39. The most beautiful moments in life

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꧁Taehyung꧂

Seitdem wir uns wieder zu Hause befinden, ist Jungkook nicht ein einziges Mal mehr aus seinem Zimmer getreten. Kaum war er aus seinen Schuhen geschlüpft, da ist er bereits dabei gewesen, die Stufen für in den ersten Stock zu erreichen. Seine Tränen waren noch nicht einmal wirklich getrocknet.

Ich habe ihn in Ruhe gelassen. Das Letzte, was ich nun möchte, ist ihn mit meiner Anwesenheit zu bedrängen. Er braucht Zeit. Ein ganzer Tag ist derweil vergangen und er ist bislang noch nicht aus seinem Versteck gekommen. Mir ist jedoch, während ich auf der untersten Stufe der Treppe auf ein Lebenszeichen seinerseits gewartet habe, etwas in den Sinn gekommen. Und diese Idee duftet herrlich in den verschiedensten Kopftöpfen in der Küche vor sich her.

„Jungkook! Kommst du mal? Bitte!"

Meine Stimme halt durch das Haus, wie die eines Priesters in der Kirche. Wie erwartet, erhalte ich keine Antwort auf mein Rufen. Als ich gerade die Stufen nach oben gehen möchte, tritt allerdings eine dunkle Gestalt in mein Sichtfeld.

„Da bist du ja", lächle ich und reiche ihm meine Hand. Er trägt einen viel zu großen, dunklen Pulli und wirkt darin so klein und zerbrechlich; als würde er sich darin verstecken wollen.

„Na komm, ich hab' Essen für uns gemacht." Den Tisch habe ich auch gedeckt. Neben einem kleinen Kerzenständer, der für genau drei Kerzen Platz hat, habe ich auch Mamas altes Geschirr gefunden, wenn Gäste zu Besuch kamen.

„Ich hoffe, du isst gerne scharf", flüstere ich, als ich ihn zu seinem Platz geleite.
Er schweigt weiterhin, doch weiten sich seine Augen, als er das dampfende Essen auf dem Tisch erkennt.
„Nimm' dir, was du möchtest. Ich hoffe, du hast hunger."

Er schaut hungrig aus. Geduldig beobachtet ich ihn, während er sich unsicher an einigen Sachen bedient. Als er seine Auswahl nach einigen Minuten endlich für genug empfindet, beginnt er langsam zu essen. Dass mir bereits seit Stunden der Magen knurrt und ich buchstäblich über den ganzen Tisch herfallen könnte; der Jüngere muss wirklich nicht alles wissen.

„Was wird das hier?" Er hat die Stirn in Falten gelegt und sein Besteck kurz beiseite gelegt. Ich schlucke. Der Ernst in seiner Stimme gefällt mir nicht.
„Wie? Ich wollte dir eine Freude machen, dir die Arbeit abnehmen, selbst zu kochen", erkläre ich.
„Sieh' es als Festessen, da Hyuk und seine Schatten endlich das bekommen, was sie verdienen."

Ein Nicken.

Langsam beginnt mir das Essen nicht mehr zu schmecken. Jungkooks Skepsis und alarmierende Vorsicht verletzen mich. Auch, wenn sie es nicht sollten. Seufzend greife ich nach meinem Glas und schenke mir etwas viel Rotwein nach.

„Das ist wirklich lieb von dir."

Mit leicht rosafarbenen Wangen schenkt mir Jungkook ein liebevolles Lächeln. Beinahe fällt mir die Flasche Wein noch aus der Hand. Meine Ungeschicktheit lässt ihn kichern. Dieses Lachen könnte ich ständig und andauernd hören. So glücklich wie jetzt habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Dieser Abend erinnert mich an Moment in England; die schönsten Momente meines Lebens.

„Erzähl' mir bitte noch mehr über deine Zeit dort."

Unsere Bäuche sind mittlerweile gesättigt und das Geschirr befinden sich ebenfalls schon in der Spülmaschine. Nachdem die zweite Weinflasche angebrochen war, begann ein Gespräch zwischen uns, das kein Ende finden möchte. Jungkook hat mir vieles über seine Schulzeit vor dem Vorfall mit seinem ersten Freund erzählt und ich berichte ihm nun nach seiner Bitte, wie die Schulzeit in England ausgesehen hat. Dass Yejin mir währenddessen eine Nachricht geschrieben hat, in der sie fragt, wie es bei uns zu Hause ausschaut und warum Jungkook nicht auf ihre Nachrichten antwortet, ignoriere ich.

„Es war dort viel entspannter als hier. Ich habe nicht direkt im Zentrum der Stadt gewohnt, sondern etwas außerhalb. Die Wohnung meiner Tanten liegt in einem schönen Viertel, weit ab von dem Trubel. Und das College, auf das ich ging, war gerade ein Ort weiter. Wäre ich teils nicht zu faul gewesen, hätte ich jeden Morgen spazieren können."

Wir sitzen inzwischen auf Jungkooks Bett. Es war seine Idee hier herzukommen. Mein altes Zimmer schaut so anders aus. Es ist trotzdem schön. Erst jetzt fallen mir die viele Malutensilien so wirklich auf. Jungkook muss es wirklich lieben, zu malen.

„Das hört sich wirklich alles so schön an", murmelt der Jüngere und legt seinen Kopf auf meinem Schoß ab. Ich ruhe mit dem Rücken an der Wand, sodass meine Füße leicht über den Bettrand hinausragen. Jungkook liegt an meiner Seite wie eine Katze. Das Bild erinnert mich etwas an Yoongi.

„Das war es... Das hat mir damals viel geholfen, merke ich jetzt", gestehe ich. Die Zeit nach dem Tod meiner Mutter war schwer. Wer weiß, was ich aus mir gemacht hätte, wäre ich nicht aus Korea geflohen. Sachte streiche ich dem Jungen durch sein weiches Haar. Er schließt die Augen, entspannt sich.

„Ich wünschte, ich hätte auch wegrennen können. Aber ich war zu feige."
Ein Gähnen.
„Sag' doch sowas nicht!"
Meine Hand hält kurz inne.
„Du hättest diese Aussage nie tun müssen. Niemand hat dich gezwungen. Trotzdem hast du dich dafür entschieden", versuche ich ihm klarzumachen. Er zuckt nur mit den Schultern. „Du bist stark und hast dich gegen sie gewehrt. Die werden jetzt nicht mehr so schnell glücklich." Er lacht, als würde er mir meine Worte nicht abkaufen. Mit müden Augen schaut er zu mir auf. Ich lege meine Hand auf seine Wange.

„Was machen wir, wenn sie wieder zurückkommen?"

Overlooked | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt