25. Telling lies

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꧁Taehyung꧂

Hart muss ich schlucken, als mir Jungkooks Frage vollständig bewusst wird. Es fühlt sie alles komisch an. Überfordert mit der Situation lange ich nach der Tasse in den Händen des Jüngeren. Ein Fehler, bemerke ich kurz darauf.

Ein großer Schluck der noch heißen Flüssigkeit, die der Junge auf der Couch dennoch hat seinen Hals herunterlaufen lassen, schwappt über den Rand der Tasse und trifft auf meine Haut. Es befinden sich noch immer einige Schrammen auf ihr. Die Schläge gegen Jungkooks Peiniger waren schließlich nicht von schlechten Eltern. Ich hisse, als wäre ich eine Schlange, die ihren Gegner warnt, nicht einen weiteren Schritt zu wagen. Auch verziehe ich mein Gesicht und neige den Kopf zu Seite. Im Augenwinkel erkenne ich kurz darauf, die von Angst entsetzten Gesichtszüge Jungkooks. Seine bereits großen braunen Augen, die meist von einem glasigen Schimmer begleitet werden, wirken noch größer aber durchzogen von Furcht als vorher; als den Tag zuvor.

Er hat Angst vor mir?

Der Tee versickert im Stoff meines hochgekrempelten Ärmels. Ich lasse die Tasse nicht fallen und stelle sie anschließend auf dem Couchtisch ab. Den Blick des Jüngeren meide ich. Vielleicht habe ich das alles verdient. Jungkook. Das und noch vieles mehr. Ich könnte schwören, sein Körper, der von Decken gewärmt wird, zittert bitterlichst und das meinetwegen.

„I-ist alles in Ordnung?" Seine Stimme ist heiser, als wäre ihm das Sprechen für Jahre untersagt gewesen. Seine Körpersprache spricht für sich.

Er hat wirklich Angst vor mir?

Das Grübeln in meinem Inneren beginnt. Unsicher bringe ich wieder Distanz zwischen uns. Am besten mische ich mich in Zukunft nicht mehr in seine Angelegenheiten, ignorieren ihn und ziehe mich zurück. Dann muss er nur noch vor einer Instanz Angst haben. Ich möchte nicht, dass er sich vor mir fürchtet. Wir kennen uns doch kaum.
Hastig nicke ich auf seine Frage.

„Das brauch dich nicht zu interessieren."

Meine Worte lösen etwas in ihm aus. Eine unbeschreibliche Traurigkeit schwelt urplötzlich zwischen uns und beginnt um unsere Gedanken zu wabern. Jungkook atmet tief ein und aus, sein Atem flattert, als würde er etwas unter Kontrolle bringen wollen. Gegen einzelne Tränen ist er allerdings machtlos. Stumm sammeln sie sich und rennen anschließend seine rosigen Wangen hinab.

Er weint und das nur meinetwegen.

„Warum seid ihr denn schon so zu zu Hause? Habt ihr euch gestritten?!"

Unsere Köpfe schnellen synchron zum Ursprung der gerufenen Worte. Mit zwei vollen Einkaufstüten steht die Ehefrau meines Vaters im Eingang des Esszimmers. Ihr Ausdruck verrät nichts Gutes.

„Gott, Jungkook, was ist denn mit dir passiert? Sagt bitte nicht, dass ihr euch nun endgültig geprügelt habt?"

Jungkook scheint mit dem weiteren Input nicht zurechtkommen. Er senkt den Kopf und erhebt sich kurz darauf von der Couch. Mit wankenden Schritten schreitet er Richtung Küche. Meine Augen haften an ihm, wie die eines Schaulustigen in Angesicht eines drastischen Unfalls.

„Ich bin in der Schule gestürzt. Taehyung hat mich nur nach Hause gebracht. Bitte, mach' dir keine Sorge. Okay?"

Er verschwindet für einen kurzen Augenblick in der Küche und kommt anschließend mit einem kleinen Kühlakku in das Wohnzimmer zurück. Yejin und ich beobachten den Jüngsten der Familie mit Sorgen. Diese beruhen bei uns aber auf unterschiedlichen Gründen.

„Hier, Tae, für deine Hand."

Er reicht mir mit einem so friedvollen Ausdruck den Kühlakku, dass man meinen könnte, die Tränen auf seinen Wangen wären bloß eine reine Vorstellung.

„Versteht ihr euch also so langsam doch?", äußert sich Yejin, die zuvor die schweren Einkäufe auf dem Küchentisch abgestellt hat. Nun läuft sie auf uns beide zu. Jungkook steht nun neben mir und beobachtet das Handeln seiner Mutter mit besorgten Augen. Er ist völlig angespannt.

„Ich bin so stolz auf euch zwei." Sie belohnt uns beide mit einem Kuss auf den Schopf. Diese Geste überfordert mich so sehr, dass ich nicht einmal bemerke, wie Jungkook von meiner Seite verschwindet und humpelnd zu seinem Zimmer schreitet.

Ich blicke ihm stumm nach, bis er außer Sichtweite ist. Etwas an seiner Körpersprache und Stimme hat mein Inneres zum Brechen gebracht. Vor lauter verwirrter Gedanken und Emotionen lange ich nach meinem Smartphone und schreibe Yoongi eine Nachricht. Ich weiß langsam nicht mehr wo mir der Kopf steht.

Overlooked | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt