sofort gerochen, weshalb sie fluchtartig aus der Cafeteria getürmt waren, fest damit rechnend, dass es tatsächlich irgendwo brannte und wir schnellstmöglich nach einem Fluchtweg aus dem Gebäude Ausschau halten mussten. Infolge dessen waren sie auch über Ellie im Kühlraum gestolpert.
Es war abstrus.
Wären Romy nicht alle Gäule durchgegangen, hätten wir Ellie womöglich nie gefunden. Sie hätte dort unten im Kühlraum der Mensaküche sterben können.
Hier und jetzt.
Der bloße Gedanke daran, dass jemand aus meinem engsten Freundeskreis allen Ernstes in unserer verdammten Universität zu Tode kommen hätte können, noch dazu ausgerechnet in der Mensa, ließ meine Handflächen schwitzig werden.
Was mich außerdem in Unruhe versetzte, waren die unzähligen Pentagramme und Symbole, an denen wir auf unserem Weg zur Bibliothek vorbeikamen.
Eigentlich sollten sie mich ja nicht mehr ganz so sehr verstören, jetzt, wo ich wusste, von wem sie stammten, aber die Tatsache, dass Romy diese ganzen Symbole mit ihrem eigenen Blut an Wände, Fenster und Türen geschmiert hatte, war meiner Meinung nach schockierend genug.
Wie weit musste der Glaube an eine Sache gehen, dass man sich selbst – und unter Umständen auch anderen – körperliche Wunden zufügte, um diesem Glauben gerechtzuwerden?
Ich hatte Romy immer als schweigsame, desinteressierte und durchaus auch etwas ... schwierige Person wahrgenommen, die nicht viel darauf gab, was andere dachten oder wollten, und der es vor allem darum ging, ihren Kopf durchzusetzen. Die Gruppenarbeit mit ihr war frustrierend gewesen – und dadurch, dass Colin ihr mehr oder weniger wie ein Hündchen aus der Hand fraß, hatte es sich mit ihm nicht anders verhalten.
Und nun erstaunten mich beide mit gänzlich unerwarteten Verhaltensweisen und erweckten auf diese Weise Zweifel an mir selbst.
Hatte ich die zwei zu schnell in eine ungerechtfertigte Schublade gesteckt? Nun gut, vermutlich hatte ich das, sonst wäre ich jetzt nicht so von den Socken.
Aber selbst wenn ... niemals hätte ich Romy als jemanden eingeschätzt, der derartig von seinen Überzeugungen besessen war und offenbar vor nicht allzu viel zurückschreckte. Ich meine, die Wände der Universität mit Blut zu beschmieren, war nun wirklich nichts, was man ganz schnell mal eben tat. Dazu gehörte einiges an Überzeugungskraft und Abgebrühtheit – und sicherlich auch Verzweiflung, die wohl mit der zuvorgenannten Überzeugung einherging.
Frustriert setzte ich meinen Gedankengängen in Ende.
Egal, wie sehr ich mir den Kopf zerbrach, würde mir letztendlich nur Romy selbst Antworten geben können.
Unwillkürlich spähte ich über Ryans Schulter, in der Hoffnung, Liams Blick auffangen und Ruhe in ihm finden zu können, doch der war so in ein Gespräch mit Zayn vertieft, dass er meine Bemühung um Kontakt nicht mitbekam.
Enttäuscht wandte ich mich ab, vergrub meine Hände noch tiefer in den Taschen meiner Jacke und setzte meinen Weg schweigend fort.
Liam hatte sich zu meiner Überraschung nach nur kurzer Zeit von meiner Seite gelöst – lediglich einen Kuss sowie eine nur bedingt zufriedenstellende Erklärung hatte er mir gegeben und noch kurz meine Hand gedrückt, bevor er zu Zayn aufgeschlossen hatte. Nun unterhielten die beiden sich im Flüsterton, offenbar sorgfältig darauf bedacht, dass wir anderen kein Wort ihres Gesprächs ausmachen konnten.
DU LIEST GERADE
EXIT (Niam, Larry)
FanfictionEine Nacht lang eingeschlossen in den kalten, dunklen Räumlichkeiten der Universität, ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne Strom, ohne Möglichkeit zur Flucht. Um das Gebäude herum tobt ein Unwetter, keine Menschenseele ist auf den Straßen unterwegs, Sma...