Sonntag, 2. Dezember, 03:06 Uhr

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Warnung: Recht detaillierte Erwähnungen von Blut.

Nur, um sicherzugehen :)

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Es war nicht einmal der reglose, schlaffe Körper selbst, der mich am meisten in Angstzustände versetzte.

Nein. Es war der groteske Kreis aus merkwürdigen Symbolen und brennenden Teelichtern, der um die Leiche herum geschaffen worden war und der in mir das Bedürfnis erweckte, auf der Stelle das Atmen einzustellen und meine gesamte Existenz zu hinterfragen.

Stumm sah ich zu, wie Liam langsam über die Teelichtgläser hinwegstieg und noch einen Moment zögerte, bevor er mit unnatürlich verkrampften Bewegungen neben Colin in die Hocke ging.

Unser Bandkollege lag, alle Viere von sich gestreckt, bäuchlings auf dem weiß gefliesten, kalten Boden des Toilettenvorraums, der links und rechts von Waschbecken und Handtuchspendern gesäumt wurde.

Abgesehen vom leisen Plätschern einer der Klospülungen, die offenbar hängengeblieben war, war es vollkommen still. Der Stoff von Liams grauem, blutbeflecktem Mantel gab ein dumpfes Rascheln von sich, als mein Freund zögerlich die Hand ausstreckte, um Colin an der Schulter zu berühren und sich dann vorsichtig daran zu machen, ihn in eine seitliche Lage zu bringen.

Ryan neben mir hatte sich längst abgewandt, die Wangen so kreidebleich, dass es mich wunderte, warum er sich nicht schon längst übergeben hatte. Allerdings grenzte es auch an ein Wunder, dass ich mich selbst noch nicht meines Mageninhalts entledigt hatte.

Die eben genannten Fliesen, die uns umgaben, waren nämlich keineswegs mehr blütenweiß.

Nein, sie waren rot besprenkelt, sowohl der Boden als auch die Wände, zusammen mit den nähergelegenen Waschbecken und zwei der zahlreichen Spiegel, die im Augenblick nichts als Finsternis und den Schimmer unserer Taschenlampen zur Schau stellen.

Das Blut war scheinbar überall, ebenso der metallische, ekelerregend warme Geruch danach, der mir die Haare im Nacken zu Berge stehen ließ.

Mit welcher Waffe auch immer Colin zu Leibe gerückt worden war, es musste unschön gewesen sein.

Todesangst ließ meinen Magen schwer werden und sämtliche meiner Eingeweide rumoren. Meine Handinnenflächen waren inzwischen so schweißnass, dass ich Schwierigkeiten hatte, mein Handy festzuhalten.

Was, wenn der Täter noch in der Nähe war? Das Wachs in den Kerzen hatte sich noch nicht einmal in der obersten Schicht komplett verflüssigt, das hieß also, dass sie vor nicht allzu langer Zeit erst entzündet und hier positioniert worden waren.

Aber wie konnte es sein, dass wir nichts mitbekommen hatten? Colin hatte sich garantiert nicht kampflos und vor allem nicht lautlos ermorden lassen. Wir waren die letzte Stunde über ununterbrochen in den Gängen unterwegs gewesen, in den vergangenen Minuten sogar ich gleichen Stockwerk. Wie hatte sich ein Mord ereignen können, ohne dass uns auch nur das kleinste Geräusch zu Ohren gekommen war?

Wann und wo und durch wen es auch immer geschehen war, stand jedoch nach wie vor fest, dass es geschehen war.

Colin war tot.

Tot.

Nachdem wir vor vielleicht einer Stunde noch mit ihm gesprochen hatten, nach seinem Streit mit Zayn. Ich hatte gerade erst damit begonnen, seine Persönlichkeit hinter seiner sonst so gleichgültigen, unsympathischen Fassade zu sehen, die er während unserer Bandarbeit immer zur Schau gestellt hatte, hatte gerade erst gelernt, ihn durchaus als Mitglied unserer Gruppe zu schätzen.

EXIT (Niam, Larry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt