1. Coming back home

1.3K 78 15
                                    

꧁Taehyung꧂

Die Odyssee zurück nach Korea hat sich als unkomplizierter herausgestellt, als zuerst gedacht. In mehrschichtigen Klamotten, die eigentlich für englisches Wetter gedacht sind, stehe ich nun am Ausgang des Incheon- Flughafens und werfe immer wieder einen flüchtigen und gespannten Blick auf mein Handy.

Keine neue Benachrichtigung, nicht mal ein Anruf.

Für die letzten beiden Wochen der Sommerferien haben mich mein Vater und seine Lebensabschnittsgefährtin — ein Hoch auf wen auch  immer dieser Begriff in den Sinn gekommen ist — nach Hause zurück bestellt: Es gäbe etwas zu feiern, hat er gemeint. Alles schön und gut. Aber nach fast zwei Stunden des Wartens denke ich, dass er es sich kurzerhand doch anders überlegt hat. Da hat der Brief meines Vaters aber anderes behauptet.

Mein Lieber,
wie dir deine Tanten vielleicht schon verraten haben, werden Yejin und ich diesen Sommer endlich heiraten. Es ist für dich bereits alles in die Wege geleitet, dass du, um uns bei diesem wichtigen Ereignis unserer Familie nicht zu fehlen, begleitest. Yejin und ich freuen uns darauf, dich endlich wiederzusehen, zu umarmen und dich wieder daheim bei uns zu wissen.

Wir lieben dich, bis bald!
Yejin, Papa und Jungkook

Diese indirekt Einladung zur Hochzeit, der beiden, befindet sich zurzeit in den Tiefen meines Rucksacks. Ich könnte noch immer die Stirn über die Worte meines Vaters runzeln. So kennen ich ihn gar nicht. Was mich jedoch schon fast mehr verwundert hat, ist die Tatsache, dass sich die beiden anscheinend ein Haustier angeschafft haben. Lustig, dass sie ihn mit erwähnen. Vermutlich daher, da es sich gehorsamer verhält, als ich es jemals könnte. Ich kichere bei dem Gedanken.

Drüben in England habe ich nicht wirklich viel von Zuhause erfahren — wollte ich bislang auch nicht. Auch kenne ich Yejin kaum, habe sie erst zweimal zu Gesicht bekommen, doch kam sie mir zu der Zeit recht normal vor — definiere normal —, nicht außergewöhnlich, aber auch nicht dämonisch. Was Mama sagen würde?

Noch immer keine Nachricht.

Seufzend schultere ich meinen Rücksack.
Dann muss ich wohl selbst einen Weg finden, um zurückzukommen. So bestelle ich mir ein Taxi. Ein Glück habe ich im Moment noch etwas Kleingeld von meinem letzten Besuch übrig. Mit Pfund können die hier schließlich nichts anfangen und meine Bankkarte funktioniert dank meinem Vater auch nicht außerhalb von Europa.

Im Taxi sitzend, krame ich den Brief noch einmal heraus und betrachte die aufgeklebte Fotografie auf der Rückseite, die unseren großen Garten zeigt. Mein Vater ist darauf abgebildet und lacht, Yejin selbstverständlich im Arm. Sie lacht auch. Etwas abseits, am Rand unseres Pools, sitzt ein Junge. Kennen tue ich ihn nicht.

Ich wäre viel lieber wieder zurück in England, auf der Uni. Heesung vermisst mich bestimmt schon, trotz dessen, dass er sich immer noch nicht gemeldet hat. Also für meinen Teil: ich vermisse ihn. Sehr sogar.

Der Taxifahrer parkt direkt in Angesicht des Hauses. Die hohen Hecken blühen und strahlen saftig grün. Ich bedanke mich und steige aus, den Rucksack aufziehend und anschließend nehme ich noch den Rollkoffer aus dem Kofferraum. Der Schlüssel klappert, als ich die Haustür öffne und mich beim Eintreten bereits von meinen Schuhen befreie. Das Schloss haben sie in den vergangenen Jahren glücklicherweise nicht ausgetauscht. Erst jetzt fällt mir auf, dass gar kein Auto in der Einfahrt gestand hat.

Immer noch keine Lebenszeichen. Ob ihnen etwas zugestoßen ist? Besser ists' nicht weiter darüber nachzudenken.

Der mir bekannte Geruch von Zuhause lässt mich zurück an damals erinnern. Es riecht nach Rosen und dem Waschmittel, das meine Mutter immer benutzt hat. Papa hat Yejin wohl überzeugt es weiterzunutzen. Die Einrichtung scheint auch größtenteils unverändert. Schnaubend im Wohnzimmer angekommen — der Koffer und Rucksack wiegen zusammen echt eine Tonne — zieht aber ein neues Sofa meine Aufmerksamkeit auf sich. Es ist dunkelgrau — sieht teuer aus. Viele Bilder an den Wänden und auf Regalen sind ausgetauscht worden. Fotografien meiner Mutter mussten anscheinend denen von Yejin und weiteren Personen weichen, die mir nichts sagen. Nicht, dass ich das überhaupt wollen würde. Die Tatsache, dass mein Vater Mama so aus der Welt verbannt, macht mich irgendwie wütend.

Kopfschüttelnd gehe ich weiter. Ich möchte jetzt einfach nur noch ins Bett. Ich bin erschöpft und meine Augen fallen mir beinahe schon im Stehen zu. Ein tiefes Seufzen entkommt mir und ich trotte einfach weiter an der Couch vorbei, darauf aus, die Treppe nach oben zu erreichen. Mein Rollkoffer klappert über das Parkett. Ich frage mich noch immer, wo mein Vater und diese Yejin geblieben sind. Ich meine: solange ich am Ende nicht dafür verantwortlich gemacht werde, soll es mir egal sein. Zu erreichen bin ich gewesen, wenn sie das nicht nutzen — nicht mein Problem. In England habe ich gelernt, selbständig zu sein.

Der Flur im zweiten Stock führt zu meinem alten Zimmer. Er ist dunkel, aber nach dem Lichtschalter suche ich nicht erst. Wissend über jeden Stolperstein, gehe ich zur Zimmertür, auf der seit meiner Geburt mein Name in Holzbuchstaben geschrieben steht. Als ich sie erreiche, bin ich verwundert.

Der Name ist weg.

Mit Fragezeichen im Gesicht öffne ich die Tür. Sie knarrt. Der Jetlack hat mir übel zugesetzt. Übermüdet gähne ich und schließe die Augen, da sich einige Tränen in ihnen ansammeln. Als ich die Augen jedoch wieder aufschlage, trifft mich beim Anblick meines Zimmers der Schlag. Mein Rucksack rutscht mir von den Schultern und knallt auf den Boden. Ich erkenne meinen alten Rückzugsort kaum wieder. Die Veränderung reicht von neuen Möbeln, fremden Zeichnungen an den Wänden, zu Actionfiguren und Musikalben, die nicht mir gehören. Selbst die Wände sind neu gestrichen.

„Was ist hier passiert? Haben die mich ersetzt?" Das würde mein Vater doch nicht tun, da bin ich mir eigentlich sicher und schüttele den Gedanken wieder ab. Erschrocken taumele ich etwas zurück und kehre diesem verdrehten Ort den Rücken. Ich lasse das Gepäck einfach im Flur stehen. Sowas darf doch nicht wahr sein. Was ist hier passiert? Es ist erst das dritte Schuljahr gewesen, das ich nicht mehr zu Hause wohne. Erst vorletzten Sommer bin ich doch hier gewesen und alles war noch so, wie ich es im Herbst nach Mamas Tod verlassen habe.

Von unten kommen mir Laute entgegen, als ich neben der Spur an der Treppe ankomme. Ich stolpere beinahe über meine eigenen Füße. Teils frohe und teils verwirrte Augen schauen mir entgegen, als ich am Treppengeländer zum Stehen komme, beinahe einen Tritt ins Leere veranstalte. Im Wohnzimmer befinden sich drei Personen. Zwei davon kenne ich. Yejin schenkt mir ein liebes Lächeln. Meinem Vater stehen die Fragen ins Gesicht geschrieben. Hinter ihnen beiden befindet sich der Junge, der auf der Fotografie der Einladung zu erkennen war.

„Was ein Glück, dass du hier hergefunden hast, Tae. Uns ist eine Kleinigkeit dazwischen gekommen", beginnt die Zukünftige meines Vaters. Der ist währenddessen still und wirft bloß abwechselnd seiner Verlobten und mir fragliche Blicke zu. Seine Hände befinden sich in seinen Hosentaschen.

„Unser Willkommen an dich ist leider nicht so verlaufen wie geplant, aber ich möchte dir trotzdem endlich jemanden vorstellen", spricht sie und führt den Jungen an den Schultern vor sich. Er schaut anschließend zu mir aus glasigen Augen auf.

„Taehyung; das ist mein Sohn, Jungkook."

Overlooked | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt